Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.psrars. Denn das seiner gleichsam eingeborenen Widerstandskraft gegen die Wir haben hier nicht auf die nationalökonomischen Nachtheile einzugeben, Solche Anschauungen können auch in der nationalrussischen Gemeinde¬ psrars. Denn das seiner gleichsam eingeborenen Widerstandskraft gegen die Wir haben hier nicht auf die nationalökonomischen Nachtheile einzugeben, Solche Anschauungen können auch in der nationalrussischen Gemeinde¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105829"/> <p xml:id="ID_27" prev="#ID_26"> psrars. Denn das seiner gleichsam eingeborenen Widerstandskraft gegen die<lb/> Uebergriffe des Adels beraubte Volk konnte eine Verbesserung seiner Lage<lb/> blos noch vom Zaren erhoffen. Die Verwandlung so viel tausend ehemaliger<lb/> Genieindeglieder in Bürger ließ das Verharren im bäuerlichen Gemeindeleben<lb/> den übrigen sogar wie ein Unglück erscheinen. Schon wenn der Grundherr,<lb/> ohne jede persönliche Bedrückung seines Leibeigenen, das Auseinanderlausen<lb/> der Gemeinden nicht zuließ, fühlte es sich wie eine despotische Machtübung.<lb/> Jeder Versuch zur Consolidirung einer aristokratischen Opposition gegen die<lb/> Zarenallmacht scheiterte am Adelshasse des Volkes, und erleichterte dem<lb/> Kaiser ihre Entdeckung und Bestrafung.</p><lb/> <p xml:id="ID_28"> Wir haben hier nicht auf die nationalökonomischen Nachtheile einzugeben,<lb/> welche sich daran knüpften, daß gleichzeitig die Agricultur zu Gunsten der In¬<lb/> dustrie vernachlässigt ward. Sie würden bereits unter Peter 1. erschreckend<lb/> zu Tage getreten sein, wenn sein eherner Wille nicht die strengste Einhaltung<lb/> der Verpflichtung erzwungen hätte, wonach der Leibherr unter allen Umständen<lb/> für die nothwendigsten Bedürfnisse der Eigenhörigen zu sorgen hat. Aber<lb/> natürlich war es, daß unter den damaligen unfertigen Zuständen des Ver¬<lb/> kehrs grade der industrielle Adel, trotz scheinbar glänzenden Erwerbes, nicht<lb/> mächtig durch Reichthum werden konnte. Ein einziges Mißjahr verschlang<lb/> den etwa capitalisirten Gewinn. Was ferner die nationalen Traditionen etwa<lb/> noch übrig gelassen hatten von einem gleichsam patriarchalischen Verhältnisse<lb/> zwischen Grundherrn und Gemeinden, das zerstörte das Tschinwesen. Eine<lb/> flachmoderne Bildung, eiligst zusammengerafft, weil von obenher günstig an¬<lb/> geblickt, eine zur Schau getragene Verachtung des nationalen Lebens war<lb/> charakteristisches Merkmal dieses — überdies großentheils aus Ausländern be¬<lb/> stehenden — Beamtenneuadels. Aber auch der Altadel wurde in diese Sphären<lb/> hineingezwungen. Denn bereits in der dritten Generntion verlor (und verliert)<lb/> selbst das älteste Geschlecht alle Vorrechte, wenn kein Familienglied den Adels¬<lb/> rang durch den Staatsdienst wieder aufgefrischt hat. So mußte jener Tschin-<lb/> ownikgeist. welcher für das Volk und dessen nationale Institutionen blos<lb/> Geringschätzung hat. in den gebildeteren Classen zu allgemeinster Herrschaft<lb/> kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_29" next="#ID_30"> Solche Anschauungen können auch in der nationalrussischen Gemeinde¬<lb/> einheit blos eine Erschwerung der willkürliche» Verwerthung des einzelnen<lb/> Leibngeuen erblicken. Denn natürlich mußte der Grundherr, je mehr er von<lb/> seinen menschlichen Nutzthieren für die Fabrikindustrie in Anspruch nahm,<lb/> desto wesentlichere Nachlasse in den Verpflichtungen der Gemeinde eintreten<lb/> lassen, wenn er nicht befahren wollte, daß diese verarme und seine Haftbar¬<lb/> keit für die Steuerleistung an den Staat, wie für die Ernährung der Hun¬<lb/> gernden vergrößere. Er suchte also nach einem Mittel, die weder für den</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
psrars. Denn das seiner gleichsam eingeborenen Widerstandskraft gegen die
Uebergriffe des Adels beraubte Volk konnte eine Verbesserung seiner Lage
blos noch vom Zaren erhoffen. Die Verwandlung so viel tausend ehemaliger
Genieindeglieder in Bürger ließ das Verharren im bäuerlichen Gemeindeleben
den übrigen sogar wie ein Unglück erscheinen. Schon wenn der Grundherr,
ohne jede persönliche Bedrückung seines Leibeigenen, das Auseinanderlausen
der Gemeinden nicht zuließ, fühlte es sich wie eine despotische Machtübung.
