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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Stätte, wo Epaminondas den schönen Tod des Siegers starb. Der Ort
wird noch jetzt von den Führern gezeigt. Es ist ein Hügel im Nordosten
der Stadt, aus dem zwei kleine Bäume stehen. Ich glaube indeß, daß der
thebanische Held auf einer der Höhen mehr nach Süden hin saß, als er starb;
denn von dieser Richtung rückte sein Heer gegen die vor der Stadt aufgestellten
Spartaner an. In der Zeit des Pauianias war die Stelle durch ein Denk¬
mal bezeichnet, jetzt ist keine Spur mehr davon zu finden. Aber wenige
werden durch dieses Thal reisen, ohne im Stillen dem Sieger in den Schlachten
von Leuktra und Mantinea zu huldigen, "dieser schönen Töchter", wie er ster¬
bend sie nannte, "welche seinen Namen dem Gedächtniß aller Zeiten über¬
liefern sollten."

Tripolitza, wohin wir von hier, auf gutem Wege fast ununterbrochen
Galopp reitend, in einer Stunde gelangten, hat nichts Merkwürdiges, als
sein trauriges Schicksal im letzten Kriege. Es war die Hauptstadt Moreas
und hatte 20,000 Einwohner, die sust ohne Ausnahme Moslemin waren.
Als die Griechen es im Jahre 1321 erstürmten, metzelten sie alles, was sie
sanden. Männer, Frauen und Kinder ohne Schonung nieder. Später mußten
sie vor Ibrahim Paschas Arabern die Stadt räumen, und der ägyptische
Feldherr ließ nun sämmtliche Häuser niederbrennen und so wett dies möglich
dem Boden gleich machen. Jetzt hat Tripolitza wieder circa 8000 Einwohner,
und als wir in die Straßen hineinritten, herrschte des eben stattfindenden
Marktes wegen ein allenthalben buntes, reges Leben. Aber noch sieht man
überall Ruinen, und der Umstand, daß wir am Eingang und Ausgang von
ganzen Scharen ungestümer Bettler angefallen und auf eine weite Strecke
hin mit Geschrei nach einer Gabe verfolgt wurden, trug auch nicht dazu bei,
die düstre, gedrückte Stimmung, in welche der Anblick der Stadt versetzt, zu
erheitern.

In Tripolitza lebt ein Doctor schimpfte, einer der wenigen Deutschen,
welche nach der Revolution von 1843 sich im Lande behauptet haben. Natür¬
lich suchten wir ihn auf und sanden einen wackern Schwaben, der sich freute,
einmal wieder Deutsch sprechen und von Deutschland erzählen zu hören. Er
lebt seit länger als 20 Jahren in Griechenland und ,se mit einer Italienerin
von der Insel Syra verheirathet, aber noch immer spricht der alte würdige
Herr das beste schwäbisch, und noch immer denkt er mit Liebe um das Vater¬
land zurück, von dem ihm und dem Cirkel deutscher Freunde in den Nachbar¬
städten, die sich gelegentlich ein Stelldichein geben, die "Augsburgerin" be¬
richten muß, die sicher oft drei Wochen alt ist, ehe sie ihm zukommt. Andere
Landsleute finden sich in Tripolitza nicht, und so hatte der gute Doctor seit
Monaten schon nicht Gelegenheit gehabt, seine Muttersprache zu gebrauchen.
Er wollte uns darum durchaus wenigstens einen Tag bei sich behalten, Reiter


Stätte, wo Epaminondas den schönen Tod des Siegers starb. Der Ort
wird noch jetzt von den Führern gezeigt. Es ist ein Hügel im Nordosten
der Stadt, aus dem zwei kleine Bäume stehen. Ich glaube indeß, daß der
thebanische Held auf einer der Höhen mehr nach Süden hin saß, als er starb;
denn von dieser Richtung rückte sein Heer gegen die vor der Stadt aufgestellten
Spartaner an. In der Zeit des Pauianias war die Stelle durch ein Denk¬
mal bezeichnet, jetzt ist keine Spur mehr davon zu finden. Aber wenige
werden durch dieses Thal reisen, ohne im Stillen dem Sieger in den Schlachten
von Leuktra und Mantinea zu huldigen, „dieser schönen Töchter", wie er ster¬
bend sie nannte, „welche seinen Namen dem Gedächtniß aller Zeiten über¬
liefern sollten."

Tripolitza, wohin wir von hier, auf gutem Wege fast ununterbrochen
Galopp reitend, in einer Stunde gelangten, hat nichts Merkwürdiges, als
sein trauriges Schicksal im letzten Kriege. Es war die Hauptstadt Moreas
und hatte 20,000 Einwohner, die sust ohne Ausnahme Moslemin waren.
Als die Griechen es im Jahre 1321 erstürmten, metzelten sie alles, was sie
sanden. Männer, Frauen und Kinder ohne Schonung nieder. Später mußten
sie vor Ibrahim Paschas Arabern die Stadt räumen, und der ägyptische
Feldherr ließ nun sämmtliche Häuser niederbrennen und so wett dies möglich
dem Boden gleich machen. Jetzt hat Tripolitza wieder circa 8000 Einwohner,
und als wir in die Straßen hineinritten, herrschte des eben stattfindenden
Marktes wegen ein allenthalben buntes, reges Leben. Aber noch sieht man
überall Ruinen, und der Umstand, daß wir am Eingang und Ausgang von
ganzen Scharen ungestümer Bettler angefallen und auf eine weite Strecke
hin mit Geschrei nach einer Gabe verfolgt wurden, trug auch nicht dazu bei,
die düstre, gedrückte Stimmung, in welche der Anblick der Stadt versetzt, zu
erheitern.

