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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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reich in ähnlichen Fällen dies gethan hatten. Allen Gegenvorstellungen und
jeder Darstellung der üblen Folgen einer solchen Maßregel setzte er seine No¬
tizen entgegen und von dieser landesverderblichen Operation trat er erst dann
zurück, als ich ihm aus Büsch den Fluch überschickte, welchen dieser über den
preußischen Minister ausgesprochen hatte, welcher Papiergeld bei uns einführen
wolle. Daß zu Zurücknahme dieser Maßregel Stein aber nicht Ueberzeugung,
sondern nur der angedrohte Fluch, als Vernichtung seiner Celebrität, gebracht
hatte, ging daraus hervor, daß er im Jahre 1810 dem Staatskanzler Har-
denberg, als dieser eben sein Amt angetreten hatte, unaufgefordert den Rath
ertheilte, Papiergeld machen zu lassen. Er ging sogar so weit, Hardenberg
gegen meinen, wie Stein sich ausdrückte, esxrit s, s^stone, vermöge dessen
ich dem Papiergeld entgegen sei, zu warnen. Noch nicht genug! Er ver¬
langt im Januar 1813 von dem Minister Grafen Dohna, als Präses der
ostpreußischen Stände, daß Lnndespapiergeld gemacht werde, obgleich voraus¬
zusehen war, daß es nur mit dem gewaltsamsten Zwangscours erhalten wer¬
den konnte.

Es scheint schwer begreiflich, wie bei aller finanziellen und staatswirth-
schaftlichen Uncultur Stein bei seinem hellen Geiste den Gedanken des Papier¬
geldes beinahe bis zur Verrücktheit hat verfolgen können. Aber eine
Aeußerung von ihm: daß der hochverschuldete östreichische Adel durch Tilgung
seiner Schulden mit einem 80 Procent verlierenden Papiergelde, welches gesetz¬
lich Pari angenommen werden musste, seine Schulden bezahlt und sich voll¬
ständig retablirt habe, gibt hierüber Ausschluß.

Seine poetische Bildung war im Monat August 1808 noch auf dem Stand¬
punkte, daß er nichts von Goethe gelesen hatte. Durch Necken und Scherzen
über seine prosaische Natur wurde er damals dahin gebracht, Faust lesen zu
wollen. Er erhielt dies Buch etwa um 10 Uhr Vormittags und schickte es bald
nach 4 Uhr Mittags mit der Aufforderung zurück, ihm den (damals noch
nicht herausgekommenen) zweiten Theil zu übermachen.

An ebendemselben Tage Abends war ich mit Stein bei dem Kriegsrath
Schäffner in Gesellschaft, und aus seiner Antwort auf meine Frage: wie ihm
der Faust zugesagt habe? ersah ich, daß es ihm nur ein Geschichtsbuch ge¬
wesen war. Dabei bezeichnete er es als ein unanständiges Buch, von dem
man in anständiger Gesellschaft gar nicht sprechen könne. Neben dem Ge¬
schichtlichen waren ihm nur die Scenen in Auerbachs Keller und auf dem
Blocksberge bemerkenswerth geblieben. Und doch! war Stein, trotz dieser
Mängel ein großer Mann.

Lessing, einer der größten Denker und der gelehrtesten Männer war ein
schlechter Bibliothekar. Friedrich der Große war ein so schlechter Finanzier
und Staatswirth, daß Napoleons Verbrennen der englischen Waaren aus poli-


reich in ähnlichen Fällen dies gethan hatten. Allen Gegenvorstellungen und
jeder Darstellung der üblen Folgen einer solchen Maßregel setzte er seine No¬
tizen entgegen und von dieser landesverderblichen Operation trat er erst dann
zurück, als ich ihm aus Büsch den Fluch überschickte, welchen dieser über den
preußischen Minister ausgesprochen hatte, welcher Papiergeld bei uns einführen
wolle. Daß zu Zurücknahme dieser Maßregel Stein aber nicht Ueberzeugung,
sondern nur der angedrohte Fluch, als Vernichtung seiner Celebrität, gebracht
hatte, ging daraus hervor, daß er im Jahre 1810 dem Staatskanzler Har-
denberg, als dieser eben sein Amt angetreten hatte, unaufgefordert den Rath
ertheilte, Papiergeld machen zu lassen. Er ging sogar so weit, Hardenberg
gegen meinen, wie Stein sich ausdrückte, esxrit s, s^stone, vermöge dessen
ich dem Papiergeld entgegen sei, zu warnen. Noch nicht genug! Er ver¬
langt im Januar 1813 von dem Minister Grafen Dohna, als Präses der
ostpreußischen Stände, daß Lnndespapiergeld gemacht werde, obgleich voraus¬
zusehen war, daß es nur mit dem gewaltsamsten Zwangscours erhalten wer¬
den konnte.

Es scheint schwer begreiflich, wie bei aller finanziellen und staatswirth-
schaftlichen Uncultur Stein bei seinem hellen Geiste den Gedanken des Papier¬
geldes beinahe bis zur Verrücktheit hat verfolgen können. Aber eine
Aeußerung von ihm: daß der hochverschuldete östreichische Adel durch Tilgung
seiner Schulden mit einem 80 Procent verlierenden Papiergelde, welches gesetz¬
lich Pari angenommen werden musste, seine Schulden bezahlt und sich voll¬
ständig retablirt habe, gibt hierüber Ausschluß.

Seine poetische Bildung war im Monat August 1808 noch auf dem Stand¬
punkte, daß er nichts von Goethe gelesen hatte. Durch Necken und Scherzen
über seine prosaische Natur wurde er damals dahin gebracht, Faust lesen zu
wollen. Er erhielt dies Buch etwa um 10 Uhr Vormittags und schickte es bald
nach 4 Uhr Mittags mit der Aufforderung zurück, ihm den (damals noch
nicht herausgekommenen) zweiten Theil zu übermachen.

An ebendemselben Tage Abends war ich mit Stein bei dem Kriegsrath
Schäffner in Gesellschaft, und aus seiner Antwort auf meine Frage: wie ihm
der Faust zugesagt habe? ersah ich, daß es ihm nur ein Geschichtsbuch ge¬
wesen war. Dabei bezeichnete er es als ein unanständiges Buch, von dem
man in anständiger Gesellschaft gar nicht sprechen könne. Neben dem Ge¬
schichtlichen waren ihm nur die Scenen in Auerbachs Keller und auf dem
Blocksberge bemerkenswerth geblieben. Und doch! war Stein, trotz dieser
Mängel ein großer Mann.

Lessing, einer der größten Denker und der gelehrtesten Männer war ein
schlechter Bibliothekar. Friedrich der Große war ein so schlechter Finanzier
und Staatswirth, daß Napoleons Verbrennen der englischen Waaren aus poli-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/428>, abgerufen am 22.07.2024.