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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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stelle führte ihn 1798 auch nach Leipzig, wo er Hermann kennen lernte.
Einige kleine Schriften zogen die Aufmerksamkeit Heynes und Böttigers auf
ihn; namentlich der erste nahm sich sehr eifrig mit seinem gewöhnlichen
Wohlwollen des jungen Mannes an. Als er im Herbst desselben Jahres nach
Marburg zurückkehrte, wurde er mit Savigny näher bekannt, in dessen vor¬
nehme Kreise eingeführt und seine äußere Stellung so weit gesichert, daß er
schon im folgenden Jahr heirathen konnte, die Witwe des Professor Leske.
Seine Studien bezogen sich damals hauptsächlich auf die Geschichte der ältern
Philologie. Durch Savigny wurde ihm die römische Jurisprudenz näher
geführt, und durch die eifrig gelesenen Schriften der romantischen Schule seiner
poetischen Anschauung eine bestimmte Richtung gegeben. Eigenthümlich war
auf ihn der Eindruck der Wolfischen Prolegomena. "Eben weil ich fühlte,
welche seltnen Gaben und Kenntnisse dazu gehörten, die höhere Kritik auf
solche Weise zu.handhaben, blieb ich von der seitdem ziemlich herrschend ge¬
wordenen Stimmung frei, der zufolge ein junger Philolog nicht eher etwas
zu gelten glaubte, bis er irgend einen Capitalautor für untergeschoben er¬
klärt hatte."

Schon 1799 erhielt er die Professur der griechischen Sprache in Marburg,
im Den. 1802 wurde er ?ro^ ol0<iueutig.<z ora. Diese Ehre war indessen
mit manchen Unbequemlichkeiten verknüpft: es mühten Programme, Lobreden
auf verstorbene Professoren und Aehnliches geschrieben werden, was Creuzer
um so lästiger siel, da seine Feder nicht leicht war. Er sehnte sich aus seiner
Stelle fort und dies war zum Theil die Veranlassung, daß er Ende 1803
eine Schrift über die historische Kunst der Griechen herausgab. Er hatte aus
seinem langjährigen Studium der griechischen Geschichtschreiber schon manches
beisammen, auch aus den Rhetorikern alles aufnotirt, was sie über die
historische Diction und Composition Feines bemerkten. Da er zu gleicher
Zeit vieles in neuern Sprachen las, so stellten sich von selbst über den histo¬
rischen Vortrag der Alten im Vergleich mit Macchiavelli, den englischen Ge¬
schichtschreibern und den deutschen Möser und I. v. Müller manche interessante
Betrachtungen dar. Das Buch that seine Wirkung; zu Anfang 1804 erhielt
er den Lehrstuhl der Philologie und alten Geschichte' in Heidelberg.

Markgraf Karl Friedrich von Baden (geb. 1728) hatte schon früher
für die Cultur seines Ländchens sehr viel gethan; als er nun im Frieden von
Luneville Mannheim und Heidelberg erwarb, beschloß er, hauptsächlich durch
seinen edlen Minister Reizenstein (geb. 1766, geht. 1847) geleitet, durch die
Verjüngung dieser alten Universität der deutschen Literatur einen Mittelpunkt
zu geben, und so jene Rolle zu spielen, die Jena nicht mehr durchführen
konnte und die über sich zu nehmen die vair-löcher Universitäten vergebens
versuchten. Durch die Erhebung seines Ländchens zum Kurfürstenthum (1306),


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stelle führte ihn 1798 auch nach Leipzig, wo er Hermann kennen lernte.
Einige kleine Schriften zogen die Aufmerksamkeit Heynes und Böttigers auf
ihn; namentlich der erste nahm sich sehr eifrig mit seinem gewöhnlichen
Wohlwollen des jungen Mannes an. Als er im Herbst desselben Jahres nach
Marburg zurückkehrte, wurde er mit Savigny näher bekannt, in dessen vor¬
nehme Kreise eingeführt und seine äußere Stellung so weit gesichert, daß er
schon im folgenden Jahr heirathen konnte, die Witwe des Professor Leske.
Seine Studien bezogen sich damals hauptsächlich auf die Geschichte der ältern
Philologie. Durch Savigny wurde ihm die römische Jurisprudenz näher
geführt, und durch die eifrig gelesenen Schriften der romantischen Schule seiner
poetischen Anschauung eine bestimmte Richtung gegeben. Eigenthümlich war
auf ihn der Eindruck der Wolfischen Prolegomena. „Eben weil ich fühlte,
welche seltnen Gaben und Kenntnisse dazu gehörten, die höhere Kritik auf
solche Weise zu.handhaben, blieb ich von der seitdem ziemlich herrschend ge¬
wordenen Stimmung frei, der zufolge ein junger Philolog nicht eher etwas
zu gelten glaubte, bis er irgend einen Capitalautor für untergeschoben er¬
klärt hatte."

Schon 1799 erhielt er die Professur der griechischen Sprache in Marburg,
im Den. 1802 wurde er ?ro^ ol0<iueutig.<z ora. Diese Ehre war indessen
mit manchen Unbequemlichkeiten verknüpft: es mühten Programme, Lobreden
auf verstorbene Professoren und Aehnliches geschrieben werden, was Creuzer
um so lästiger siel, da seine Feder nicht leicht war. Er sehnte sich aus seiner
Stelle fort und dies war zum Theil die Veranlassung, daß er Ende 1803
eine Schrift über die historische Kunst der Griechen herausgab. Er hatte aus
seinem langjährigen Studium der griechischen Geschichtschreiber schon manches
beisammen, auch aus den Rhetorikern alles aufnotirt, was sie über die
historische Diction und Composition Feines bemerkten. Da er zu gleicher
Zeit vieles in neuern Sprachen las, so stellten sich von selbst über den histo¬
rischen Vortrag der Alten im Vergleich mit Macchiavelli, den englischen Ge¬
schichtschreibern und den deutschen Möser und I. v. Müller manche interessante
Betrachtungen dar. Das Buch that seine Wirkung; zu Anfang 1804 erhielt
er den Lehrstuhl der Philologie und alten Geschichte' in Heidelberg.

Markgraf Karl Friedrich von Baden (geb. 1728) hatte schon früher
für die Cultur seines Ländchens sehr viel gethan; als er nun im Frieden von
Luneville Mannheim und Heidelberg erwarb, beschloß er, hauptsächlich durch
seinen edlen Minister Reizenstein (geb. 1766, geht. 1847) geleitet, durch die
Verjüngung dieser alten Universität der deutschen Literatur einen Mittelpunkt
zu geben, und so jene Rolle zu spielen, die Jena nicht mehr durchführen
konnte und die über sich zu nehmen die vair-löcher Universitäten vergebens
versuchten. Durch die Erhebung seines Ländchens zum Kurfürstenthum (1306),


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/251>, abgerufen am 22.07.2024.