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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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mörderischen Bestrebungen ruhig gewähren lassen, wären nicht die Interessen
der übrigen Gesellschaftsclassen so wesentlich bei der Sache betheiligt, daß
auch nur die vorübergehende Verwirrung, welche sie anzurichten drohn, die
verderblichsten Folgen nach sich ziehen müßte.

Ist dem nun so, dann drängt sich jedem unwillkürlich die Frage auf:
ob es im Grunde nicht etwas ganz Anderes ist. was die Rückschrittsparte,,
insbesondere diejenigen großen Grundbesitzer, welche deren Kern bilden, art
der ganzen Maßregel eigentlich erstreben, als was sie so für gewohnlich vor¬
geben? - Indem das vorliegende Werk die von ihnen aufgestellten Schein¬
motive in ihrer ganzen Nichtigkeit zeigt und sie des Flitters von gemein¬
nützigen und staatswirthschaftlichen Rücksichten entkleidet, mit dem sie sich vor
uns so gern aufputzen möchten, läßt es uns die Antwort zwischen den Zerlen
lesen. Nicht die atomistische Zersplitterung des Grundbesitzes haben wir dar¬
nach zu fürchten, mit der man uns bedroht, indem derselbe weit eher dahin
neigt, sich in einzelnen Händen anzuhäufen. Nicht das Verschwinden der
großen und mittleren Besitzungen also, dem man aus Rücksichten für das
öffentliche Wohl etwa vorzubeugen haben möchte, ist die Folge des freien
Grundvcrkchrs. der unbeschränkten Theilbarkeit von Grund und Boden, sondern
nur der Wechsel der Besitzer, die Verkleinerung des einen Gutes mit der
Folge vom Anwachsen anderer aus dessen Trennstücken. und das Heilsame
für das gesammtstaatliche Gemeinwesen, was in einer solchen dem Bedürf¬
nisse und Interesse Rechnung tragenden Gestaltung der Grundverhältnisse
liegt, ist bereits erörtert. Aber grade hier liegt für die Gegner der Kern
der Frage, das Hauptmotiv ihrer Stellung dazu, das sich in einer Menge
von Zeichen verräth, so wenig sie es auch offen aussprechen: grade diesem in
der Natur aller menschlichen Zustände und Einrichtungen liegenden Wechsel
will man vorbeugen. Mit dem großen Einflüsse und der bei unsern Ver¬
kehrsverhältnissen immer steigenden'günstigen Stellung, welche der Besitzer eines
großen Gutes ohnehin und ganz von selbst genießt, und welche es ihm, du
irgend verständiger Wirthschaft, leichter als sonst jemandem machen, seinen
Besitz für sich und seine Kinder zu behaupten, weil dessen Erträgnisse un¬
endlich sicherer und weniger Wechselfällen ausgesetzt sind, als Capital- und
gewerbliches Einkommen, ist mau nicht zufrieden. Vielmehr möchte man
diese Lage seinen Nachkommen auch für den Fall sichern, daß diese unver¬
nünftig wirthschaften, die ihnen gebotenen Vortheile durch eine entsprechende
Thätigkeit und Lebenshaltung nicht ausnutzen, sondern als müßig Genießende
verschwenderisch in den Tag hineinleben, ohne an irgend eine Pflicht gegen
ihre Familien wie gegen die Gesellschaft zu deuten, wie sie ihnen ihre bevor¬
zugte Stellung auferlegt. Daß man durch solche vom einseitigsten Familien-
und Standesvorurtheil eingegebene Maßregeln, durch die Gründung solcher


mörderischen Bestrebungen ruhig gewähren lassen, wären nicht die Interessen
der übrigen Gesellschaftsclassen so wesentlich bei der Sache betheiligt, daß
auch nur die vorübergehende Verwirrung, welche sie anzurichten drohn, die
verderblichsten Folgen nach sich ziehen müßte.

Ist dem nun so, dann drängt sich jedem unwillkürlich die Frage auf:
ob es im Grunde nicht etwas ganz Anderes ist. was die Rückschrittsparte,,
insbesondere diejenigen großen Grundbesitzer, welche deren Kern bilden, art
der ganzen Maßregel eigentlich erstreben, als was sie so für gewohnlich vor¬
geben? - Indem das vorliegende Werk die von ihnen aufgestellten Schein¬
motive in ihrer ganzen Nichtigkeit zeigt und sie des Flitters von gemein¬
nützigen und staatswirthschaftlichen Rücksichten entkleidet, mit dem sie sich vor
uns so gern aufputzen möchten, läßt es uns die Antwort zwischen den Zerlen
lesen. Nicht die atomistische Zersplitterung des Grundbesitzes haben wir dar¬
nach zu fürchten, mit der man uns bedroht, indem derselbe weit eher dahin
neigt, sich in einzelnen Händen anzuhäufen. Nicht das Verschwinden der
großen und mittleren Besitzungen also, dem man aus Rücksichten für das
öffentliche Wohl etwa vorzubeugen haben möchte, ist die Folge des freien
Grundvcrkchrs. der unbeschränkten Theilbarkeit von Grund und Boden, sondern
nur der Wechsel der Besitzer, die Verkleinerung des einen Gutes mit der
Folge vom Anwachsen anderer aus dessen Trennstücken. und das Heilsame
für das gesammtstaatliche Gemeinwesen, was in einer solchen dem Bedürf¬
nisse und Interesse Rechnung tragenden Gestaltung der Grundverhältnisse
liegt, ist bereits erörtert. Aber grade hier liegt für die Gegner der Kern
der Frage, das Hauptmotiv ihrer Stellung dazu, das sich in einer Menge
von Zeichen verräth, so wenig sie es auch offen aussprechen: grade diesem in
der Natur aller menschlichen Zustände und Einrichtungen liegenden Wechsel
will man vorbeugen. Mit dem großen Einflüsse und der bei unsern Ver¬
kehrsverhältnissen immer steigenden'günstigen Stellung, welche der Besitzer eines
großen Gutes ohnehin und ganz von selbst genießt, und welche es ihm, du
irgend verständiger Wirthschaft, leichter als sonst jemandem machen, seinen
Besitz für sich und seine Kinder zu behaupten, weil dessen Erträgnisse un¬
endlich sicherer und weniger Wechselfällen ausgesetzt sind, als Capital- und
gewerbliches Einkommen, ist mau nicht zufrieden. Vielmehr möchte man
diese Lage seinen Nachkommen auch für den Fall sichern, daß diese unver¬
nünftig wirthschaften, die ihnen gebotenen Vortheile durch eine entsprechende
Thätigkeit und Lebenshaltung nicht ausnutzen, sondern als müßig Genießende
verschwenderisch in den Tag hineinleben, ohne an irgend eine Pflicht gegen
ihre Familien wie gegen die Gesellschaft zu deuten, wie sie ihnen ihre bevor¬
zugte Stellung auferlegt. Daß man durch solche vom einseitigsten Familien-
und Standesvorurtheil eingegebene Maßregeln, durch die Gründung solcher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/53>, abgerufen am 22.07.2024.