Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.Größe in Rechnung ziehn; dabei geriethe sie in ein sehr bedenkliches Herum" Vor allem dürfen die Anhänger des constitutionellen Princips nicht ver¬ Größe in Rechnung ziehn; dabei geriethe sie in ein sehr bedenkliches Herum« Vor allem dürfen die Anhänger des constitutionellen Princips nicht ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0493" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106304"/> <p xml:id="ID_1453" prev="#ID_1452"> Größe in Rechnung ziehn; dabei geriethe sie in ein sehr bedenkliches Herum«<lb/> tasten, das im Volk auf ihre Haltung ein zweifelhaftes Licht würfe, und es<lb/> könnte ihr doch wol begegnen, daß sie in einen Rechnungsfehler versiele; es<lb/> könnte ihr heute begegnen wie gestern, daß sie in einen Rechnungsfehler ver¬<lb/> siele. Der gerade Weg ist der beste. Der preußische Landtag, wie er heute<lb/> ist, hat nicht die Aufgabe, ein mißliebiges Ministerium zu stürzen und der<lb/> Krone einen Ersatz anzubieten, sondern er hat die Aufgabe, den Rathgebern<lb/> der Krone gegenüber, gleich viel, wer diese sein mögen, die Gerechtsame, die<lb/> Interessen und die Ehre des Landes zu vertreten. Er hat diese Aufgabe einem<lb/> liberalen Ministerium gegenüber, ebenso wie einem reaktionären gegenüber.<lb/> Aus dieser Aufgabe ergibt sich seine Pflicht und der Nothwendigkeit eines<lb/> kategorischen Imperativs, die. wenn sie unmittelbar den Zweck nicht erreicht,<lb/> auch den Gegnern Achtung abnöthigt; jede andere Auffassung verleitet ihn<lb/> auf ungerade Wege und schmälert sein Ansehen. Daß diese Aufgabe des Land¬<lb/> tags aber auch historisch begründet ist, wird ein kurzer Rückblick auf seine Ent¬<lb/> stehung nachweisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1454" next="#ID_1455"> Vor allem dürfen die Anhänger des constitutionellen Princips nicht ver¬<lb/> gessen, daß in Preußen das parlamentarische Leben auf dem staatlichen Or¬<lb/> ganismus der jüngste Zweig, das Königthum der älteste ist. Preußen war.<lb/> wie alle übrigen deutschen Staaten, ursprünglich eine große Domäne, in die<lb/> wunderlichsten privatrechtlichen Beziehungen verwachsen. Eine Reihe tüchtiger<lb/> Fürsten verstand diese Beziehungen zu lösen, den Familienbesitz abzurunden,<lb/> ihn durch geregelte Wirthschaft und durch ein wvhlorgnnisirtes Heer zu be¬<lb/> festigen. So ging allmälig aus der Domäne ein Staat, ein lebensvoller Or¬<lb/> ganismus hervor. Wenn Friedrich der Große, der Vollender dieses Baues,<lb/> sich selbst den ersten'Diener des Staats nannte, so meinte er damit gewiß<lb/> nicht, sich zum Diener von diesem oder jenem zu machen; es war im Gegen¬<lb/> theil seine Natur, überall der Herr zu sein. > Aber er unterschied in der Per¬<lb/> son des Monarchen das Individuelle vom Allgemeinen, er betrachtete ihn izur<lb/> als den vorübergehenden Träger einer sittlichen Idee, für die er seinen Nach¬<lb/> kommen ebenso verpflichtet sei, wie der Träger eines Fidncommisses. Diesen<lb/> Unterschied scheint man neuerdings aus den Augen gelassen zu haben, man<lb/> ersetzt die Bezeichnung: Staatsdiener durch die Bezeichnung: königliche Diener,<lb/> und sucht so den Unterschied zwischen denjenigen, welche d.le Person des<lb/> Königs bedienen, ihm die Stiefel ausziehen u. f. w. und denjenigen, die<lb/> ihm als Staatsoberhaupt dienen, zu verwischen, was jedenfalls nicht zur<lb/> Klarheit der politischen Begriffe beiträgt. Durch den Ruhm seiner Siege,<lb/> durch die Tüchtigkeit seines Militärs, durch das straffe, aber gutgeschnlte Be¬<lb/> amtentum brachte nun Friedrich etwas hervor, was dem Absolutismus am<lb/> fernsten zu liegen scheint, den Kern zu einer wirklichen Nation. Dies zeigte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0493]
