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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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einfährt, und die Tochter des Hauses überreicht ihm die bunten seidnen Bänder,
die der Preis seines Sieges sind.

Die Karren werden nun der Reihe nach aufgestellt, die Pferde dürfen
einstweilen im Grasgarten fouragiren. und die Männer gehen ins Haus, um
bis zum Anbruch des Tages zu schwatzen und zu trinken.

Sobald es hell wird, kehren alle in die Tenne zurück, die Erde wird ab¬
geladen und gleichmäßig ausgebreitet; dann werden die Wassertonnen darüber
ausgegossen und in dem lieblichen Gemisch, das daraus entsteht, treibt man
Pferde im Kreise umher, bis die Masse gehörig durchknetet ist. Darauf be¬
dankt sich der Hausherr; die Hausfrau schenkt noch einen Abschiedstrunk ein.
die Nachbarn verabschieden sich, um noch bei Zeiten an die Arbeit zu gehen,
und damit ist der erste Act vorüber.

Das Hauptvergnügen und die Hauptarbeit finden jedoch erst acht Tage
später statt. Es gilt nämlich, die neue Tenne, die inzwischen ausgetrocknet
und nothdürftig planirt ist, vollends glatt zu tanzen; darum strömt aus
der ganzen Umgegend alles was Füße hat herbei, um zu diesem guten Werke
behilflich zu sein; wer nicht mehr tanzen kann, kommt, um zu singen, und wer
sich auch darauf nicht versteht, hat gewiß die Absicht, im Lachen und Trinken
das Mögliche zu leisten.

Im Hause des Festgebers ist alles zur Bewirthung einer zahlreichen Gesell¬
schaft hergerichtet: im Baumgarten sind Bänke und Tische für die "Alten"
aufgestellt; die Tenne ist durch Laubgewinde und weiße Tücher in einen Tanz¬
saal verwandelt; am Eingange derselben stehen drei oder vier leere Wassertonnen
als Sitze für die Musikanten bereit, und vorn im Holzschuppen ist eine Art
von Büffet etablirt, das den Augen der Gäste, die sich gleich nach dem Mittag¬
essen versammeln, eine herzerfreuende Reihe von Ciderfässern und Brannt-
weinfüßchen, Korbe voll Kuchen, so wie große Packete Rauch- und Kau¬
tabak zeigt.

Mit den ersten Gästen haben sich auch die Musikanten eingestellt, und so¬
bald die Gesellschaft einigermaßen vollzählig ist, stimmen Dudelsack, Bombarde
und Tambourin eine einfache Tanzmelodie an. Die jungen Mädchen eilen
in die Tenne, und es beginnt einer der Rundtänze, die sich wahrscheinlich
noch aus der Druidenzeit herschreiben. Einige der Tänzerinnen haben Körbe
voll Blumen, andere Krüge voll Milch auf dem Kopfe; sie reichen sich die
Hände und gehen, von der ältesten Tochter des Hauses geführt, langsam,
bald im Kreise, bald in Schlangenwindungen umher. Zuweilen löst sich die
Kette; sie erheben die Arme, berühren das Gefäß, das sie auf dem Kopfe
tragen, beugen sich herüber und hinüber, stehen dann eine Weile unbeweglich
und kehren endlich zu den ersten Tanzfiguren zurück.

Diese "Route" wird mit der höchsten Ernsthaftigkeit mehr gegangen als


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einfährt, und die Tochter des Hauses überreicht ihm die bunten seidnen Bänder,
die der Preis seines Sieges sind.

Die Karren werden nun der Reihe nach aufgestellt, die Pferde dürfen
einstweilen im Grasgarten fouragiren. und die Männer gehen ins Haus, um
bis zum Anbruch des Tages zu schwatzen und zu trinken.

Sobald es hell wird, kehren alle in die Tenne zurück, die Erde wird ab¬
geladen und gleichmäßig ausgebreitet; dann werden die Wassertonnen darüber
ausgegossen und in dem lieblichen Gemisch, das daraus entsteht, treibt man
Pferde im Kreise umher, bis die Masse gehörig durchknetet ist. Darauf be¬
dankt sich der Hausherr; die Hausfrau schenkt noch einen Abschiedstrunk ein.
die Nachbarn verabschieden sich, um noch bei Zeiten an die Arbeit zu gehen,
und damit ist der erste Act vorüber.

Das Hauptvergnügen und die Hauptarbeit finden jedoch erst acht Tage
später statt. Es gilt nämlich, die neue Tenne, die inzwischen ausgetrocknet
und nothdürftig planirt ist, vollends glatt zu tanzen; darum strömt aus
der ganzen Umgegend alles was Füße hat herbei, um zu diesem guten Werke
behilflich zu sein; wer nicht mehr tanzen kann, kommt, um zu singen, und wer
sich auch darauf nicht versteht, hat gewiß die Absicht, im Lachen und Trinken
das Mögliche zu leisten.