In Tripolitza lebt ein Doctor schimpfte, einer der wenigen Deutschen,
welche nach der Revolution von 1843 sich im Lande behauptet haben. Natür¬
lich suchten wir ihn auf und sanden einen wackern Schwaben, der sich freute,
einmal wieder Deutsch sprechen und von Deutschland erzählen zu hören. Er
lebt seit länger als 20 Jahren in Griechenland und ,se mit einer Italienerin
von der Insel Syra verheirathet, aber noch immer spricht der alte würdige
Herr das beste schwäbisch, und noch immer denkt er mit Liebe um das Vater¬
land zurück, von dem ihm und dem Cirkel deutscher Freunde in den Nachbar¬
städten, die sich gelegentlich ein Stelldichein geben, die „Augsburgerin" be¬
richten muß, die sicher oft drei Wochen alt ist, ehe sie ihm zukommt. Andere
Landsleute finden sich in Tripolitza nicht, und so hatte der gute Doctor seit
Monaten schon nicht Gelegenheit gehabt, seine Muttersprache zu gebrauchen.
Er wollte uns darum durchaus wenigstens einen Tag bei sich behalten, Reiter


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[0487] Stätte, wo Epaminondas den schönen Tod des Siegers starb. Der Ort wird noch jetzt von den Führern gezeigt. Es ist ein Hügel im Nordosten der Stadt, aus dem zwei kleine Bäume stehen. Ich glaube indeß, daß der thebanische Held auf einer der Höhen mehr nach Süden hin saß, als er starb; denn von dieser Richtung rückte sein Heer gegen die vor der Stadt aufgestellten Spartaner an. In der Zeit des Pauianias war die Stelle durch ein Denk¬ mal bezeichnet, jetzt ist keine Spur mehr davon zu finden. Aber wenige werden durch dieses Thal reisen, ohne im Stillen dem Sieger in den Schlachten von Leuktra und Mantinea zu huldigen, „dieser schönen Töchter", wie er ster¬ bend sie nannte, „welche seinen Namen dem Gedächtniß aller Zeiten über¬ liefern sollten." Tripolitza, wohin wir von hier, auf gutem Wege fast ununterbrochen Galopp reitend, in einer Stunde gelangten, hat nichts Merkwürdiges, als sein trauriges Schicksal im letzten Kriege. Es war die Hauptstadt Moreas und hatte 20,000 Einwohner, die sust ohne Ausnahme Moslemin waren. Als die Griechen es im Jahre 1321 erstürmten, metzelten sie alles, was sie sanden. Männer, Frauen und Kinder ohne Schonung nieder. Später mußten sie vor Ibrahim Paschas Arabern die Stadt räumen, und der ägyptische Feldherr ließ nun sämmtliche Häuser niederbrennen und so wett dies möglich dem Boden gleich machen. Jetzt hat Tripolitza wieder circa 8000 Einwohner, und als wir in die Straßen hineinritten, herrschte des eben stattfindenden Marktes wegen ein allenthalben buntes, reges Leben. Aber noch sieht man überall Ruinen, und der Umstand, daß wir am Eingang und Ausgang von ganzen Scharen ungestümer Bettler angefallen und auf eine weite Strecke hin mit Geschrei nach einer Gabe verfolgt wurden, trug auch nicht dazu bei, die düstre, gedrückte Stimmung, in welche der Anblick der Stadt versetzt, zu erheitern. In Tripolitza lebt ein Doctor schimpfte, einer der wenigen Deutschen, welche nach der Revolution von 1843 sich im Lande behauptet haben. Natür¬ lich suchten wir ihn auf und sanden einen wackern Schwaben, der sich freute, einmal wieder Deutsch sprechen und von Deutschland erzählen zu hören. Er lebt seit länger als 20 Jahren in Griechenland und ,se mit einer Italienerin von der Insel Syra verheirathet, aber noch immer spricht der alte würdige Herr das beste schwäbisch, und noch immer denkt er mit Liebe um das Vater¬ land zurück, von dem ihm und dem Cirkel deutscher Freunde in den Nachbar¬ städten, die sich gelegentlich ein Stelldichein geben, die „Augsburgerin" be¬ richten muß, die sicher oft drei Wochen alt ist, ehe sie ihm zukommt. Andere Landsleute finden sich in Tripolitza nicht, und so hatte der gute Doctor seit Monaten schon nicht Gelegenheit gehabt, seine Muttersprache zu gebrauchen. Er wollte uns darum durchaus wenigstens einen Tag bei sich behalten, Reiter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/487>, abgerufen am 22.07.2024.