Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Klosterordnung von 1572 enthält darüber wörtliche daß die Klöster
fortan g,) zur Unterhaltung armer, gebrechlicher, zum Ehestande nicht tüchtiger
Jungfrauen, gleich wie Hospitäler dienen sollen; hauptsächlich aber d) zur
Erziehung junger Mädchen, und wird zu diesem Zweck ausdrücklich die
Errichtung von Schulen befohlen. Die Schulordnung bildet daher auch einen
integrirenden Theil der Klosterordnung; sie enthält sogar sehr detcnllirte
Vorschriften über die Art des Unterrichts, der Schulzucht u. s. f. Auch gibt
die Klosterordnung vou 1610 die deutlichste Aufklärung darüber, welche
Personen seit der Ueberweisung an die Landstände als zur Aufnahme in die
Klöster berechtigt angesehen wurden, wenn dieselbe im Art. 8 sagt: "Wenn
einer Klosterjungfrauen Vater , Mutter, leibliche Brüder, Vormünder, beide
von Adel und Bürger, dieselbe Jungfrau zu sprechen. . . verlangten, soll
von denselben keiner alsbald eingelassen werden." Welch einen ungemeinen
Nutzen hätte die ganze Bevölkerung des Landes von diesen Instituten haben
können, wenn die Einkünfte dem ursprünglichen Hauptzweck gemäß, der weib¬
lichen Erziehung, von jener Zeit an, somit Jahrhunderte hindurch, verwandt
worden wären. Aber die Ritterschaft, die damals größtentheils aus adeligen
Gutsbesitzern bestand, scheint bald über den Begriff ihrer Stellung in Unklarheit
gerathen zu sein, denn schon 1561 liegt das Bestreben, die Klöster sür ihre
eignen Familien nutzbar zu machen, in den Landcsacten klar vor.

Die Ritterschaft sing damit an, neben den bestehenden Klosterschulen
einzelne Stellen für ihre heirathsfähigen und wol auch heirathslustigen Töch¬
ter zu creiren, wobei es blos auf die Versorgung derselben abgesehen war,
und zwar zuerst durch Dotationen an Wohnung und Naturalien und später
an Geldhebungen. Die den mecklenburgischen Ständen von jeher zustehende
Autonomie, welche aber wegen des Ausscheidens des ersten Standes, der
Prälaten, gleichfalls ihr Gleichgewicht verloren hatte und besser zum Wohle
des Ganzen von Seiten der Fürsten beschränkt worden wäre, gab zu 'die¬
sem Treiben gute Gelegenheit, und da .schon in damaligen Zeiten von
dem fürstlichen Obcraufsi.chtörecht nichts zu verspüren, so fuhr die Ritter¬
schaft fort, aus den fundativnsmäßigcn Landeserziehungsanstalten, den Klöstern
Dobbertin, Malchow und Ribnitz, nach und nach Vcrsorgungsanstalten
für die Töchter der ritterschaftlichen Gutsbesitzer zu machen. Wenn die Ritter¬
schaft nun infolge der Ausscheidung der Prälaten schon damals gleich wie
heute noch eine exorbitante Macht übte, so trugen zu deren Erlangung die fast
stereotypen Geldverlegenheiten der mecklenburgischen Fürsten noch ganz beson¬
ders bei. Waren diese Geldverlegenheiten auch vielleicht nicht absichtlich be¬
reitet, so gaben sie doch der Vermuthung Raum, daß, da der Adel die einzige
Umgebung der Fürsten ausmachte, dieser auch ein'großer Theil des Schul-
denmachens zuzumessen sei. Jedenfalls entstand hieraus ein abnormes Ver-


Die Klosterordnung von 1572 enthält darüber wörtliche daß die Klöster
fortan g,) zur Unterhaltung armer, gebrechlicher, zum Ehestande nicht tüchtiger
Jungfrauen, gleich wie Hospitäler dienen sollen; hauptsächlich aber d) zur
Erziehung junger Mädchen, und wird zu diesem Zweck ausdrücklich die
Errichtung von Schulen befohlen. Die Schulordnung bildet daher auch einen
integrirenden Theil der Klosterordnung; sie enthält sogar sehr detcnllirte
Vorschriften über die Art des Unterrichts, der Schulzucht u. s. f. Auch gibt
die Klosterordnung vou 1610 die deutlichste Aufklärung darüber, welche
Personen seit der Ueberweisung an die Landstände als zur Aufnahme in die
Klöster berechtigt angesehen wurden, wenn dieselbe im Art. 8 sagt: „Wenn
einer Klosterjungfrauen Vater , Mutter, leibliche Brüder, Vormünder, beide
von Adel und Bürger, dieselbe Jungfrau zu sprechen. . . verlangten, soll
von denselben keiner alsbald eingelassen werden." Welch einen ungemeinen
Nutzen hätte die ganze Bevölkerung des Landes von diesen Instituten haben
können, wenn die Einkünfte dem ursprünglichen Hauptzweck gemäß, der weib¬
lichen Erziehung, von jener Zeit an, somit Jahrhunderte hindurch, verwandt
worden wären. Aber die Ritterschaft, die damals größtentheils aus adeligen
Gutsbesitzern bestand, scheint bald über den Begriff ihrer Stellung in Unklarheit
gerathen zu sein, denn schon 1561 liegt das Bestreben, die Klöster sür ihre
eignen Familien nutzbar zu machen, in den Landcsacten klar vor.

