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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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eine Stunde von Korinth bezeichnet ein Wachthaus eine Stelle, die früher
von Nüubern unsicher gemacht wurde. Sonst begegnet dein Wandrer fast
nirgend eine Spur der Menschenhand. Auch die Hochebene ist nur zum Theil
bebaut. An dem einen der kahlen Berge, die sie im Süden überragen, zieht sich
mit grauen Mauern und rothen Dächern das ansehnliche Dorf Hagios Basi-
lios hinauf, und westlich von hier erhebt sich in sanfter Steigung ein Hügel
mit einer weiten Trümmerstätte. Es ist das "wohlgebaute Kleonn" Homers.
Jetzt erkennt man nur noch den Lauf der Stadtmauer, den Nest eines Thores
und die Stellen, wo die Tempel gestanden.

Nur ein Alterthumsforscher wird sich hier länger aufhalten. Wir begnüg¬
ten uns mit einem Blick aus der Ferne und folgten dann einem der Wege,
die über die Ebne an einigen alten Steinbrüchen vorüber, bei denen man
das links in einer Senkung gelegne freundliche Oertchen Kurtessa gewahrt,
nach dem Rücken des Phukagebirges und in die Thalmulde von Nemea füh¬
ren. Der Bergkamm, der sich an der höchsten Stelle gegen dreitausend Fuß
über das Meer erhebt, zeigt wie alle Höhen der Gegend nichts als graues
Gestein und Zwergholz, ein Anblick, der um so düstrer und trostloser erschien,
als die Gewitterwolken, weiche am Himmel standen, ihre Schatten über das
Land warfen. Der Weg, steil und mit Felsbrocken übersäet, voll Löcher.
Kanten und Spalten, ist ein bloßer Ziegenpfad, von dem man nicht eher
glaubt, daß er der alte ist, aus dem in der Zeit der Spiele die Wagenlenker
Korinths und Kleonüs herbeikamen, bis man auf die Spuren ihrer Ruder
aufmerksam gemacht wird. Ein Hirt weidete um dem Abhänge Ziegen und
Schafe. Seine Hunde fielen uns mit einem Grimm an, als ob sie den Sinn
des nemeischen Löwen geerbt hätten.

Endlich war die Höhe erklettert, und indem wir die keuchenden Pferde
verschnaufen ließen, blickten wir in das Thal hinab, welches einst die Siege
der Helden Pindars sah. Ich dachte an das Fcstgewoge, das er besungen,
an den Zeustempel' mit seinem Cypressenhain, an die sturmhufigen Rosse und
die Läufer der Rennbahn, die Ringer und Faustkämpfer, denen der Eppichkranz
geworden, an die laute Lust der Feierschmäuse und an ihn selbst, den Sänger,
der wie Apollo "mit goldnem Plaktron die sieben Zungen der Phorminx rührte".
Jetzt war das Thal eine lautlose todtenstille Stätte. Nirgend war an den
kahlen Bergseiten ein Baum, nirgend ein Mensch oder auch nur ein Haus¬
thier zu sehen. In der Ferne lag an einem der westlichen Abhänge ein klei¬
nes Dorf. In der Tiefe bewegte der Wind gelbe Gerstenfelder. Daneben
ragten aus einem grauen Trümmerhaufen einige Säulen. Wir ritten hinauf
und quer durch das' Getreide nach den Ruinen. Es sind die des Zeus¬
tempels: drei aufrechtstehende Säulen mit Gebälkresten, einige andere, die in
Reihen von Trommeln zerfallen, noch einige, deren Trommeln weiter aus-


eine Stunde von Korinth bezeichnet ein Wachthaus eine Stelle, die früher
von Nüubern unsicher gemacht wurde. Sonst begegnet dein Wandrer fast
nirgend eine Spur der Menschenhand. Auch die Hochebene ist nur zum Theil
bebaut. An dem einen der kahlen Berge, die sie im Süden überragen, zieht sich
mit grauen Mauern und rothen Dächern das ansehnliche Dorf Hagios Basi-
lios hinauf, und westlich von hier erhebt sich in sanfter Steigung ein Hügel
mit einer weiten Trümmerstätte. Es ist das „wohlgebaute Kleonn" Homers.
Jetzt erkennt man nur noch den Lauf der Stadtmauer, den Nest eines Thores
und die Stellen, wo die Tempel gestanden.

Nur ein Alterthumsforscher wird sich hier länger aufhalten. Wir begnüg¬
ten uns mit einem Blick aus der Ferne und folgten dann einem der Wege,
die über die Ebne an einigen alten Steinbrüchen vorüber, bei denen man
das links in einer Senkung gelegne freundliche Oertchen Kurtessa gewahrt,
nach dem Rücken des Phukagebirges und in die Thalmulde von Nemea füh¬
ren. Der Bergkamm, der sich an der höchsten Stelle gegen dreitausend Fuß
über das Meer erhebt, zeigt wie alle Höhen der Gegend nichts als graues
Gestein und Zwergholz, ein Anblick, der um so düstrer und trostloser erschien,
als die Gewitterwolken, weiche am Himmel standen, ihre Schatten über das
Land warfen. Der Weg, steil und mit Felsbrocken übersäet, voll Löcher.
Kanten und Spalten, ist ein bloßer Ziegenpfad, von dem man nicht eher
glaubt, daß er der alte ist, aus dem in der Zeit der Spiele die Wagenlenker
Korinths und Kleonüs herbeikamen, bis man auf die Spuren ihrer Ruder
aufmerksam gemacht wird. Ein Hirt weidete um dem Abhänge Ziegen und
Schafe. Seine Hunde fielen uns mit einem Grimm an, als ob sie den Sinn
des nemeischen Löwen geerbt hätten.

