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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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ihm Hamburg mit ähnlichen Maßregeln; etwas später verordnete Preußen
zum Schutze seiner Angehörigen, daß dieselben, wenn sie mit preußischen con-
cessionirten Mäklern abgeschlossen hatten, nur die eine Hälfte der Uebcrfahrtssumme
im Einschiffungshäfen zu zahlen brauchen, die andere erst im Ausschiffungs¬
hafen, und zwar nur, wenn ihnen der Contract genau eingehalten wurde.

Natürlich sind mit den angeführten Beispielen nicht alle Verordnungen
dieser Richtung genannt. Es gab deren noch viel mehr. Gemeinsam war
indessen auch ihnen, daß sie das Agenturwesen und Unwesen ausschließlich
vom Standpunkte der polizeilichen Ueberwachung auffaßten, ohne eine orga¬
nische Regelung desselben anzubahnen. Auch der jetzige bundestägliche Bericht
scheint die Möglichkeit einer andern Behandlungsweise dieser Frage gar nicht
anzunehmen. Er geht besonders über das von der deutschen Centralgewalt
beschlossene Auswandcrungsamt und die Einsetzung von Agenten des Central-
auswanderungsamtes sehr flüchtig, wie über eine ganz verfehlte, gar nicht
wieder näher ins Auge zu fassende Idee hinweg. Man kann diese Abthuung bei
der heutigen Stimmung des bundesdeutschen Centralorgans gegen die damalige
Centralgewalt der Nation ganz erklärlich finden; einer unbefangenen Erwä¬
gung der damaligen Absichten entspringt sie im vorliegenden Falle schwer¬
lich. Das Gesetz vom 15. März 1349 beabsichtigte nämlich -- zur Ausfüh¬
rung gelangte es nicht -- durch die vom Centralamt ernannten Agenten,
denen die ausschließliche Beförderung der Auswanderer anheimzustellen, für die
Verproviantirung und den Passagierraum sorgen, die mit den Rhedern abzu¬
schließenden Contracte überwachen und von ersteren eine Caution fordern zu
lassen. Diese Kaution sollte in ausländischen Häfen vermehrt und gegen aus¬
ländische Capitäne durch eine gerichtliche Verpflichtung zum Schadenersatz
verstärkt werden. Endlich sollten die Agenten die Auswandrer bei ihrer An¬
kunft im Einwanderungshafen unter ihre "besondere Aufsicht" nehmen und
sich mit den deutschen Gesellschaften Nordamerikas (deren segensreiches Wirken
in den meisten Fällen wol auch heute nicht abgeleugnet werden kann), so wie
Mit den Ortsbehörden in Verbindung setzen, um den Auswanderern bei ihrer
Weiterbeförderung und Ansiedlung mit ihrem Rathe behilflich zu sein. -- Daß
dieser Plan doch nicht so ganz verwerflich, zeigt Frankreichs Beispiel, welches
ihn im Wesentlichen in Ausführung gebracht hat; aber freilich vorzugsweise
zu dem Zwecke, den deutschen Auswanderungsstrom über Havre flüssig zu er¬
halten, nachdem Preußen seinen Unterthanen diesen Auswanderungshafen ver¬
boten hatte (1854). Eine bundesdeutsche Einrichtung ähnlichen Sinnes würde
also voraussichtlich die Auswanderung über Bremen und Hamburg fördern,
ohne daß es specieller Verhandlungen bedürfte, welche bestimmte fremde Häfen
absolut verbieten.

Uebrigens lassen die Andeutungen des bundestäglichen Gutachtens über


ihm Hamburg mit ähnlichen Maßregeln; etwas später verordnete Preußen
zum Schutze seiner Angehörigen, daß dieselben, wenn sie mit preußischen con-
cessionirten Mäklern abgeschlossen hatten, nur die eine Hälfte der Uebcrfahrtssumme
im Einschiffungshäfen zu zahlen brauchen, die andere erst im Ausschiffungs¬
hafen, und zwar nur, wenn ihnen der Contract genau eingehalten wurde.

