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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Trommel, zeichnen sich durch sehr kurzes Verfahren vor den früher beschriebe¬
nen aus, und sind nur im Kriege in Gebrauch. Die Todesstrafe wird durch
Hängen oder Erschießen executire. Das Erschießen durch "vor die Kanonen
binden", divo up, wie es jetzt in Indien gegen die meuterischen Sipoys an¬
gewendet wird, ist eine Strafe, die in keinem Reglement ihre Begründung
oder Rechtfertigung findet, und mehr ein Ausbruch des Hasses und der Rache
v. Tr. als eine gesetzmäßige Züchtigung.




Literatur.

Kirchliche Sitten. H. Andreas Pröhle, Pastor in Hornhausen. Berlin,
Hertz. 1858. -- Ein Versuch, die Gebräuche, welche sich in Norddeutschland an das
kirchliche Leben knüpfen, in ihren verschiedenen Beziehungen darzustellen, welcher, da der
Verfasser dabei in der Hauptsache auf seine eigne Erfahrung angewiesen war, aller¬
dings keinen Anspruch auf Vollständigkeit macht, aber immerhin als ein schätzens-
werthcr Beitrag zur Culturgeschichte anzusehen ist. Den theologischen Inhalt des
Buches müssen wir andern Beurtheilern überlassen; es genüge, in dieser Beziehung
zu bemerken, daß der Verfasser zu der milderen Fraction der Partei gehört, welche
die alte Zeit für die gute hält und zu ihr zurück möchte. Im Uebrigen erhalten
wir in der Schrift ein interessantes Bild des ländlichen Lebens, so weit es von der
Kirche beeinflußt wird. Mit vielem Fleiß und nicht ohne Geschick ist zusammen¬
gestellt, was sich hier in Bezug auf heilige Zeiten und Tage, auf Oerter und Per^
hören, auf den Gottesdienst und besondere kirchliche Handlungen. Taufe, Hochzeit,
Begräbniß, auf Kirchenzucht u. a. in. zur Sitte herausgebildet hat. Besonders
interessant sür weitere Kreise sind Mittheilungen, wie die über den Einfluß, welchen
der kirchliche Glaube auf die Bildung von Sprichwörtern und die Volkssprache über¬
haupt geübt hat. über außerkirchliche Oster-, Weihnachts- und Pfingstgebrünchc u. f. w.
Von letzteren machen wir nur auf die Darstellung des sächsischen "Pfingstbicres"
aufmerksam, die wol die erschöpfendste ist, welche existirt. Daß der Berfasser auch
dem Humor sein Recht widerfahren läßt, zeigt sein Auszug aus einer originellen
Pfingstbicrprcdigt, vom Jahre 1686, die er dem Psarrarchiv von Satuellc entnahm.
Und deren beste Stellen wir im Nachstehenden folgen lassen.

Im Uebergange vom Erordio zum Thema heißt es! "Nun von den Aposteln
des Herrn war es falsch, daß sie voll süßen Weins sollten gewesen sein. Wann ich
aber an dem heutigen Tage in denen Gelagen allhier Visitation halten möchte, so
würde ich wo nicht von allen, doch denen allermeisten meiner Zuhörer sagen tonnein
Sie seynd voll des süßen Psingstbiers! Damit ich aber euer Blut nicht auf meiner
Seele haben möge, so will ich euch eine kurze Pfingstbicrprädigt halten und aus
den vorgelesenen Worten zeigen- Was die Trunkenheit vor eine erschröckliche Sünde
sei, und warum wir sothane meiden sollen?" -- Der Schluß lautet- "Zu bedauern ist
es. daß aus dem h. Pfingstfest ein Fraß- sans- und Schauderhaft an vielen, und


Trommel, zeichnen sich durch sehr kurzes Verfahren vor den früher beschriebe¬
nen aus, und sind nur im Kriege in Gebrauch. Die Todesstrafe wird durch
Hängen oder Erschießen executire. Das Erschießen durch „vor die Kanonen
binden", divo up, wie es jetzt in Indien gegen die meuterischen Sipoys an¬
gewendet wird, ist eine Strafe, die in keinem Reglement ihre Begründung
oder Rechtfertigung findet, und mehr ein Ausbruch des Hasses und der Rache
v. Tr. als eine gesetzmäßige Züchtigung.




Literatur.

Kirchliche Sitten. H. Andreas Pröhle, Pastor in Hornhausen. Berlin,
Hertz. 1858. — Ein Versuch, die Gebräuche, welche sich in Norddeutschland an das
kirchliche Leben knüpfen, in ihren verschiedenen Beziehungen darzustellen, welcher, da der
Verfasser dabei in der Hauptsache auf seine eigne Erfahrung angewiesen war, aller¬
dings keinen Anspruch auf Vollständigkeit macht, aber immerhin als ein schätzens-
werthcr Beitrag zur Culturgeschichte anzusehen ist. Den theologischen Inhalt des
Buches müssen wir andern Beurtheilern überlassen; es genüge, in dieser Beziehung
zu bemerken, daß der Verfasser zu der milderen Fraction der Partei gehört, welche
die alte Zeit für die gute hält und zu ihr zurück möchte. Im Uebrigen erhalten
wir in der Schrift ein interessantes Bild des ländlichen Lebens, so weit es von der
Kirche beeinflußt wird. Mit vielem Fleiß und nicht ohne Geschick ist zusammen¬
gestellt, was sich hier in Bezug auf heilige Zeiten und Tage, auf Oerter und Per^
hören, auf den Gottesdienst und besondere kirchliche Handlungen. Taufe, Hochzeit,
Begräbniß, auf Kirchenzucht u. a. in. zur Sitte herausgebildet hat. Besonders
interessant sür weitere Kreise sind Mittheilungen, wie die über den Einfluß, welchen
der kirchliche Glaube auf die Bildung von Sprichwörtern und die Volkssprache über¬
haupt geübt hat. über außerkirchliche Oster-, Weihnachts- und Pfingstgebrünchc u. f. w.
Von letzteren machen wir nur auf die Darstellung des sächsischen „Pfingstbicres"
aufmerksam, die wol die erschöpfendste ist, welche existirt. Daß der Berfasser auch
dem Humor sein Recht widerfahren läßt, zeigt sein Auszug aus einer originellen
Pfingstbicrprcdigt, vom Jahre 1686, die er dem Psarrarchiv von Satuellc entnahm.
Und deren beste Stellen wir im Nachstehenden folgen lassen.