Die Ritterschaft sing damit an, neben den bestehenden Klosterschulen
einzelne Stellen für ihre heirathsfähigen und wol auch heirathslustigen Töch¬
ter zu creiren, wobei es blos auf die Versorgung derselben abgesehen war,
und zwar zuerst durch Dotationen an Wohnung und Naturalien und später
an Geldhebungen. Die den mecklenburgischen Ständen von jeher zustehende
Autonomie, welche aber wegen des Ausscheidens des ersten Standes, der
Prälaten, gleichfalls ihr Gleichgewicht verloren hatte und besser zum Wohle
des Ganzen von Seiten der Fürsten beschränkt worden wäre, gab zu 'die¬
sem Treiben gute Gelegenheit, und da .schon in damaligen Zeiten von
dem fürstlichen Obcraufsi.chtörecht nichts zu verspüren, so fuhr die Ritter¬
schaft fort, aus den fundativnsmäßigcn Landeserziehungsanstalten, den Klöstern
Dobbertin, Malchow und Ribnitz, nach und nach Vcrsorgungsanstalten
für die Töchter der ritterschaftlichen Gutsbesitzer zu machen. Wenn die Ritter¬
schaft nun infolge der Ausscheidung der Prälaten schon damals gleich wie
heute noch eine exorbitante Macht übte, so trugen zu deren Erlangung die fast
stereotypen Geldverlegenheiten der mecklenburgischen Fürsten noch ganz beson¬
ders bei. Waren diese Geldverlegenheiten auch vielleicht nicht absichtlich be¬
reitet, so gaben sie doch der Vermuthung Raum, daß, da der Adel die einzige
Umgebung der Fürsten ausmachte, dieser auch ein'großer Theil des Schul-
denmachens zuzumessen sei. Jedenfalls entstand hieraus ein abnormes Ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106311"/>
          <p xml:id="ID_1472"> Die Klosterordnung von 1572 enthält darüber wörtliche daß die Klöster<lb/>
fortan g,) zur Unterhaltung armer, gebrechlicher, zum Ehestande nicht tüchtiger<lb/>
Jungfrauen, gleich wie Hospitäler dienen sollen; hauptsächlich aber d) zur<lb/>
Erziehung junger Mädchen, und wird zu diesem Zweck ausdrücklich die<lb/>
Errichtung von Schulen befohlen. Die Schulordnung bildet daher auch einen<lb/>
integrirenden Theil der Klosterordnung; sie enthält sogar sehr detcnllirte<lb/>
Vorschriften über die Art des Unterrichts, der Schulzucht u. s. f. Auch gibt<lb/>
die Klosterordnung vou 1610 die deutlichste Aufklärung darüber, welche<lb/>
Personen seit der Ueberweisung an die Landstände als zur Aufnahme in die<lb/>
Klöster berechtigt angesehen wurden, wenn dieselbe im Art. 8 sagt: &#x201E;Wenn<lb/>
einer Klosterjungfrauen Vater , Mutter, leibliche Brüder, Vormünder, beide<lb/>
von Adel und Bürger, dieselbe Jungfrau zu sprechen. . . verlangten, soll<lb/>
von denselben keiner alsbald eingelassen werden." Welch einen ungemeinen<lb/>
Nutzen hätte die ganze Bevölkerung des Landes von diesen Instituten haben<lb/>
können, wenn die Einkünfte dem ursprünglichen Hauptzweck gemäß, der weib¬<lb/>
lichen Erziehung, von jener Zeit an, somit Jahrhunderte hindurch, verwandt<lb/>
worden wären. Aber die Ritterschaft, die damals größtentheils aus adeligen<lb/>
Gutsbesitzern bestand, scheint bald über den Begriff ihrer Stellung in Unklarheit<lb/>
gerathen zu sein, denn schon 1561 liegt das Bestreben, die Klöster sür ihre<lb/>
eignen Familien nutzbar zu machen, in den Landcsacten klar vor.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1473" next="#ID_1474"> Die Ritterschaft sing damit an, neben den bestehenden Klosterschulen<lb/>
einzelne Stellen für ihre heirathsfähigen und wol auch heirathslustigen Töch¬<lb/>
ter zu creiren, wobei es blos auf die Versorgung derselben abgesehen war,<lb/>
und zwar zuerst durch Dotationen an Wohnung und Naturalien und später<lb/>
an Geldhebungen. Die den mecklenburgischen Ständen von jeher zustehende<lb/>
Autonomie, welche aber wegen des Ausscheidens des ersten Standes, der<lb/>
Prälaten, gleichfalls ihr Gleichgewicht verloren hatte und besser zum Wohle<lb/>
des Ganzen von Seiten der Fürsten beschränkt worden wäre, gab zu 'die¬<lb/>
sem Treiben gute Gelegenheit, und da .schon in damaligen Zeiten von<lb/>
dem fürstlichen Obcraufsi.chtörecht nichts zu verspüren, so fuhr die Ritter¬<lb/>
