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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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rufung, an der höchsten geistigen Arbeit deutscher Nation mitthätig und vor¬
strebend Theil zu nehmen, nicht verstört werde, sondern in Ehren behalten
bleibe, und wir in der Handreichung hierzu auch untereinander stets die eini¬
gende Liebe üben, zu welcher der fromme Kurfürst noch im Sterben die Sei¬
nen segnend mahnte."

Die Bedeutung ihres Helden und die Bedeutung dieser Denkmalsfeier
stellte die Rede schön und erschöpfend ins Licht. Denn es handelt sich bei
diesem Helden und bei diesem Denkmal darum, dem deutschen Volk seine
edle Kraft zu vergegenwärtigen, sein treues Hangen an dem Höchsten, die
opferwillige, geduldige Hingabe an ein erkanntes Ziel, an eine bewährte Füh¬
rung. Allein auch das dürfen wir nicht vergessen, daß ein Volk, um ein er¬
wähltes Werkzeug Gottes in der Geschichte zu sein, noch anderer Helden be¬
darf. Nicht blos der Dulder bedarf es, sondern auch der Schlangentödter,
der Reiniger, die das Chaos entwirren, auch der kühnen That, die eigen¬
mächtig große Ziele ergreift und hinstellt. Das deutsche Volk wäre verloren,
hätte es blos solche Johann Friedrich und nicht auch jenen Friedrich an der
Spree und die Heldenführer des Befreiungskampfes.

Als nun die Hülle des Denkmals siel, konnte man nicht anders als freu¬
dig bewegt, ja gerührt erblicken, wie sprechend und künstlerisch eindringlich
der Bildhauer denselben Charakter vergegenwärtigt hatte, welchen der Redner
eben gezeichnet. Die Figur steht im Kurfürstenmantel, unter dem Mantel mit
dem Harnisch bekleidet, auf dem Haupt die Kurfürstenmütze, in der Rechten
das entblößte Schwert, wie bei feierlicher Repräsentation an die Schultern
gelegt, in der Linken die ausgeschlagene Bibel. Die ganze Haltung, Figur
und Gesichtszüge prägen wundervoll treu und lebendig den historischen Cha¬
rakter aus: sinnliche Lebenskraft geadelt durch Ehrlichkeit, Gutmüthigkeit, Treue
und Standhaftigkeit. Die bedeutende Masse, welche der kurzgedrüngte, gewal¬
tige Körper mit dem schweren Harnisch und dem Mantel bildet, hat doch
durchaus nichts Drückendes, Ungestaltetes, weil alle Formen höchst charakteristisch
und lebendig behandelt sind. Der Gesichtsausdruck aber verdient das höchste
Lob. Selten ist die Ausgabe so trefflich gelöst worden, ein nichts weniger
als ideales Porträt unter Beibehaltung vollkommner Treue zu einem wohl¬
thuenden und charakteristischen Eindruck zu steigern. Man wird nicht anstehen
dürfen, das Denkmal zu den gelungensten Bildwerken der neuern Zeit zu
rechnen, ganz gewiß zu den sprechendsten und volkstümlichsten. Der Witz
versucht sich an jedem neuen Werk. So hat man auch dieses Denkmal be¬
reits mit einem Kartenkönig verglichen. Vergebens! Auch bei dem entschiedensten
Willen die lächerliche Aehnlichkeit festzuhalten, wird man immer wieder durch
die natürliche und bedeutende Ausführung gefesselt und ernster gestimmt.

Nachdem auf die Denkmalsenthüllung eine angemessene Pause gefolgt,


rufung, an der höchsten geistigen Arbeit deutscher Nation mitthätig und vor¬
strebend Theil zu nehmen, nicht verstört werde, sondern in Ehren behalten
bleibe, und wir in der Handreichung hierzu auch untereinander stets die eini¬
gende Liebe üben, zu welcher der fromme Kurfürst noch im Sterben die Sei¬
nen segnend mahnte."

Die Bedeutung ihres Helden und die Bedeutung dieser Denkmalsfeier
stellte die Rede schön und erschöpfend ins Licht. Denn es handelt sich bei
diesem Helden und bei diesem Denkmal darum, dem deutschen Volk seine
edle Kraft zu vergegenwärtigen, sein treues Hangen an dem Höchsten, die
opferwillige, geduldige Hingabe an ein erkanntes Ziel, an eine bewährte Füh¬
rung. Allein auch das dürfen wir nicht vergessen, daß ein Volk, um ein er¬
wähltes Werkzeug Gottes in der Geschichte zu sein, noch anderer Helden be¬
darf. Nicht blos der Dulder bedarf es, sondern auch der Schlangentödter,
der Reiniger, die das Chaos entwirren, auch der kühnen That, die eigen¬
mächtig große Ziele ergreift und hinstellt. Das deutsche Volk wäre verloren,
hätte es blos solche Johann Friedrich und nicht auch jenen Friedrich an der
Spree und die Heldenführer des Befreiungskampfes.

