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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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ganz gewöhnliche Kenntniß vom Betrieb des Handels und der Spemlation
im Orient hin, um zu wissen, daß diese plötzlichen Variationen vielmehr durch
die Coalition der griechischen Handelshäuser hervorgerufen wurden, die in
Konstantinopel und den Hauptplätzen des südlichen und westlichen Europa be¬
stehen. Sie stehen in sehr intimen Verhältniß zueinander, gewähren sich
gegenseitig den ausgedehntesten Credit und versehen einander mit dem, was
gebraucht wird, ohne Capital auszugeben. So aber ist es möglich, daß diese
Häuser, indem sie sich zum Schaden des rechtlich betriebenen Handels ver¬
binden, nach Belieben Schwankungen in den Wechselcoursen bewirken können,
um Vortheile beträchtlichster Art aus dieser organisirten Agiotage zu ziehen.

Sodann eignet sich auch das türkische Courantgeld vorzüglich gut für die
Manöver dieser Börsenspieler. Dieses Geld besteht aus Beschliks oder Bruch-
theilen von Beschliks, einer Silbermünze, welche nur etwa die Hälfte ihres
Nominalwerths hat. und aus Kaimvs, einem Papiergeld, welches mit Aus¬
nahme des Umstandes, daß auf ihm keine Frist der Wiedereinlösung an¬
gegeben ist, alle Eigenschaften von Schatzscheinen hat. Die türkische Regie¬
rung sah die Schädlichkeit dieses Geldsystems ein und begann vor einigen
Jahren türkische Guineen oder Hundertpiasterstücke zu prägen, welche Med-
schidjeh hießen und deren Verhältniß zum englischen Pfund Sterling und zum
französischen Napoleonsdor sehr genau geregelt war. Sie schlug ferner Bruch¬
stücke dieser Geldmünze in Gold und Silber. Die Agiotage konnte sich nicht
aus die Medschidjeh erstrecken, da deren innerer Werth den reinsten Münzen
Europas gleichkommt. Allein jene griechischen Häuser, die mit Verdruß sahen,
wie durch Annahme einer regelmüßigen Werthbasis und Unterdrückung der
Mißbräuche eine reich fließende und leicht auszuschöpfende Quelle von Vor¬
theilen für sie verstopft wurde, fanden bald einen Weg, dem entgegenzuwirken;
ihre großen Mittel setzten sie in den Stand, die Medschidjeh ebenso rasch aus¬
zulaufen, als sie die Münzstätte verließen. So blieb für den Verkehr nur der
alte Beschlik und seine Bruchtheile übrig, und was die Kaunas betrifft, das
Papiergeld, welches die Basis aller commerziellen Geschäfte bildet, so gab es
für den Ausdruck ihres Werths nichts als diesen selben Beschlik, dessen Ent¬
wertung ihn so geeignet zur Agiotage machte. Dem üblen Spiel mit den
Wechsclcoursen ist von Seiten der Regierung nicht wohl abzuhelfen. Dem
Münzschacher wäre nur durch eine vollständige Umprägung aller Münzen, ge¬
regelt nach d^in in den meisten Staaten Europas angenommenen Decimal¬
system und basirt aus ein normales Verhältniß zum innern Werthe der euro¬
päischen Münzen, ein Ende zu machen. Bei einer solchen Regulirung der
türkischen Geldsorten würde ihr Auflauf unmöglich sein und andererseits nichts
abwerfen, da diese Geldsorten nur unmerklich verschieden von den übrigen
europäischen sein und so keine Gelegenheit zu willkürlicher Schätzung geben


ganz gewöhnliche Kenntniß vom Betrieb des Handels und der Spemlation
im Orient hin, um zu wissen, daß diese plötzlichen Variationen vielmehr durch
die Coalition der griechischen Handelshäuser hervorgerufen wurden, die in
Konstantinopel und den Hauptplätzen des südlichen und westlichen Europa be¬
stehen. Sie stehen in sehr intimen Verhältniß zueinander, gewähren sich
gegenseitig den ausgedehntesten Credit und versehen einander mit dem, was
gebraucht wird, ohne Capital auszugeben. So aber ist es möglich, daß diese
Häuser, indem sie sich zum Schaden des rechtlich betriebenen Handels ver¬
binden, nach Belieben Schwankungen in den Wechselcoursen bewirken können,
um Vortheile beträchtlichster Art aus dieser organisirten Agiotage zu ziehen.

Sodann eignet sich auch das türkische Courantgeld vorzüglich gut für die
Manöver dieser Börsenspieler. Dieses Geld besteht aus Beschliks oder Bruch-
theilen von Beschliks, einer Silbermünze, welche nur etwa die Hälfte ihres
Nominalwerths hat. und aus Kaimvs, einem Papiergeld, welches mit Aus¬
nahme des Umstandes, daß auf ihm keine Frist der Wiedereinlösung an¬
gegeben ist, alle Eigenschaften von Schatzscheinen hat. Die türkische Regie¬
rung sah die Schädlichkeit dieses Geldsystems ein und begann vor einigen
Jahren türkische Guineen oder Hundertpiasterstücke zu prägen, welche Med-
schidjeh hießen und deren Verhältniß zum englischen Pfund Sterling und zum
französischen Napoleonsdor sehr genau geregelt war. Sie schlug ferner Bruch¬
stücke dieser Geldmünze in Gold und Silber. Die Agiotage konnte sich nicht
aus die Medschidjeh erstrecken, da deren innerer Werth den reinsten Münzen
Europas gleichkommt. Allein jene griechischen Häuser, die mit Verdruß sahen,
wie durch Annahme einer regelmüßigen Werthbasis und Unterdrückung der
Mißbräuche eine reich fließende und leicht auszuschöpfende Quelle von Vor¬
theilen für sie verstopft wurde, fanden bald einen Weg, dem entgegenzuwirken;
ihre großen Mittel setzten sie in den Stand, die Medschidjeh ebenso rasch aus¬
zulaufen, als sie die Münzstätte verließen. So blieb für den Verkehr nur der
alte Beschlik und seine Bruchtheile übrig, und was die Kaunas betrifft, das
Papiergeld, welches die Basis aller commerziellen Geschäfte bildet, so gab es
für den Ausdruck ihres Werths nichts als diesen selben Beschlik, dessen Ent¬
wertung ihn so geeignet zur Agiotage machte. Dem üblen Spiel mit den
Wechsclcoursen ist von Seiten der Regierung nicht wohl abzuhelfen. Dem
Münzschacher wäre nur durch eine vollständige Umprägung aller Münzen, ge¬
regelt nach d^in in den meisten Staaten Europas angenommenen Decimal¬
system und basirt aus ein normales Verhältniß zum innern Werthe der euro¬
päischen Münzen, ein Ende zu machen. Bei einer solchen Regulirung der
türkischen Geldsorten würde ihr Auflauf unmöglich sein und andererseits nichts
abwerfen, da diese Geldsorten nur unmerklich verschieden von den übrigen
europäischen sein und so keine Gelegenheit zu willkürlicher Schätzung geben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/402>, abgerufen am 22.07.2024.