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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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sein müßte, lieber nach Italien, und ich kann ihnen jetzt nicht Unrecht geben.
Dennoch ist Griechenland nicht ohne Schönheiten.

Es ist wahr, die Insel desOdysseus von der See gesehen, ist kaum schö¬
ner als eine der Orkneys, und dasselbe gilt fast ohne Ausnahme von den
Cykladen, in deren Nähe ich kam. Aber welch ein Zauberbild ist das Pano¬
rama von Korfu. und wie anmuthig und stolz zugleich erhebt sich aus dem
blauen Meere "Zarte--Zarte, die Blume der Levante!"

Es ist wahr, die Kallirhoe tröpfelt nur noch aus ihren schwarzen Felsen,
der Kephissus windet sich aus dem schattenlosen graugrünen Oelwalde, den er
durchfließt-, im Sommer nur als unscheinbares Bächlein nach dem Meere hinab,
auf den dürren Flanken des Hymettus sammelt keine Biene mehr Honig, um
den schlummernden Knaben Plato zu nähren, und auf dem heiligen Hügel
von Kolonos sucht der Wanderer vergeblich die Stelle "von Rebe, Lorbeer.
Oel umblüht", wo der vielduldende greise Thebanerkönig auf seinem Wege zur
Sühne unbewußten Frevels ruhte. Eine einzige krüppelhafte Cypresse erhebt
sich statt jenes Hains Poseidons, in den Antigone den blinden Vater geleitet,
sonst zeigt der dürre Fels nur rothe Distelköpfe und spärliche Anemonen und
Asphodelosblumen. Aber welch ein Gemälde voll Glanz und Farbenherrlich¬
keit ist die atheniensische Ebne mit ihren Bergen, wie ich sie am Abend vor
der Heimkehr vom Abhang des Lykabettos betrachtete! Von dem orangegelben
Himmel heben sich rings violette Felsrücken mit tiefblauen Schluchten und
lichten Kanten ab. In der Mitte ragt über der weißen Stadt, überzogen von
dem edlen Rost des Alterthums die stolze Trümmerstätte der Mropolis. Seit¬
wärts neben dem grünen Garten der Königin erheben sich die Riesensüulen
des hadrianischen Zeustempels. In der Ferne tauchen aus dem weinfarbenen
Meer das vielgipflige Aegina, das breit hingelagerte Salamis und die öst¬
lichen Zacken des großen Maulbeerblattes der Morea mit seinen Buchtenschlitzcn
und seinen Felsenrippen auf. Alles ist Farbe, alles athmet Wärme, alles
strahlt gleichsam das über Mittag eingesogne Sonnenlicht aus. Der Schlo߬
garten haucht tropische Düfte aus. Aus den Weinpflanzungen am Fuße des
Kolonoshügels steigt berauschend der Geruch blühender Reben auf. und in den
Gruppen von Silberpappeln. Feigenbäumen und Cypressen, die an der Stelle
grünen, wo in Platos Tagen die Platanen der Akademie standen, schlagen
die Töchter der Nachtigallen, die einst Antigone begrüßten.

Es ist wahr, jenes Maulbeerblatt, als welches sich der Peloponnes auf
der Karte bastelte. hat weit mehr Rippen und weit weniger Grün als ein
natürliches. Manche Dryade ist aus den Thälern der Halbinsel entflohen,
und manches Flußgottes Urne fast erschöpft. Aber nimmer werde ich die Um-'
schau von Akrokorinth. vom Gipfel des Jthome, von dem Bergrücken, den der
Phygalische Tempel krönt, vergessen. Zu allen Zeiten, wo von landschaftlichen


sein müßte, lieber nach Italien, und ich kann ihnen jetzt nicht Unrecht geben.
Dennoch ist Griechenland nicht ohne Schönheiten.

Es ist wahr, die Insel desOdysseus von der See gesehen, ist kaum schö¬
ner als eine der Orkneys, und dasselbe gilt fast ohne Ausnahme von den
Cykladen, in deren Nähe ich kam. Aber welch ein Zauberbild ist das Pano¬
rama von Korfu. und wie anmuthig und stolz zugleich erhebt sich aus dem
blauen Meere „Zarte—Zarte, die Blume der Levante!"

Es ist wahr, die Kallirhoe tröpfelt nur noch aus ihren schwarzen Felsen,
der Kephissus windet sich aus dem schattenlosen graugrünen Oelwalde, den er
durchfließt-, im Sommer nur als unscheinbares Bächlein nach dem Meere hinab,
auf den dürren Flanken des Hymettus sammelt keine Biene mehr Honig, um
den schlummernden Knaben Plato zu nähren, und auf dem heiligen Hügel
von Kolonos sucht der Wanderer vergeblich die Stelle „von Rebe, Lorbeer.
Oel umblüht", wo der vielduldende greise Thebanerkönig auf seinem Wege zur
Sühne unbewußten Frevels ruhte. Eine einzige krüppelhafte Cypresse erhebt
sich statt jenes Hains Poseidons, in den Antigone den blinden Vater geleitet,
sonst zeigt der dürre Fels nur rothe Distelköpfe und spärliche Anemonen und
Asphodelosblumen. Aber welch ein Gemälde voll Glanz und Farbenherrlich¬
keit ist die atheniensische Ebne mit ihren Bergen, wie ich sie am Abend vor
der Heimkehr vom Abhang des Lykabettos betrachtete! Von dem orangegelben
Himmel heben sich rings violette Felsrücken mit tiefblauen Schluchten und
lichten Kanten ab. In der Mitte ragt über der weißen Stadt, überzogen von
dem edlen Rost des Alterthums die stolze Trümmerstätte der Mropolis. Seit¬
wärts neben dem grünen Garten der Königin erheben sich die Riesensüulen
des hadrianischen Zeustempels. In der Ferne tauchen aus dem weinfarbenen
Meer das vielgipflige Aegina, das breit hingelagerte Salamis und die öst¬
lichen Zacken des großen Maulbeerblattes der Morea mit seinen Buchtenschlitzcn
und seinen Felsenrippen auf. Alles ist Farbe, alles athmet Wärme, alles
strahlt gleichsam das über Mittag eingesogne Sonnenlicht aus. Der Schlo߬
garten haucht tropische Düfte aus. Aus den Weinpflanzungen am Fuße des
Kolonoshügels steigt berauschend der Geruch blühender Reben auf. und in den
Gruppen von Silberpappeln. Feigenbäumen und Cypressen, die an der Stelle
grünen, wo in Platos Tagen die Platanen der Akademie standen, schlagen
die Töchter der Nachtigallen, die einst Antigone begrüßten.

Es ist wahr, jenes Maulbeerblatt, als welches sich der Peloponnes auf
der Karte bastelte. hat weit mehr Rippen und weit weniger Grün als ein
natürliches. Manche Dryade ist aus den Thälern der Halbinsel entflohen,
und manches Flußgottes Urne fast erschöpft. Aber nimmer werde ich die Um-'
schau von Akrokorinth. vom Gipfel des Jthome, von dem Bergrücken, den der
Phygalische Tempel krönt, vergessen. Zu allen Zeiten, wo von landschaftlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/181>, abgerufen am 22.07.2024.