Endlich war die Höhe erklettert, und indem wir die keuchenden Pferde
verschnaufen ließen, blickten wir in das Thal hinab, welches einst die Siege
der Helden Pindars sah. Ich dachte an das Fcstgewoge, das er besungen,
an den Zeustempel' mit seinem Cypressenhain, an die sturmhufigen Rosse und
die Läufer der Rennbahn, die Ringer und Faustkämpfer, denen der Eppichkranz
geworden, an die laute Lust der Feierschmäuse und an ihn selbst, den Sänger,
der wie Apollo „mit goldnem Plaktron die sieben Zungen der Phorminx rührte".
Jetzt war das Thal eine lautlose todtenstille Stätte. Nirgend war an den
kahlen Bergseiten ein Baum, nirgend ein Mensch oder auch nur ein Haus¬
thier zu sehen. In der Ferne lag an einem der westlichen Abhänge ein klei¬
nes Dorf. In der Tiefe bewegte der Wind gelbe Gerstenfelder. Daneben
ragten aus einem grauen Trümmerhaufen einige Säulen. Wir ritten hinauf
und quer durch das' Getreide nach den Ruinen. Es sind die des Zeus¬
tempels: drei aufrechtstehende Säulen mit Gebälkresten, einige andere, die in
Reihen von Trommeln zerfallen, noch einige, deren Trommeln weiter aus-


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[0477] eine Stunde von Korinth bezeichnet ein Wachthaus eine Stelle, die früher von Nüubern unsicher gemacht wurde. Sonst begegnet dein Wandrer fast nirgend eine Spur der Menschenhand. Auch die Hochebene ist nur zum Theil bebaut. An dem einen der kahlen Berge, die sie im Süden überragen, zieht sich mit grauen Mauern und rothen Dächern das ansehnliche Dorf Hagios Basi- lios hinauf, und westlich von hier erhebt sich in sanfter Steigung ein Hügel mit einer weiten Trümmerstätte. Es ist das „wohlgebaute Kleonn" Homers. Jetzt erkennt man nur noch den Lauf der Stadtmauer, den Nest eines Thores und die Stellen, wo die Tempel gestanden. Nur ein Alterthumsforscher wird sich hier länger aufhalten. Wir begnüg¬ ten uns mit einem Blick aus der Ferne und folgten dann einem der Wege, die über die Ebne an einigen alten Steinbrüchen vorüber, bei denen man das links in einer Senkung gelegne freundliche Oertchen Kurtessa gewahrt, nach dem Rücken des Phukagebirges und in die Thalmulde von Nemea füh¬ ren. Der Bergkamm, der sich an der höchsten Stelle gegen dreitausend Fuß über das Meer erhebt, zeigt wie alle Höhen der Gegend nichts als graues Gestein und Zwergholz, ein Anblick, der um so düstrer und trostloser erschien, als die Gewitterwolken, weiche am Himmel standen, ihre Schatten über das Land warfen. Der Weg, steil und mit Felsbrocken übersäet, voll Löcher. Kanten und Spalten, ist ein bloßer Ziegenpfad, von dem man nicht eher glaubt, daß er der alte ist, aus dem in der Zeit der Spiele die Wagenlenker Korinths und Kleonüs herbeikamen, bis man auf die Spuren ihrer Ruder aufmerksam gemacht wird. Ein Hirt weidete um dem Abhänge Ziegen und Schafe. Seine Hunde fielen uns mit einem Grimm an, als ob sie den Sinn des nemeischen Löwen geerbt hätten. Endlich war die Höhe erklettert, und indem wir die keuchenden Pferde verschnaufen ließen, blickten wir in das Thal hinab, welches einst die Siege der Helden Pindars sah. Ich dachte an das Fcstgewoge, das er besungen, an den Zeustempel' mit seinem Cypressenhain, an die sturmhufigen Rosse und die Läufer der Rennbahn, die Ringer und Faustkämpfer, denen der Eppichkranz geworden, an die laute Lust der Feierschmäuse und an ihn selbst, den Sänger, der wie Apollo „mit goldnem Plaktron die sieben Zungen der Phorminx rührte". Jetzt war das Thal eine lautlose todtenstille Stätte. Nirgend war an den kahlen Bergseiten ein Baum, nirgend ein Mensch oder auch nur ein Haus¬ thier zu sehen. In der Ferne lag an einem der westlichen Abhänge ein klei¬ nes Dorf. In der Tiefe bewegte der Wind gelbe Gerstenfelder. Daneben ragten aus einem grauen Trümmerhaufen einige Säulen. Wir ritten hinauf und quer durch das' Getreide nach den Ruinen. Es sind die des Zeus¬ tempels: drei aufrechtstehende Säulen mit Gebälkresten, einige andere, die in Reihen von Trommeln zerfallen, noch einige, deren Trommeln weiter aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/477>, abgerufen am 03.07.2024.