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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Die Feier des dreihundertjährigen Bestehens der Universität
Jena.

Seit der Versammlung von Abgeordneten deutscher Universitäten im
Herbst 1848 hatte ich Jena nicht wieder gesehen. Sobald diesmal der Ver¬
lauf der Reise mich auf die thüringische Bahn geführt, fand ich mich im
Dampfwagen unter jenaischen Jubelgästen. Von Station zu Station ver¬
mehrte sich die Zahl derselben, so wie die freudige Erwartung. Die Scenen
des Wiedersehens begannen schon hier. Bis Apolda hatte sich die Zahl der
nach Jena Reisenden sehr beträchtlich gesteigert. Wir fanden am Bahnhof
keine Wagen und mußten die kleine Viertelstunde nach der Stadt gehen, An
der Post fanden wir alle Arten von Fuhrwerken, aber nicht genug, dem gro¬
ßen Andrang zu genügen. Glücklich wer die drei Stunden sonnigen Weg
nicht zu Fuß wandern oder gar in Apolda übernachten mußte. Ich fand
Unterkommen auf einem Leiterwagen, über welchem grüne Baumzweige zu
einem Dach zusammengesteckt waren. Die Stadt Apolda war reichlich mit
Flaggen, meistens schwarz-roth-gelben, geschmückt. Etwas derb durchrüttelt,
langten wir nach zwei Stunden in Jena an, gleich vielen andern, denen das
Schicksal, auf einem Leiterwagen zu fahren, zu Theil geworden. Wir fuhren
w Jena durch eine stattliche Ehrenpforte, durch welche kurz vorher der Groß-
herzog eingezogen war, empfangen vom LorMs aeaÄLmieum und der Stu¬
dentenschaft. Er hatte unmittelbar nach dem Einzug das Oormis aeaclemieum
Zu sich ins Schloß beschicken und dem Prorector als Amtschmuck eine goldene
Ehrenkette überreicht Namens Seiner und seiner "lieben Vettern", der sächsi¬
schen Herzöge.

Nachdem ich meinen Leiterwagen verlassen, begab ich mich nach dem
Fremdenempfangsbureau, um Wohnungsanweisung. Festbillete. Programme
u. dergl. abzuholen. Trotz großen Zudranges war man schnell expedirt, weil
die Einrichtung des Bureau vortrefflich war. Man hatte sogar Knaben an¬
gestellt, die Fremden nach den Wohnungen zu begleiten und das Gepäck zu
^ager. Nachdem ich Unterkommen gefunden, war das Erste ein Gang durch
die Stadt, welche einen überaus heitern und belebten Anblick bot. Alle Häu¬
ser waren mit Flaggen und Guirlanden, zum Theil recht geschmackvoll ver¬
ziert. Der Schmuck war in manchen Straßen so reichlich, daß die Häuser
verschwanden. Mehrfach hatte man große Guirlanden und Flaggen, die
gegenüberliegenden Häuser verbindend, quer über die Straßen gezogen. So
wimmelte alles von bunten fröhlichen Farben. Nicht geringer und minder


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Die Feier des dreihundertjährigen Bestehens der Universität
Jena.

Seit der Versammlung von Abgeordneten deutscher Universitäten im
Herbst 1848 hatte ich Jena nicht wieder gesehen. Sobald diesmal der Ver¬
lauf der Reise mich auf die thüringische Bahn geführt, fand ich mich im
Dampfwagen unter jenaischen Jubelgästen. Von Station zu Station ver¬
mehrte sich die Zahl derselben, so wie die freudige Erwartung. Die Scenen
des Wiedersehens begannen schon hier. Bis Apolda hatte sich die Zahl der
nach Jena Reisenden sehr beträchtlich gesteigert. Wir fanden am Bahnhof
keine Wagen und mußten die kleine Viertelstunde nach der Stadt gehen, An
der Post fanden wir alle Arten von Fuhrwerken, aber nicht genug, dem gro¬
ßen Andrang zu genügen. Glücklich wer die drei Stunden sonnigen Weg
nicht zu Fuß wandern oder gar in Apolda übernachten mußte. Ich fand
Unterkommen auf einem Leiterwagen, über welchem grüne Baumzweige zu
einem Dach zusammengesteckt waren. Die Stadt Apolda war reichlich mit
Flaggen, meistens schwarz-roth-gelben, geschmückt. Etwas derb durchrüttelt,
langten wir nach zwei Stunden in Jena an, gleich vielen andern, denen das
Schicksal, auf einem Leiterwagen zu fahren, zu Theil geworden. Wir fuhren
w Jena durch eine stattliche Ehrenpforte, durch welche kurz vorher der Groß-
herzog eingezogen war, empfangen vom LorMs aeaÄLmieum und der Stu¬
dentenschaft. Er hatte unmittelbar nach dem Einzug das Oormis aeaclemieum
Zu sich ins Schloß beschicken und dem Prorector als Amtschmuck eine goldene
Ehrenkette überreicht Namens Seiner und seiner „lieben Vettern", der sächsi¬
schen Herzöge.

