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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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pags und neben der Hochfläche der Pnyx die Säulen der Propyläen, da vor
uns der kleine Theseustempel und im Hintergrunde, von dem Schlosse des
Königs überragt, weiß und grau die Stadt. Noch fünf Minuten, und der
Wagen rollte in die Hermesstraße hinein. Weitere fünf Minuten, und wir
hielten vor dem Hotel.

Es war Abend geworden, aber wir wollten nicht nach Athen gekommen
sein, um auch nur eine Stunde unbenutzt zu lassen. So machten wir uns
nach kurzem Aufenthalt aus unserm Zimmer zu einem Gang durch die Stadt
auf. Man findet sich hier leicht zurecht. Athen wird von zwei Hauptstraßen
durchschnitten; von Süden nach Norden läuft die Aeolusftrciße, von Osten
nach Westen die schon genannte Hermesstrahe. An jener lag unser Hotel,
diese führte uns nach dem Schloßplatze hinauf. In den Gassen herrschte ein
buntes Gewühl von Trachten. Wagen rasselten bergauf, bergab. In den
offenstehenden Kaffeehäusern und Nezinatschenken sah man Stühle und Bänke
mit Fustanellen besetzt. In den auffallend zahlreichen Barbierstuben wurden
bei weit aufgethanen Thüren Bärte abgenommen und Haare verschnitten.
Nach den vielen Uniformen, denen wir begegneten, hätte man auf eine starke
Garnison schließen sollen, und in der That stehen in Athen verhältnißmäßig
mehr Truppen, als in den meisten deutschen Städten. Frauen sah man
wenige auf der Straße, und sie trugen ohne Ausnahme fränkische Kleidung,
nur bedeckte statt des Huts oder der Haube den Kopf gewöhnlich ein Fez mit
einer Quaste von Gold- oder Silberfäden.

Der Schloßplatz ist von der Königin mit schönen Anlagen geschmückt wor¬
den, die, jetzt großentheils in Blüte, einen berauschenden Duft ausströmten.
Freistehende Orangenbäume, Cypressen und Cactus wechseln mit Blumen und
andern anmuthigen Pflanzen, die sämmtlich üppig zu gedeihen scheinen.
Weniger gut nahmen sich die Dattelpalmen aus. welche weiter oben neben dem
Palaste selbst stehen. Sie waren mit orthopädischen Maschinen vor dem Ab¬
knicken geschützt, und ihre Kronen glichen dem Gefieder von Hühnern, die der
Habicht in den Krallen gehabt hat. Das Schloß, von einem rahmfarbenen
Stein erbaut und ziemlich ausgedehnt, trägt einen etwas nüchternen Charakter,
wenn es auch als boshaft bezeichnet werden muß, den Bau, dem fast alle
Gliederung mangelt, eine große Kaserne aus Schweizerkäse zu nennen. Sehr
verlockend wirkte der prächtige Garten dahinter, aus dessen Büschen und Wipfeln,
wie ich jetzt gewahr wurde, der berauschende Erdbeerduft quoll, der mich schon
unten in der Stadt entzückt. Wir versuchten mit jener kurzbesonnenen Kühn¬
heit, welche den praktischen Reisenden kennzeichnet und ihm zu manchen Er¬
folgen verhilft. hineinzukommen, wurden jedoch von der Schildwache in der
Sprache des Homer zurückgewiesen und verschoben den Besuch auf morgen.

Die Sonne war inzwischen untergegangen, und wir kehrten nach unserm


pags und neben der Hochfläche der Pnyx die Säulen der Propyläen, da vor
uns der kleine Theseustempel und im Hintergrunde, von dem Schlosse des
Königs überragt, weiß und grau die Stadt. Noch fünf Minuten, und der
Wagen rollte in die Hermesstraße hinein. Weitere fünf Minuten, und wir
hielten vor dem Hotel.

Es war Abend geworden, aber wir wollten nicht nach Athen gekommen
sein, um auch nur eine Stunde unbenutzt zu lassen. So machten wir uns
nach kurzem Aufenthalt aus unserm Zimmer zu einem Gang durch die Stadt
auf. Man findet sich hier leicht zurecht. Athen wird von zwei Hauptstraßen
durchschnitten; von Süden nach Norden läuft die Aeolusftrciße, von Osten
nach Westen die schon genannte Hermesstrahe. An jener lag unser Hotel,
diese führte uns nach dem Schloßplatze hinauf. In den Gassen herrschte ein
buntes Gewühl von Trachten. Wagen rasselten bergauf, bergab. In den
offenstehenden Kaffeehäusern und Nezinatschenken sah man Stühle und Bänke
mit Fustanellen besetzt. In den auffallend zahlreichen Barbierstuben wurden
bei weit aufgethanen Thüren Bärte abgenommen und Haare verschnitten.
Nach den vielen Uniformen, denen wir begegneten, hätte man auf eine starke
Garnison schließen sollen, und in der That stehen in Athen verhältnißmäßig
mehr Truppen, als in den meisten deutschen Städten. Frauen sah man
wenige auf der Straße, und sie trugen ohne Ausnahme fränkische Kleidung,
nur bedeckte statt des Huts oder der Haube den Kopf gewöhnlich ein Fez mit
einer Quaste von Gold- oder Silberfäden.

Der Schloßplatz ist von der Königin mit schönen Anlagen geschmückt wor¬
den, die, jetzt großentheils in Blüte, einen berauschenden Duft ausströmten.
Freistehende Orangenbäume, Cypressen und Cactus wechseln mit Blumen und
andern anmuthigen Pflanzen, die sämmtlich üppig zu gedeihen scheinen.
Weniger gut nahmen sich die Dattelpalmen aus. welche weiter oben neben dem
Palaste selbst stehen. Sie waren mit orthopädischen Maschinen vor dem Ab¬
knicken geschützt, und ihre Kronen glichen dem Gefieder von Hühnern, die der
Habicht in den Krallen gehabt hat. Das Schloß, von einem rahmfarbenen
Stein erbaut und ziemlich ausgedehnt, trägt einen etwas nüchternen Charakter,
wenn es auch als boshaft bezeichnet werden muß, den Bau, dem fast alle
Gliederung mangelt, eine große Kaserne aus Schweizerkäse zu nennen. Sehr
verlockend wirkte der prächtige Garten dahinter, aus dessen Büschen und Wipfeln,
wie ich jetzt gewahr wurde, der berauschende Erdbeerduft quoll, der mich schon
unten in der Stadt entzückt. Wir versuchten mit jener kurzbesonnenen Kühn¬
heit, welche den praktischen Reisenden kennzeichnet und ihm zu manchen Er¬
folgen verhilft. hineinzukommen, wurden jedoch von der Schildwache in der
Sprache des Homer zurückgewiesen und verschoben den Besuch auf morgen.

Die Sonne war inzwischen untergegangen, und wir kehrten nach unserm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/244>, abgerufen am 22.07.2024.