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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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sprünglich beabsichtigt, über den Kanal hinüberdrohte, zu Maßregeln der
Vorsicht.

Ein Blick aus die Lage und die ganze Einrichtung des nordfranzösischen
Sebastopol sowie auf seine Entstehungsgeschichte wird zeigen, wie viel Eng¬
land von ihm zu besorgen hat; denn daß es von ihm zu fürchten hat. kann
nicht Gegenstand der Frage sein.

Cherbourg liegt an der Nordküste der Normandie. genau südlich von der
Insel Wight und etwa 15 bis 16 deutsche Meilen von dem Festland Eng¬
lands. Eine gerade Linie von hier nach Portsmouth gezogen, würde unge¬
fähr ebenso lang sein müssen, als eine derartige Linie, die nach Plymouth
hin gedacht wird.

Rechts und links von Cherbourg streben zwei Vorgebirge in den Kanal
hinaus, die eine tiefe und breite Bucht einfassen. In der Mitte des Ufers
dieser Bucht steht, von theilweise felsigen Hügeln überragt, die alte bürger¬
liche und. nordwestlich davon, mit einer bastionirten Mauer umgeben die
neuere militärische Stadt von Cherbourg. Jene Vorgebirge heißen Kap Levi
und Kap La Hogue. Die Bai ist. gegen Norden durch einen großen Stein¬
damm gegen den Andrang der Wellen geschützt, ungefähr drei Viertel einer
deutschen Meile tief und etwa eine Meile breit. Oestlich und westlich von
dem Damme, der die Bucht in eine sichere Rhede verwandelt, führen zwi¬
schen diesem und zwei Inselchen Einfahrten nach dem Hafen herein. Damm
und Inseln sind stark befestigt. An der Südseite erheben sich mehre Forts
und ebenso sind die Höhen hinter der Stadt mit Schanzen. Citadellen, be¬
festigten Kasernen und andern Werken gekrönt.

Die bürgerliche Stadt hat für uns kein Interesse. Sie enthält gegen
25,000 Einwohner und ist ziemlich ausgedehnt. Im Uebrigen trägt sie den
Charakter aller französischen Mittelstädte, die entfernt von großen Verkchrs-
stroßen liegen. Sie hat hohe, weiße, mit Schiefer gedeckte Häuser, unter denen
viele verfallen sind, schmuzige, mit dem Dust von gebratenen Zwiebeln par-
fümirte Gassen und neben sich einen Kauffahrtcihafen, in dem sich -- incus
Ä non lueenäo -- so gut wie gar kein Schiffsverkehr bemerken läßt. Die
Umgegend ist sehr schön, hügclreich und zum Theil mit Wald bedeckt. Die
Stadt selbst liegt auf flachem Boden, den einst das Meer überflutet zu haben
scheint. In den Gassen derselben trifft man mindestens dreimal so viel Solda¬
ten und Matrosen, als Civilpersonen.

Die ältere Geschichte Cherbourgs hat für unsern Zweck keine Bedeutung.
Es genüge, an die Tapferkeit zu erinnern, mit welcher die Stadt und ihre
Citadelle 1346 gegen Eduard III. von England und 1378 gegen den Connc-
table Duguesclin vertheidigt wurde. Erst als unter Ludwig XIV. der Ge¬
danke angeregt wurde, hier einen großen Kriegshafen anzulegen, erlangte der


sprünglich beabsichtigt, über den Kanal hinüberdrohte, zu Maßregeln der
Vorsicht.

Ein Blick aus die Lage und die ganze Einrichtung des nordfranzösischen
Sebastopol sowie auf seine Entstehungsgeschichte wird zeigen, wie viel Eng¬
land von ihm zu besorgen hat; denn daß es von ihm zu fürchten hat. kann
nicht Gegenstand der Frage sein.

Cherbourg liegt an der Nordküste der Normandie. genau südlich von der
Insel Wight und etwa 15 bis 16 deutsche Meilen von dem Festland Eng¬
lands. Eine gerade Linie von hier nach Portsmouth gezogen, würde unge¬
fähr ebenso lang sein müssen, als eine derartige Linie, die nach Plymouth
hin gedacht wird.

Rechts und links von Cherbourg streben zwei Vorgebirge in den Kanal
hinaus, die eine tiefe und breite Bucht einfassen. In der Mitte des Ufers
dieser Bucht steht, von theilweise felsigen Hügeln überragt, die alte bürger¬
liche und. nordwestlich davon, mit einer bastionirten Mauer umgeben die
neuere militärische Stadt von Cherbourg. Jene Vorgebirge heißen Kap Levi
und Kap La Hogue. Die Bai ist. gegen Norden durch einen großen Stein¬
damm gegen den Andrang der Wellen geschützt, ungefähr drei Viertel einer
deutschen Meile tief und etwa eine Meile breit. Oestlich und westlich von
dem Damme, der die Bucht in eine sichere Rhede verwandelt, führen zwi¬
schen diesem und zwei Inselchen Einfahrten nach dem Hafen herein. Damm
und Inseln sind stark befestigt. An der Südseite erheben sich mehre Forts
und ebenso sind die Höhen hinter der Stadt mit Schanzen. Citadellen, be¬
festigten Kasernen und andern Werken gekrönt.