schaft fort, aus den fundativnsmäßigcn Landeserziehungsanstalten, den Klöstern<lb/>
Dobbertin, Malchow und Ribnitz, nach und nach Vcrsorgungsanstalten<lb/>
für die Töchter der ritterschaftlichen Gutsbesitzer zu machen. Wenn die Ritter¬<lb/>
schaft nun infolge der Ausscheidung der Prälaten schon damals gleich wie<lb/>
heute noch eine exorbitante Macht übte, so trugen zu deren Erlangung die fast<lb/>
stereotypen Geldverlegenheiten der mecklenburgischen Fürsten noch ganz beson¬<lb/>
ders bei. Waren diese Geldverlegenheiten auch vielleicht nicht absichtlich be¬<lb/>
reitet, so gaben sie doch der Vermuthung Raum, daß, da der Adel die einzige<lb/>
Umgebung der Fürsten ausmachte, dieser auch ein'großer Theil des Schul-<lb/>
denmachens zuzumessen sei.  Jedenfalls entstand hieraus ein abnormes Ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0500] Die Klosterordnung von 1572 enthält darüber wörtliche daß die Klöster fortan g,) zur Unterhaltung armer, gebrechlicher, zum Ehestande nicht tüchtiger Jungfrauen, gleich wie Hospitäler dienen sollen; hauptsächlich aber d) zur Erziehung junger Mädchen, und wird zu diesem Zweck ausdrücklich die Errichtung von Schulen befohlen. Die Schulordnung bildet daher auch einen integrirenden Theil der Klosterordnung; sie enthält sogar sehr detcnllirte Vorschriften über die Art des Unterrichts, der Schulzucht u. s. f. Auch gibt die Klosterordnung vou 1610 die deutlichste Aufklärung darüber, welche Personen seit der Ueberweisung an die Landstände als zur Aufnahme in die Klöster berechtigt angesehen wurden, wenn dieselbe im Art. 8 sagt: „Wenn einer Klosterjungfrauen Vater , Mutter, leibliche Brüder, Vormünder, beide von Adel und Bürger, dieselbe Jungfrau zu sprechen. . . verlangten, soll von denselben keiner alsbald eingelassen werden." Welch einen ungemeinen Nutzen hätte die ganze Bevölkerung des Landes von diesen Instituten haben können, wenn die Einkünfte dem ursprünglichen Hauptzweck gemäß, der weib¬ lichen Erziehung, von jener Zeit an, somit Jahrhunderte hindurch, verwandt worden wären. Aber die Ritterschaft, die damals größtentheils aus adeligen Gutsbesitzern bestand, scheint bald über den Begriff ihrer Stellung in Unklarheit gerathen zu sein, denn schon 1561 liegt das Bestreben, die Klöster sür ihre eignen Familien nutzbar zu machen, in den Landcsacten klar vor. Die Ritterschaft sing damit an, neben den bestehenden Klosterschulen einzelne Stellen für ihre heirathsfähigen und wol auch heirathslustigen Töch¬ ter zu creiren, wobei es blos auf die Versorgung derselben abgesehen war, und zwar zuerst durch Dotationen an Wohnung und Naturalien und später an Geldhebungen. Die den mecklenburgischen Ständen von jeher zustehende Autonomie, welche aber wegen des Ausscheidens des ersten Standes, der Prälaten, gleichfalls ihr Gleichgewicht verloren hatte und besser zum Wohle des Ganzen von Seiten der Fürsten beschränkt worden wäre, gab zu 'die¬ sem Treiben gute Gelegenheit, und da .schon in damaligen Zeiten von dem fürstlichen Obcraufsi.chtörecht nichts zu verspüren, so fuhr die Ritter¬ schaft fort, aus den fundativnsmäßigcn Landeserziehungsanstalten, den Klöstern Dobbertin, Malchow und Ribnitz, nach und nach Vcrsorgungsanstalten für die Töchter der ritterschaftlichen Gutsbesitzer zu machen. Wenn die Ritter¬ schaft nun infolge der Ausscheidung der Prälaten schon damals gleich wie heute noch eine exorbitante Macht übte, so trugen zu deren Erlangung die fast stereotypen Geldverlegenheiten der mecklenburgischen Fürsten noch ganz beson¬ ders bei. Waren diese Geldverlegenheiten auch vielleicht nicht absichtlich be¬ reitet, so gaben sie doch der Vermuthung Raum, daß, da der Adel die einzige Umgebung der Fürsten ausmachte, dieser auch ein'großer Theil des Schul- denmachens zuzumessen sei. Jedenfalls entstand hieraus ein abnormes Ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/500
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/500>, abgerufen am 22.07.2024.