Im Hause des Festgebers ist alles zur Bewirthung einer zahlreichen Gesell¬
schaft hergerichtet: im Baumgarten sind Bänke und Tische für die „Alten"
aufgestellt; die Tenne ist durch Laubgewinde und weiße Tücher in einen Tanz¬
saal verwandelt; am Eingange derselben stehen drei oder vier leere Wassertonnen
als Sitze für die Musikanten bereit, und vorn im Holzschuppen ist eine Art
von Büffet etablirt, das den Augen der Gäste, die sich gleich nach dem Mittag¬
essen versammeln, eine herzerfreuende Reihe von Ciderfässern und Brannt-
weinfüßchen, Korbe voll Kuchen, so wie große Packete Rauch- und Kau¬
tabak zeigt.

Mit den ersten Gästen haben sich auch die Musikanten eingestellt, und so¬
bald die Gesellschaft einigermaßen vollzählig ist, stimmen Dudelsack, Bombarde
und Tambourin eine einfache Tanzmelodie an. Die jungen Mädchen eilen
in die Tenne, und es beginnt einer der Rundtänze, die sich wahrscheinlich
noch aus der Druidenzeit herschreiben. Einige der Tänzerinnen haben Körbe
voll Blumen, andere Krüge voll Milch auf dem Kopfe; sie reichen sich die
Hände und gehen, von der ältesten Tochter des Hauses geführt, langsam,
bald im Kreise, bald in Schlangenwindungen umher. Zuweilen löst sich die
Kette; sie erheben die Arme, berühren das Gefäß, das sie auf dem Kopfe
tragen, beugen sich herüber und hinüber, stehen dann eine Weile unbeweglich
und kehren endlich zu den ersten Tanzfiguren zurück.

Diese „Route" wird mit der höchsten Ernsthaftigkeit mehr gegangen als


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[0459] einfährt, und die Tochter des Hauses überreicht ihm die bunten seidnen Bänder, die der Preis seines Sieges sind. Die Karren werden nun der Reihe nach aufgestellt, die Pferde dürfen einstweilen im Grasgarten fouragiren. und die Männer gehen ins Haus, um bis zum Anbruch des Tages zu schwatzen und zu trinken. Sobald es hell wird, kehren alle in die Tenne zurück, die Erde wird ab¬ geladen und gleichmäßig ausgebreitet; dann werden die Wassertonnen darüber ausgegossen und in dem lieblichen Gemisch, das daraus entsteht, treibt man Pferde im Kreise umher, bis die Masse gehörig durchknetet ist. Darauf be¬ dankt sich der Hausherr; die Hausfrau schenkt noch einen Abschiedstrunk ein. die Nachbarn verabschieden sich, um noch bei Zeiten an die Arbeit zu gehen, und damit ist der erste Act vorüber. Das Hauptvergnügen und die Hauptarbeit finden jedoch erst acht Tage später statt. Es gilt nämlich, die neue Tenne, die inzwischen ausgetrocknet und nothdürftig planirt ist, vollends glatt zu tanzen; darum strömt aus der ganzen Umgegend alles was Füße hat herbei, um zu diesem guten Werke behilflich zu sein; wer nicht mehr tanzen kann, kommt, um zu singen, und wer sich auch darauf nicht versteht, hat gewiß die Absicht, im Lachen und Trinken das Mögliche zu leisten. Im Hause des Festgebers ist alles zur Bewirthung einer zahlreichen Gesell¬ schaft hergerichtet: im Baumgarten sind Bänke und Tische für die „Alten" aufgestellt; die Tenne ist durch Laubgewinde und weiße Tücher in einen Tanz¬ saal verwandelt; am Eingange derselben stehen drei oder vier leere Wassertonnen als Sitze für die Musikanten bereit, und vorn im Holzschuppen ist eine Art von Büffet etablirt, das den Augen der Gäste, die sich gleich nach dem Mittag¬ essen versammeln, eine herzerfreuende Reihe von Ciderfässern und Brannt- weinfüßchen, Korbe voll Kuchen, so wie große Packete Rauch- und Kau¬ tabak zeigt. Mit den ersten Gästen haben sich auch die Musikanten eingestellt, und so¬ bald die Gesellschaft einigermaßen vollzählig ist, stimmen Dudelsack, Bombarde und Tambourin eine einfache Tanzmelodie an. Die jungen Mädchen eilen in die Tenne, und es beginnt einer der Rundtänze, die sich wahrscheinlich noch aus der Druidenzeit herschreiben. Einige der Tänzerinnen haben Körbe voll Blumen, andere Krüge voll Milch auf dem Kopfe; sie reichen sich die Hände und gehen, von der ältesten Tochter des Hauses geführt, langsam, bald im Kreise, bald in Schlangenwindungen umher. Zuweilen löst sich die Kette; sie erheben die Arme, berühren das Gefäß, das sie auf dem Kopfe tragen, beugen sich herüber und hinüber, stehen dann eine Weile unbeweglich und kehren endlich zu den ersten Tanzfiguren zurück. Diese „Route" wird mit der höchsten Ernsthaftigkeit mehr gegangen als 57*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/459>, abgerufen am 22.07.2024.