Im Uebergange vom Erordio zum Thema heißt es! „Nun von den Aposteln
des Herrn war es falsch, daß sie voll süßen Weins sollten gewesen sein. Wann ich
aber an dem heutigen Tage in denen Gelagen allhier Visitation halten möchte, so
würde ich wo nicht von allen, doch denen allermeisten meiner Zuhörer sagen tonnein
Sie seynd voll des süßen Psingstbiers! Damit ich aber euer Blut nicht auf meiner
Seele haben möge, so will ich euch eine kurze Pfingstbicrprädigt halten und aus
den vorgelesenen Worten zeigen- Was die Trunkenheit vor eine erschröckliche Sünde
sei, und warum wir sothane meiden sollen?" — Der Schluß lautet- „Zu bedauern ist
es. daß aus dem h. Pfingstfest ein Fraß- sans- und Schauderhaft an vielen, und


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[0205] Trommel, zeichnen sich durch sehr kurzes Verfahren vor den früher beschriebe¬ nen aus, und sind nur im Kriege in Gebrauch. Die Todesstrafe wird durch Hängen oder Erschießen executire. Das Erschießen durch „vor die Kanonen binden", divo up, wie es jetzt in Indien gegen die meuterischen Sipoys an¬ gewendet wird, ist eine Strafe, die in keinem Reglement ihre Begründung oder Rechtfertigung findet, und mehr ein Ausbruch des Hasses und der Rache v. Tr. als eine gesetzmäßige Züchtigung. Literatur. Kirchliche Sitten. H. Andreas Pröhle, Pastor in Hornhausen. Berlin, Hertz. 1858. — Ein Versuch, die Gebräuche, welche sich in Norddeutschland an das kirchliche Leben knüpfen, in ihren verschiedenen Beziehungen darzustellen, welcher, da der Verfasser dabei in der Hauptsache auf seine eigne Erfahrung angewiesen war, aller¬ dings keinen Anspruch auf Vollständigkeit macht, aber immerhin als ein schätzens- werthcr Beitrag zur Culturgeschichte anzusehen ist. Den theologischen Inhalt des Buches müssen wir andern Beurtheilern überlassen; es genüge, in dieser Beziehung zu bemerken, daß der Verfasser zu der milderen Fraction der Partei gehört, welche die alte Zeit für die gute hält und zu ihr zurück möchte. Im Uebrigen erhalten wir in der Schrift ein interessantes Bild des ländlichen Lebens, so weit es von der Kirche beeinflußt wird. Mit vielem Fleiß und nicht ohne Geschick ist zusammen¬ gestellt, was sich hier in Bezug auf heilige Zeiten und Tage, auf Oerter und Per^ hören, auf den Gottesdienst und besondere kirchliche Handlungen. Taufe, Hochzeit, Begräbniß, auf Kirchenzucht u. a. in. zur Sitte herausgebildet hat. Besonders interessant sür weitere Kreise sind Mittheilungen, wie die über den Einfluß, welchen der kirchliche Glaube auf die Bildung von Sprichwörtern und die Volkssprache über¬ haupt geübt hat. über außerkirchliche Oster-, Weihnachts- und Pfingstgebrünchc u. f. w. Von letzteren machen wir nur auf die Darstellung des sächsischen „Pfingstbicres" aufmerksam, die wol die erschöpfendste ist, welche existirt. Daß der Berfasser auch dem Humor sein Recht widerfahren läßt, zeigt sein Auszug aus einer originellen Pfingstbicrprcdigt, vom Jahre 1686, die er dem Psarrarchiv von Satuellc entnahm. Und deren beste Stellen wir im Nachstehenden folgen lassen. Im Uebergange vom Erordio zum Thema heißt es! „Nun von den Aposteln des Herrn war es falsch, daß sie voll süßen Weins sollten gewesen sein. Wann ich aber an dem heutigen Tage in denen Gelagen allhier Visitation halten möchte, so würde ich wo nicht von allen, doch denen allermeisten meiner Zuhörer sagen tonnein Sie seynd voll des süßen Psingstbiers! Damit ich aber euer Blut nicht auf meiner Seele haben möge, so will ich euch eine kurze Pfingstbicrprädigt halten und aus den vorgelesenen Worten zeigen- Was die Trunkenheit vor eine erschröckliche Sünde sei, und warum wir sothane meiden sollen?" — Der Schluß lautet- „Zu bedauern ist es. daß aus dem h. Pfingstfest ein Fraß- sans- und Schauderhaft an vielen, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/205>, abgerufen am 22.07.2024.