Nachdem ich meinen Leiterwagen verlassen, begab ich mich nach dem
Fremdenempfangsbureau, um Wohnungsanweisung. Festbillete. Programme
u. dergl. abzuholen. Trotz großen Zudranges war man schnell expedirt, weil
die Einrichtung des Bureau vortrefflich war. Man hatte sogar Knaben an¬
gestellt, die Fremden nach den Wohnungen zu begleiten und das Gepäck zu
^ager. Nachdem ich Unterkommen gefunden, war das Erste ein Gang durch
die Stadt, welche einen überaus heitern und belebten Anblick bot. Alle Häu¬
ser waren mit Flaggen und Guirlanden, zum Theil recht geschmackvoll ver¬
ziert. Der Schmuck war in manchen Straßen so reichlich, daß die Häuser
verschwanden. Mehrfach hatte man große Guirlanden und Flaggen, die
gegenüberliegenden Häuser verbindend, quer über die Straßen gezogen. So
wimmelte alles von bunten fröhlichen Farben. Nicht geringer und minder


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[0379] Die Feier des dreihundertjährigen Bestehens der Universität Jena. Seit der Versammlung von Abgeordneten deutscher Universitäten im Herbst 1848 hatte ich Jena nicht wieder gesehen. Sobald diesmal der Ver¬ lauf der Reise mich auf die thüringische Bahn geführt, fand ich mich im Dampfwagen unter jenaischen Jubelgästen. Von Station zu Station ver¬ mehrte sich die Zahl derselben, so wie die freudige Erwartung. Die Scenen des Wiedersehens begannen schon hier. Bis Apolda hatte sich die Zahl der nach Jena Reisenden sehr beträchtlich gesteigert. Wir fanden am Bahnhof keine Wagen und mußten die kleine Viertelstunde nach der Stadt gehen, An der Post fanden wir alle Arten von Fuhrwerken, aber nicht genug, dem gro¬ ßen Andrang zu genügen. Glücklich wer die drei Stunden sonnigen Weg nicht zu Fuß wandern oder gar in Apolda übernachten mußte. Ich fand Unterkommen auf einem Leiterwagen, über welchem grüne Baumzweige zu einem Dach zusammengesteckt waren. Die Stadt Apolda war reichlich mit Flaggen, meistens schwarz-roth-gelben, geschmückt. Etwas derb durchrüttelt, langten wir nach zwei Stunden in Jena an, gleich vielen andern, denen das Schicksal, auf einem Leiterwagen zu fahren, zu Theil geworden. Wir fuhren w Jena durch eine stattliche Ehrenpforte, durch welche kurz vorher der Groß- herzog eingezogen war, empfangen vom LorMs aeaÄLmieum und der Stu¬ dentenschaft. Er hatte unmittelbar nach dem Einzug das Oormis aeaclemieum Zu sich ins Schloß beschicken und dem Prorector als Amtschmuck eine goldene Ehrenkette überreicht Namens Seiner und seiner „lieben Vettern", der sächsi¬ schen Herzöge. Nachdem ich meinen Leiterwagen verlassen, begab ich mich nach dem Fremdenempfangsbureau, um Wohnungsanweisung. Festbillete. Programme u. dergl. abzuholen. Trotz großen Zudranges war man schnell expedirt, weil die Einrichtung des Bureau vortrefflich war. Man hatte sogar Knaben an¬ gestellt, die Fremden nach den Wohnungen zu begleiten und das Gepäck zu ^ager. Nachdem ich Unterkommen gefunden, war das Erste ein Gang durch die Stadt, welche einen überaus heitern und belebten Anblick bot. Alle Häu¬ ser waren mit Flaggen und Guirlanden, zum Theil recht geschmackvoll ver¬ ziert. Der Schmuck war in manchen Straßen so reichlich, daß die Häuser verschwanden. Mehrfach hatte man große Guirlanden und Flaggen, die gegenüberliegenden Häuser verbindend, quer über die Straßen gezogen. So wimmelte alles von bunten fröhlichen Farben. Nicht geringer und minder 47 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/379>, abgerufen am 22.07.2024.