Die bürgerliche Stadt hat für uns kein Interesse. Sie enthält gegen
25,000 Einwohner und ist ziemlich ausgedehnt. Im Uebrigen trägt sie den
Charakter aller französischen Mittelstädte, die entfernt von großen Verkchrs-
stroßen liegen. Sie hat hohe, weiße, mit Schiefer gedeckte Häuser, unter denen
viele verfallen sind, schmuzige, mit dem Dust von gebratenen Zwiebeln par-
fümirte Gassen und neben sich einen Kauffahrtcihafen, in dem sich — incus
Ä non lueenäo — so gut wie gar kein Schiffsverkehr bemerken läßt. Die
Umgegend ist sehr schön, hügclreich und zum Theil mit Wald bedeckt. Die
Stadt selbst liegt auf flachem Boden, den einst das Meer überflutet zu haben
scheint. In den Gassen derselben trifft man mindestens dreimal so viel Solda¬
ten und Matrosen, als Civilpersonen.

Die ältere Geschichte Cherbourgs hat für unsern Zweck keine Bedeutung.
Es genüge, an die Tapferkeit zu erinnern, mit welcher die Stadt und ihre
Citadelle 1346 gegen Eduard III. von England und 1378 gegen den Connc-
table Duguesclin vertheidigt wurde. Erst als unter Ludwig XIV. der Ge¬
danke angeregt wurde, hier einen großen Kriegshafen anzulegen, erlangte der


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[0317] sprünglich beabsichtigt, über den Kanal hinüberdrohte, zu Maßregeln der Vorsicht. Ein Blick aus die Lage und die ganze Einrichtung des nordfranzösischen Sebastopol sowie auf seine Entstehungsgeschichte wird zeigen, wie viel Eng¬ land von ihm zu besorgen hat; denn daß es von ihm zu fürchten hat. kann nicht Gegenstand der Frage sein. Cherbourg liegt an der Nordküste der Normandie. genau südlich von der Insel Wight und etwa 15 bis 16 deutsche Meilen von dem Festland Eng¬ lands. Eine gerade Linie von hier nach Portsmouth gezogen, würde unge¬ fähr ebenso lang sein müssen, als eine derartige Linie, die nach Plymouth hin gedacht wird. Rechts und links von Cherbourg streben zwei Vorgebirge in den Kanal hinaus, die eine tiefe und breite Bucht einfassen. In der Mitte des Ufers dieser Bucht steht, von theilweise felsigen Hügeln überragt, die alte bürger¬ liche und. nordwestlich davon, mit einer bastionirten Mauer umgeben die neuere militärische Stadt von Cherbourg. Jene Vorgebirge heißen Kap Levi und Kap La Hogue. Die Bai ist. gegen Norden durch einen großen Stein¬ damm gegen den Andrang der Wellen geschützt, ungefähr drei Viertel einer deutschen Meile tief und etwa eine Meile breit. Oestlich und westlich von dem Damme, der die Bucht in eine sichere Rhede verwandelt, führen zwi¬ schen diesem und zwei Inselchen Einfahrten nach dem Hafen herein. Damm und Inseln sind stark befestigt. An der Südseite erheben sich mehre Forts und ebenso sind die Höhen hinter der Stadt mit Schanzen. Citadellen, be¬ festigten Kasernen und andern Werken gekrönt. Die bürgerliche Stadt hat für uns kein Interesse. Sie enthält gegen 25,000 Einwohner und ist ziemlich ausgedehnt. Im Uebrigen trägt sie den Charakter aller französischen Mittelstädte, die entfernt von großen Verkchrs- stroßen liegen. Sie hat hohe, weiße, mit Schiefer gedeckte Häuser, unter denen viele verfallen sind, schmuzige, mit dem Dust von gebratenen Zwiebeln par- fümirte Gassen und neben sich einen Kauffahrtcihafen, in dem sich — incus Ä non lueenäo — so gut wie gar kein Schiffsverkehr bemerken läßt. Die Umgegend ist sehr schön, hügclreich und zum Theil mit Wald bedeckt. Die Stadt selbst liegt auf flachem Boden, den einst das Meer überflutet zu haben scheint. In den Gassen derselben trifft man mindestens dreimal so viel Solda¬ ten und Matrosen, als Civilpersonen. Die ältere Geschichte Cherbourgs hat für unsern Zweck keine Bedeutung. Es genüge, an die Tapferkeit zu erinnern, mit welcher die Stadt und ihre Citadelle 1346 gegen Eduard III. von England und 1378 gegen den Connc- table Duguesclin vertheidigt wurde. Erst als unter Ludwig XIV. der Ge¬ danke angeregt wurde, hier einen großen Kriegshafen anzulegen, erlangte der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/317>, abgerufen am 22.07.2024.