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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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tänzer begann erst gemessen, dann lebhafter, zuletzt bisweilen mit dem wildesten
niederducken und Emporschnellen die Tour anzugeben, die nichts als ein takt¬
mäßiger Ningeireigen ist. Der nächste faßt einen Zipfel des Taschentuchs, welches
jener ihm zum Anhalt reicht, der dritte Tänzer die linke Hand des zweiten und
so fort in der Reihe. Die Frauen bilden den Schweif der Schlange; wenn
Kinder da sind, tanzen auch diese nach Kräften mit. Während die Männer
in der Regel die Sprünge des Vortänzers nachahmen, wird der Tanz von den
Weibern nur gegangen und nichts in ihren Zügen verräth, daß der Neigen
ihnen Freude macht. Zuweilen tritt ein Tänzer und eine Tänzerin aus dem
Kreise, der dann stehen bleibt, und jener tanzt eine Art Pantomime, aber
mag er sich noch so lebhaft wenden und drehen, in die Knie knicken und
wieder emporfahren, seine Partnerin bewegt die Füße nicht viel mehr, als
ein Marmorbild sie bewegen würde.

Im Ganzen ist der Tanz, der viel Aehnlichkeit mit dem "Koko" der Ser¬
ben haben soll, nicht ohne Anmuth, und namentlich fand ich das Spiel der
Füße recht graziös. Indeß hat er zu wenig Abwechselung, und ihm aus dem
Grunde, weil er aus dem Alterthum stammen soll, stundenlang zuzusehen,
war nicht meine Sache. Die Begleiter waren ähnlicher Ansicht, und nachdem
wir noch einen Blick aus der Ferne auf das Gesammtbild geworfen, welches
die einzelnen tanzenden Kreise zusammenfaßte, fuhren wir nach Athen zurück,
wo wir grade noch zu rechter Zeit ankamen, um von der Kapelle auf dem
Gipfel des Lykabettus einen der schönsten Sonnenuntergange über den Bergen
des Peloponnes stammen zu sehen.




Die türkischen Finanzen.

Unter den Symptomen der Krankheit, an welcher die Türkei leidet, Pflegt
die von Jahr zu Jahr sich steigernde Unordnung in ihren Finanzen als eins
der bedenklichsten, ja als ein Zeichen der UnHeilbarkeit angesehen zu werden.
Eine genauere Betrachtung der Sache aber zeigt, daß dies ein Mißverstündniß
ist. Allerdings ist die erste Bedingung einer starken Regierung Ordnung in
ihren Geldangelegenheiten, und allerdings herrschte in den Geldangelegenheiten
der Türkei seit geraumer Zeit schon und herrscht in vielen Beziehungen noch
jetzt das Gegentheil von Ordnung. Aber der Grund davon ist nicht sowol
u/den allgemeinen Zuständen des türkischen Staatswesens, als vielmehr in den


tänzer begann erst gemessen, dann lebhafter, zuletzt bisweilen mit dem wildesten
niederducken und Emporschnellen die Tour anzugeben, die nichts als ein takt¬
mäßiger Ningeireigen ist. Der nächste faßt einen Zipfel des Taschentuchs, welches
jener ihm zum Anhalt reicht, der dritte Tänzer die linke Hand des zweiten und
so fort in der Reihe. Die Frauen bilden den Schweif der Schlange; wenn
Kinder da sind, tanzen auch diese nach Kräften mit. Während die Männer
in der Regel die Sprünge des Vortänzers nachahmen, wird der Tanz von den
Weibern nur gegangen und nichts in ihren Zügen verräth, daß der Neigen
ihnen Freude macht. Zuweilen tritt ein Tänzer und eine Tänzerin aus dem
Kreise, der dann stehen bleibt, und jener tanzt eine Art Pantomime, aber
mag er sich noch so lebhaft wenden und drehen, in die Knie knicken und
wieder emporfahren, seine Partnerin bewegt die Füße nicht viel mehr, als
ein Marmorbild sie bewegen würde.

Im Ganzen ist der Tanz, der viel Aehnlichkeit mit dem „Koko" der Ser¬
ben haben soll, nicht ohne Anmuth, und namentlich fand ich das Spiel der
Füße recht graziös. Indeß hat er zu wenig Abwechselung, und ihm aus dem
Grunde, weil er aus dem Alterthum stammen soll, stundenlang zuzusehen,
war nicht meine Sache. Die Begleiter waren ähnlicher Ansicht, und nachdem
wir noch einen Blick aus der Ferne auf das Gesammtbild geworfen, welches
die einzelnen tanzenden Kreise zusammenfaßte, fuhren wir nach Athen zurück,
wo wir grade noch zu rechter Zeit ankamen, um von der Kapelle auf dem
Gipfel des Lykabettus einen der schönsten Sonnenuntergange über den Bergen
des Peloponnes stammen zu sehen.




Die türkischen Finanzen.

Unter den Symptomen der Krankheit, an welcher die Türkei leidet, Pflegt
die von Jahr zu Jahr sich steigernde Unordnung in ihren Finanzen als eins
der bedenklichsten, ja als ein Zeichen der UnHeilbarkeit angesehen zu werden.
Eine genauere Betrachtung der Sache aber zeigt, daß dies ein Mißverstündniß
ist. Allerdings ist die erste Bedingung einer starken Regierung Ordnung in
ihren Geldangelegenheiten, und allerdings herrschte in den Geldangelegenheiten
der Türkei seit geraumer Zeit schon und herrscht in vielen Beziehungen noch
jetzt das Gegentheil von Ordnung. Aber der Grund davon ist nicht sowol
u/den allgemeinen Zuständen des türkischen Staatswesens, als vielmehr in den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/400>, abgerufen am 22.07.2024.