Als nun die Hülle des Denkmals siel, konnte man nicht anders als freu¬
dig bewegt, ja gerührt erblicken, wie sprechend und künstlerisch eindringlich
der Bildhauer denselben Charakter vergegenwärtigt hatte, welchen der Redner
eben gezeichnet. Die Figur steht im Kurfürstenmantel, unter dem Mantel mit
dem Harnisch bekleidet, auf dem Haupt die Kurfürstenmütze, in der Rechten
das entblößte Schwert, wie bei feierlicher Repräsentation an die Schultern
gelegt, in der Linken die ausgeschlagene Bibel. Die ganze Haltung, Figur
und Gesichtszüge prägen wundervoll treu und lebendig den historischen Cha¬
rakter aus: sinnliche Lebenskraft geadelt durch Ehrlichkeit, Gutmüthigkeit, Treue
und Standhaftigkeit. Die bedeutende Masse, welche der kurzgedrüngte, gewal¬
tige Körper mit dem schweren Harnisch und dem Mantel bildet, hat doch
durchaus nichts Drückendes, Ungestaltetes, weil alle Formen höchst charakteristisch
und lebendig behandelt sind. Der Gesichtsausdruck aber verdient das höchste
Lob. Selten ist die Ausgabe so trefflich gelöst worden, ein nichts weniger
als ideales Porträt unter Beibehaltung vollkommner Treue zu einem wohl¬
thuenden und charakteristischen Eindruck zu steigern. Man wird nicht anstehen
dürfen, das Denkmal zu den gelungensten Bildwerken der neuern Zeit zu
rechnen, ganz gewiß zu den sprechendsten und volkstümlichsten. Der Witz
versucht sich an jedem neuen Werk. So hat man auch dieses Denkmal be¬
reits mit einem Kartenkönig verglichen. Vergebens! Auch bei dem entschiedensten
Willen die lächerliche Aehnlichkeit festzuhalten, wird man immer wieder durch
die natürliche und bedeutende Ausführung gefesselt und ernster gestimmt.

Nachdem auf die Denkmalsenthüllung eine angemessene Pause gefolgt,


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[0386] rufung, an der höchsten geistigen Arbeit deutscher Nation mitthätig und vor¬ strebend Theil zu nehmen, nicht verstört werde, sondern in Ehren behalten bleibe, und wir in der Handreichung hierzu auch untereinander stets die eini¬ gende Liebe üben, zu welcher der fromme Kurfürst noch im Sterben die Sei¬ nen segnend mahnte." Die Bedeutung ihres Helden und die Bedeutung dieser Denkmalsfeier stellte die Rede schön und erschöpfend ins Licht. Denn es handelt sich bei diesem Helden und bei diesem Denkmal darum, dem deutschen Volk seine edle Kraft zu vergegenwärtigen, sein treues Hangen an dem Höchsten, die opferwillige, geduldige Hingabe an ein erkanntes Ziel, an eine bewährte Füh¬ rung. Allein auch das dürfen wir nicht vergessen, daß ein Volk, um ein er¬ wähltes Werkzeug Gottes in der Geschichte zu sein, noch anderer Helden be¬ darf. Nicht blos der Dulder bedarf es, sondern auch der Schlangentödter, der Reiniger, die das Chaos entwirren, auch der kühnen That, die eigen¬ mächtig große Ziele ergreift und hinstellt. Das deutsche Volk wäre verloren, hätte es blos solche Johann Friedrich und nicht auch jenen Friedrich an der Spree und die Heldenführer des Befreiungskampfes. Als nun die Hülle des Denkmals siel, konnte man nicht anders als freu¬ dig bewegt, ja gerührt erblicken, wie sprechend und künstlerisch eindringlich der Bildhauer denselben Charakter vergegenwärtigt hatte, welchen der Redner eben gezeichnet. Die Figur steht im Kurfürstenmantel, unter dem Mantel mit dem Harnisch bekleidet, auf dem Haupt die Kurfürstenmütze, in der Rechten das entblößte Schwert, wie bei feierlicher Repräsentation an die Schultern gelegt, in der Linken die ausgeschlagene Bibel. Die ganze Haltung, Figur und Gesichtszüge prägen wundervoll treu und lebendig den historischen Cha¬ rakter aus: sinnliche Lebenskraft geadelt durch Ehrlichkeit, Gutmüthigkeit, Treue und Standhaftigkeit. Die bedeutende Masse, welche der kurzgedrüngte, gewal¬ tige Körper mit dem schweren Harnisch und dem Mantel bildet, hat doch durchaus nichts Drückendes, Ungestaltetes, weil alle Formen höchst charakteristisch und lebendig behandelt sind. Der Gesichtsausdruck aber verdient das höchste Lob. Selten ist die Ausgabe so trefflich gelöst worden, ein nichts weniger als ideales Porträt unter Beibehaltung vollkommner Treue zu einem wohl¬ thuenden und charakteristischen Eindruck zu steigern. Man wird nicht anstehen dürfen, das Denkmal zu den gelungensten Bildwerken der neuern Zeit zu rechnen, ganz gewiß zu den sprechendsten und volkstümlichsten. Der Witz versucht sich an jedem neuen Werk. So hat man auch dieses Denkmal be¬ reits mit einem Kartenkönig verglichen. Vergebens! Auch bei dem entschiedensten Willen die lächerliche Aehnlichkeit festzuhalten, wird man immer wieder durch die natürliche und bedeutende Ausführung gefesselt und ernster gestimmt. Nachdem auf die Denkmalsenthüllung eine angemessene Pause gefolgt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/386>, abgerufen am 23.07.2024.