Jeder Versuch zur Consolidirung einer aristokratischen Opposition gegen die
Zarenallmacht scheiterte am Adelshasse des Volkes, und erleichterte dem
Kaiser ihre Entdeckung und Bestrafung.
Wir haben hier nicht auf die nationalökonomischen Nachtheile einzugeben,
welche sich daran knüpften, daß gleichzeitig die Agricultur zu Gunsten der In¬
dustrie vernachlässigt ward. Sie würden bereits unter Peter 1. erschreckend
zu Tage getreten sein, wenn sein eherner Wille nicht die strengste Einhaltung
der Verpflichtung erzwungen hätte, wonach der Leibherr unter allen Umständen
für die nothwendigsten Bedürfnisse der Eigenhörigen zu sorgen hat. Aber
natürlich war es, daß unter den damaligen unfertigen Zuständen des Ver¬
kehrs grade der industrielle Adel, trotz scheinbar glänzenden Erwerbes, nicht
mächtig durch Reichthum werden konnte. Ein einziges Mißjahr verschlang
den etwa capitalisirten Gewinn. Was ferner die nationalen Traditionen etwa
noch übrig gelassen hatten von einem gleichsam patriarchalischen Verhältnisse
zwischen Grundherrn und Gemeinden, das zerstörte das Tschinwesen. Eine
flachmoderne Bildung, eiligst zusammengerafft, weil von obenher günstig an¬
geblickt, eine zur Schau getragene Verachtung des nationalen Lebens war
charakteristisches Merkmal dieses — überdies großentheils aus Ausländern be¬
stehenden — Beamtenneuadels. Aber auch der Altadel wurde in diese Sphären
hineingezwungen. Denn bereits in der dritten Generntion verlor (und verliert)
selbst das älteste Geschlecht alle Vorrechte, wenn kein Familienglied den Adels¬
rang durch den Staatsdienst wieder aufgefrischt hat. So mußte jener Tschin-
ownikgeist. welcher für das Volk und dessen nationale Institutionen blos
Geringschätzung hat. in den gebildeteren Classen zu allgemeinster Herrschaft
kommen.
Solche Anschauungen können auch in der nationalrussischen Gemeinde¬
einheit blos eine Erschwerung der willkürliche» Verwerthung des einzelnen
Leibngeuen erblicken. Denn natürlich mußte der Grundherr, je mehr er von
seinen menschlichen Nutzthieren für die Fabrikindustrie in Anspruch nahm,
desto wesentlichere Nachlasse in den Verpflichtungen der Gemeinde eintreten
lassen, wenn er nicht befahren wollte, daß diese verarme und seine Haftbar¬
keit für die Steuerleistung an den Staat, wie für die Ernährung der Hun¬
gernden vergrößere. Er suchte also nach einem Mittel, die weder für den
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |