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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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fröhlich war das Menschengewühl. Ueberall Umarmungen. Begrüßung alter
Freunde, dazwischen Gesang der Studenten, das Ganze ein Ton des Jubels.

Von der Stadt ging ich nach dem sogenannten Paradies, wo man als
Mittelpunkt aller Gäste eine Festhalle erbaut. Das Paradies ist eine große
Wiese am südlichen Ende der Stadt, östlich durch die Saale, westlich durch
die Gärten der Stadt begrenzt, sür das Auge aufs schönste durch die jencn-
schen Berge eingefaßt und von zwei Lindengängen in der Mitte durchschnitten.
Auf diesem Platz, der ein reizendes Landschaftsbild gibt, hatte man eine
große Hütte aus Bretern errichtet, ausgedehnt genug, um zweitausend Menschen
an Tischen sitzend aufzunehmen, die südöstliche Längenfronte, von großen
bogenförmigen Oeffnungen durchbrochen, mit der Aussicht auf die Wiese, die
Wände mit grünem Tannenreisig bekleidet, die beiden Schmalfronten je durch
eine dreifach gegliederte Giebelwand thurmartig verziert. Ueber dem Eingang
an der östlichen Schmalfronte war von Martersteig aus Weimar der Einzug
Johann Friedrichs in Jena auf Leinwand gemalt, mit dem historischen Aus¬
ruf des Kurfürsten als Uebersehnst: "Siehe da Bruder Studium!" Der blaue
Farbenton des Bildes hob sich aus der grünen Tannenlaubumkleidung vor¬
trefflich heraus. So war in dieser Festhalle mit den einfachsten Mitteln ein
immenser geschützter Raum sür eine große Versammlung und zugleich ein freund¬
licher, ja festlich geschmackvoller Anblick gewonnen. Ander südöstlichen Fronte
außerhalb der Festhalle waren im Freien Bänke und Tische angebracht, an
denen mindestens noch zweitausend Menschen sitzen konnten, das Ganze durch
einen mit Tannenreisig bekleideten Zaun abgegrenzt. Den Zutritt zu dieser
Halle erlangte man gegen Erlegung von einem halben Thaler auf dem Em¬
pfangsbureau. Als Legitimation am Eingang diente höchst sinnreich, um die
Controle abzukürzen, eine weiß-grüne Cocarde von Porzellan, ins Knopfloch
gesteckt.

Festliche Musik schallte beim Eintritt in das Paradies aus der Halle ent¬
gegen. Hier übersah man erst die ungeheure Fülle des Fremdenbesuchs, wel¬
chen die kleine Stadt in diesen Tagen aufgenommen. Unter dem endlosen
Begrüßen und Wiedersehen ging die Zeit schnell vorüber. Mit Anbruch der
Dunkelheit begann die Beleuchtung der Berge, welche einen überaus schönen
Anblick bot: auf den Gipfeln große Flammenfeuer, auf den Abhängen Buch¬
staben, durch brennende Fackeln gebildet: auf dem einen Berge ein W. (Will¬
kommen), auf dem andern I. F. (Johann Friedrich) u. f. w. Hin und
wieder bildeten Reihen fackeltragender Knaben bewegliche Guirlanden, alles
überaus reizend.

Nachdem diese Scene hinlänglich genossen, zerstreute sich die Menge in
die Stadt. Die Studentenverbindungen hatten ihre alten Mitglieder sämmt¬
lich zu solennen Commersen geladen. Viele Gebäude waren festlich erleuchtet,


fröhlich war das Menschengewühl. Ueberall Umarmungen. Begrüßung alter
Freunde, dazwischen Gesang der Studenten, das Ganze ein Ton des Jubels.

Von der Stadt ging ich nach dem sogenannten Paradies, wo man als
Mittelpunkt aller Gäste eine Festhalle erbaut. Das Paradies ist eine große
Wiese am südlichen Ende der Stadt, östlich durch die Saale, westlich durch
die Gärten der Stadt begrenzt, sür das Auge aufs schönste durch die jencn-
schen Berge eingefaßt und von zwei Lindengängen in der Mitte durchschnitten.
Auf diesem Platz, der ein reizendes Landschaftsbild gibt, hatte man eine
große Hütte aus Bretern errichtet, ausgedehnt genug, um zweitausend Menschen
an Tischen sitzend aufzunehmen, die südöstliche Längenfronte, von großen
bogenförmigen Oeffnungen durchbrochen, mit der Aussicht auf die Wiese, die
Wände mit grünem Tannenreisig bekleidet, die beiden Schmalfronten je durch
eine dreifach gegliederte Giebelwand thurmartig verziert. Ueber dem Eingang
an der östlichen Schmalfronte war von Martersteig aus Weimar der Einzug
Johann Friedrichs in Jena auf Leinwand gemalt, mit dem historischen Aus¬
ruf des Kurfürsten als Uebersehnst: „Siehe da Bruder Studium!" Der blaue
Farbenton des Bildes hob sich aus der grünen Tannenlaubumkleidung vor¬
trefflich heraus. So war in dieser Festhalle mit den einfachsten Mitteln ein
immenser geschützter Raum sür eine große Versammlung und zugleich ein freund¬
licher, ja festlich geschmackvoller Anblick gewonnen. Ander südöstlichen Fronte
außerhalb der Festhalle waren im Freien Bänke und Tische angebracht, an
denen mindestens noch zweitausend Menschen sitzen konnten, das Ganze durch
einen mit Tannenreisig bekleideten Zaun abgegrenzt. Den Zutritt zu dieser
Halle erlangte man gegen Erlegung von einem halben Thaler auf dem Em¬
pfangsbureau. Als Legitimation am Eingang diente höchst sinnreich, um die
Controle abzukürzen, eine weiß-grüne Cocarde von Porzellan, ins Knopfloch
gesteckt.

Festliche Musik schallte beim Eintritt in das Paradies aus der Halle ent¬
gegen. Hier übersah man erst die ungeheure Fülle des Fremdenbesuchs, wel¬
chen die kleine Stadt in diesen Tagen aufgenommen. Unter dem endlosen
Begrüßen und Wiedersehen ging die Zeit schnell vorüber. Mit Anbruch der
Dunkelheit begann die Beleuchtung der Berge, welche einen überaus schönen
Anblick bot: auf den Gipfeln große Flammenfeuer, auf den Abhängen Buch¬
staben, durch brennende Fackeln gebildet: auf dem einen Berge ein W. (Will¬
kommen), auf dem andern I. F. (Johann Friedrich) u. f. w. Hin und
wieder bildeten Reihen fackeltragender Knaben bewegliche Guirlanden, alles
überaus reizend.

Nachdem diese Scene hinlänglich genossen, zerstreute sich die Menge in
die Stadt. Die Studentenverbindungen hatten ihre alten Mitglieder sämmt¬
lich zu solennen Commersen geladen. Viele Gebäude waren festlich erleuchtet,


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[0380] fröhlich war das Menschengewühl. Ueberall Umarmungen. Begrüßung alter Freunde, dazwischen Gesang der Studenten, das Ganze ein Ton des Jubels. Von der Stadt ging ich nach dem sogenannten Paradies, wo man als Mittelpunkt aller Gäste eine Festhalle erbaut. Das Paradies ist eine große Wiese am südlichen Ende der Stadt, östlich durch die Saale, westlich durch die Gärten der Stadt begrenzt, sür das Auge aufs schönste durch die jencn- schen Berge eingefaßt und von zwei Lindengängen in der Mitte durchschnitten. Auf diesem Platz, der ein reizendes Landschaftsbild gibt, hatte man eine große Hütte aus Bretern errichtet, ausgedehnt genug, um zweitausend Menschen an Tischen sitzend aufzunehmen, die südöstliche Längenfronte, von großen bogenförmigen Oeffnungen durchbrochen, mit der Aussicht auf die Wiese, die Wände mit grünem Tannenreisig bekleidet, die beiden Schmalfronten je durch eine dreifach gegliederte Giebelwand thurmartig verziert. Ueber dem Eingang an der östlichen Schmalfronte war von Martersteig aus Weimar der Einzug Johann Friedrichs in Jena auf Leinwand gemalt, mit dem historischen Aus¬ ruf des Kurfürsten als Uebersehnst: „Siehe da Bruder Studium!" Der blaue Farbenton des Bildes hob sich aus der grünen Tannenlaubumkleidung vor¬ trefflich heraus. So war in dieser Festhalle mit den einfachsten Mitteln ein immenser geschützter Raum sür eine große Versammlung und zugleich ein freund¬ licher, ja festlich geschmackvoller Anblick gewonnen. Ander südöstlichen Fronte außerhalb der Festhalle waren im Freien Bänke und Tische angebracht, an denen mindestens noch zweitausend Menschen sitzen konnten, das Ganze durch einen mit Tannenreisig bekleideten Zaun abgegrenzt. Den Zutritt zu dieser Halle erlangte man gegen Erlegung von einem halben Thaler auf dem Em¬ pfangsbureau. Als Legitimation am Eingang diente höchst sinnreich, um die Controle abzukürzen, eine weiß-grüne Cocarde von Porzellan, ins Knopfloch gesteckt. Festliche Musik schallte beim Eintritt in das Paradies aus der Halle ent¬ gegen. Hier übersah man erst die ungeheure Fülle des Fremdenbesuchs, wel¬ chen die kleine Stadt in diesen Tagen aufgenommen. Unter dem endlosen Begrüßen und Wiedersehen ging die Zeit schnell vorüber. Mit Anbruch der Dunkelheit begann die Beleuchtung der Berge, welche einen überaus schönen Anblick bot: auf den Gipfeln große Flammenfeuer, auf den Abhängen Buch¬ staben, durch brennende Fackeln gebildet: auf dem einen Berge ein W. (Will¬ kommen), auf dem andern I. F. (Johann Friedrich) u. f. w. Hin und wieder bildeten Reihen fackeltragender Knaben bewegliche Guirlanden, alles überaus reizend. Nachdem diese Scene hinlänglich genossen, zerstreute sich die Menge in die Stadt. Die Studentenverbindungen hatten ihre alten Mitglieder sämmt¬ lich zu solennen Commersen geladen. Viele Gebäude waren festlich erleuchtet,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/380>, abgerufen am 22.07.2024.