Größe in Rechnung ziehn; dabei geriethe sie in ein sehr bedenkliches Herum«
tasten, das im Volk auf ihre Haltung ein zweifelhaftes Licht würfe, und es
könnte ihr doch wol begegnen, daß sie in einen Rechnungsfehler versiele; es
könnte ihr heute begegnen wie gestern, daß sie in einen Rechnungsfehler ver¬
siele. Der gerade Weg ist der beste. Der preußische Landtag, wie er heute
ist, hat nicht die Aufgabe, ein mißliebiges Ministerium zu stürzen und der
Krone einen Ersatz anzubieten, sondern er hat die Aufgabe, den Rathgebern
der Krone gegenüber, gleich viel, wer diese sein mögen, die Gerechtsame, die
Interessen und die Ehre des Landes zu vertreten. Er hat diese Aufgabe einem
liberalen Ministerium gegenüber, ebenso wie einem reaktionären gegenüber.
Aus dieser Aufgabe ergibt sich seine Pflicht und der Nothwendigkeit eines
kategorischen Imperativs, die. wenn sie unmittelbar den Zweck nicht erreicht,
auch den Gegnern Achtung abnöthigt; jede andere Auffassung verleitet ihn
auf ungerade Wege und schmälert sein Ansehen. Daß diese Aufgabe des Land¬
tags aber auch historisch begründet ist, wird ein kurzer Rückblick auf seine Ent¬
stehung nachweisen.
Vor allem dürfen die Anhänger des constitutionellen Princips nicht ver¬
gessen, daß in Preußen das parlamentarische Leben auf dem staatlichen Or¬
ganismus der jüngste Zweig, das Königthum der älteste ist. Preußen war.
wie alle übrigen deutschen Staaten, ursprünglich eine große Domäne, in die
wunderlichsten privatrechtlichen Beziehungen verwachsen. Eine Reihe tüchtiger
Fürsten verstand diese Beziehungen zu lösen, den Familienbesitz abzurunden,
ihn durch geregelte Wirthschaft und durch ein wvhlorgnnisirtes Heer zu be¬
festigen. So ging allmälig aus der Domäne ein Staat, ein lebensvoller Or¬
ganismus hervor. Wenn Friedrich der Große, der Vollender dieses Baues,
sich selbst den ersten'Diener des Staats nannte, so meinte er damit gewiß
nicht, sich zum Diener von diesem oder jenem zu machen; es war im Gegen¬
theil seine Natur, überall der Herr zu sein. > Aber er unterschied in der Per¬
son des Monarchen das Individuelle vom Allgemeinen, er betrachtete ihn izur
als den vorübergehenden Träger einer sittlichen Idee, für die er seinen Nach¬
kommen ebenso verpflichtet sei, wie der Träger eines Fidncommisses. Diesen
Unterschied scheint man neuerdings aus den Augen gelassen zu haben, man
ersetzt die Bezeichnung: Staatsdiener durch die Bezeichnung: königliche Diener,
und sucht so den Unterschied zwischen denjenigen, welche d.le Person des
Königs bedienen, ihm die Stiefel ausziehen u. f. w. und denjenigen, die
ihm als Staatsoberhaupt dienen, zu verwischen, was jedenfalls nicht zur
Klarheit der politischen Begriffe beiträgt. Durch den Ruhm seiner Siege,
durch die Tüchtigkeit seines Militärs, durch das straffe, aber gutgeschnlte Be¬
amtentum brachte nun Friedrich etwas hervor, was dem Absolutismus am
fernsten zu liegen scheint, den Kern zu einer wirklichen Nation. Dies zeigte
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