Natürlich sind mit den angeführten Beispielen nicht alle Verordnungen
dieser Richtung genannt. Es gab deren noch viel mehr. Gemeinsam war
indessen auch ihnen, daß sie das Agenturwesen und Unwesen ausschließlich
vom Standpunkte der polizeilichen Ueberwachung auffaßten, ohne eine orga¬
nische Regelung desselben anzubahnen. Auch der jetzige bundestägliche Bericht
scheint die Möglichkeit einer andern Behandlungsweise dieser Frage gar nicht
anzunehmen. Er geht besonders über das von der deutschen Centralgewalt
beschlossene Auswandcrungsamt und die Einsetzung von Agenten des Central-
auswanderungsamtes sehr flüchtig, wie über eine ganz verfehlte, gar nicht
wieder näher ins Auge zu fassende Idee hinweg. Man kann diese Abthuung bei
der heutigen Stimmung des bundesdeutschen Centralorgans gegen die damalige
Centralgewalt der Nation ganz erklärlich finden; einer unbefangenen Erwä¬
gung der damaligen Absichten entspringt sie im vorliegenden Falle schwer¬
lich. Das Gesetz vom 15. März 1349 beabsichtigte nämlich — zur Ausfüh¬
rung gelangte es nicht — durch die vom Centralamt ernannten Agenten,
denen die ausschließliche Beförderung der Auswanderer anheimzustellen, für die
Verproviantirung und den Passagierraum sorgen, die mit den Rhedern abzu¬
schließenden Contracte überwachen und von ersteren eine Caution fordern zu
lassen. Diese Kaution sollte in ausländischen Häfen vermehrt und gegen aus¬
ländische Capitäne durch eine gerichtliche Verpflichtung zum Schadenersatz
verstärkt werden. Endlich sollten die Agenten die Auswandrer bei ihrer An¬
kunft im Einwanderungshafen unter ihre „besondere Aufsicht" nehmen und
sich mit den deutschen Gesellschaften Nordamerikas (deren segensreiches Wirken
in den meisten Fällen wol auch heute nicht abgeleugnet werden kann), so wie
Mit den Ortsbehörden in Verbindung setzen, um den Auswanderern bei ihrer
Weiterbeförderung und Ansiedlung mit ihrem Rathe behilflich zu sein. — Daß
dieser Plan doch nicht so ganz verwerflich, zeigt Frankreichs Beispiel, welches
ihn im Wesentlichen in Ausführung gebracht hat; aber freilich vorzugsweise
zu dem Zwecke, den deutschen Auswanderungsstrom über Havre flüssig zu er¬
halten, nachdem Preußen seinen Unterthanen diesen Auswanderungshafen ver¬
boten hatte (1854). Eine bundesdeutsche Einrichtung ähnlichen Sinnes würde
also voraussichtlich die Auswanderung über Bremen und Hamburg fördern,
ohne daß es specieller Verhandlungen bedürfte, welche bestimmte fremde Häfen
absolut verbieten.

Uebrigens lassen die Andeutungen des bundestäglichen Gutachtens über


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[0269] ihm Hamburg mit ähnlichen Maßregeln; etwas später verordnete Preußen zum Schutze seiner Angehörigen, daß dieselben, wenn sie mit preußischen con- cessionirten Mäklern abgeschlossen hatten, nur die eine Hälfte der Uebcrfahrtssumme im Einschiffungshäfen zu zahlen brauchen, die andere erst im Ausschiffungs¬ hafen, und zwar nur, wenn ihnen der Contract genau eingehalten wurde. Natürlich sind mit den angeführten Beispielen nicht alle Verordnungen dieser Richtung genannt. Es gab deren noch viel mehr. Gemeinsam war indessen auch ihnen, daß sie das Agenturwesen und Unwesen ausschließlich vom Standpunkte der polizeilichen Ueberwachung auffaßten, ohne eine orga¬ nische Regelung desselben anzubahnen. Auch der jetzige bundestägliche Bericht scheint die Möglichkeit einer andern Behandlungsweise dieser Frage gar nicht anzunehmen. Er geht besonders über das von der deutschen Centralgewalt beschlossene Auswandcrungsamt und die Einsetzung von Agenten des Central- auswanderungsamtes sehr flüchtig, wie über eine ganz verfehlte, gar nicht wieder näher ins Auge zu fassende Idee hinweg. Man kann diese Abthuung bei der heutigen Stimmung des bundesdeutschen Centralorgans gegen die damalige Centralgewalt der Nation ganz erklärlich finden; einer unbefangenen Erwä¬ gung der damaligen Absichten entspringt sie im vorliegenden Falle schwer¬ lich. Das Gesetz vom 15. März 1349 beabsichtigte nämlich — zur Ausfüh¬ rung gelangte es nicht — durch die vom Centralamt ernannten Agenten, denen die ausschließliche Beförderung der Auswanderer anheimzustellen, für die Verproviantirung und den Passagierraum sorgen, die mit den Rhedern abzu¬ schließenden Contracte überwachen und von ersteren eine Caution fordern zu lassen. Diese Kaution sollte in ausländischen Häfen vermehrt und gegen aus¬ ländische Capitäne durch eine gerichtliche Verpflichtung zum Schadenersatz verstärkt werden. Endlich sollten die Agenten die Auswandrer bei ihrer An¬ kunft im Einwanderungshafen unter ihre „besondere Aufsicht" nehmen und sich mit den deutschen Gesellschaften Nordamerikas (deren segensreiches Wirken in den meisten Fällen wol auch heute nicht abgeleugnet werden kann), so wie Mit den Ortsbehörden in Verbindung setzen, um den Auswanderern bei ihrer Weiterbeförderung und Ansiedlung mit ihrem Rathe behilflich zu sein. — Daß dieser Plan doch nicht so ganz verwerflich, zeigt Frankreichs Beispiel, welches ihn im Wesentlichen in Ausführung gebracht hat; aber freilich vorzugsweise zu dem Zwecke, den deutschen Auswanderungsstrom über Havre flüssig zu er¬ halten, nachdem Preußen seinen Unterthanen diesen Auswanderungshafen ver¬ boten hatte (1854). Eine bundesdeutsche Einrichtung ähnlichen Sinnes würde also voraussichtlich die Auswanderung über Bremen und Hamburg fördern, ohne daß es specieller Verhandlungen bedürfte, welche bestimmte fremde Häfen absolut verbieten. Uebrigens lassen die Andeutungen des bundestäglichen Gutachtens über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/269>, abgerufen am 25.08.2024.