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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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fes gleich kommen wird, was weit über zwanzig Knoten sein würde, und da¬
rum vorerst noch in Zweifel gestellt werden muß. In Deutschland ist das
Dampfschiff "der Nagler" das schnellste. Indeß läuft es nur siebenzehn bis
achtzehn Knoten in der Stunde, was ebenso viel Seemeilen bedeutet, von
denen sechzig auf den Aequatorialgrad gehen, und ich erinnere mich nicht
von irgend einem Dampfer gehört zu haben, der es ihm zuvorthue. Die
betreffende Annahme scheint darum noch etwas hypothetisch zu sein. Gewiß
dagegen und keiner Frage unterworfen ist es, daß ein Küraßschiff, wie das
hier in Rede stehende, auch wenn seine größte Schnelligkeit siebenzehn
bis achtzehn Knoten nicht übersteigt, und selbst wenn der oben erwähnte
Sporn am Bug fehlte, durch seinen bloßen Anprall wider ein anderes
Fahrzeug jeden ihm von demselben entgegenzusetzenden Widerstand brechen,
und einen ungeheuren und Entscheidung gebenden Effect hervorbringen
müßte. Die bezweckte Wirkung an und für sich kann daher nicht in Zweifel
gestellt werden, wie man denn überhaupt in Hinsicht auf das Project uur
staunen darf, daß es nicht schon viel früher ins Auge gefaßt und zur Aus¬
führung gebracht worden ist.

Mit einer lobenswerthen Bedachtsamkeit, die in Sachen der Beschaffung
von Marinematerial, welches unter allen Kriegsmitteln das bei weitem kost¬
spieligste ist, nicht genug empfohlen werden kann, hat man einstweilen in
England sich darauf beschränkt, nur einen Versuch zu machen, und zu diesen?
Zweck ein altes 120 Kanonenschiff, welches aber im Uebrigen noch seetüchtig
ist, verwendet. Befriedigen die Resultate dieses ersten Experiments, so
ist nicht daran zu zweifeln, daß man die Neuerung alsbald in großartigerem
Maßstabe durchführen werde.

Das neue Princip wird bei seiner Anwendung im Seekriege ungeheure
Erfolge haben, welche durchaus geeignet sind, die heute noch Geltung habende
Schiffstaktik von Grund aus umzugestalten. Aus dem oben über die Con-
struction und Bewaffnung des neuen Linienschiffs Gesagten wird man ent¬
nehmen tonnen, daß dasselbe für den Nahekampf bestimmt ist. Während die
großen amerikanischen Fregatten, deren in den Marinebriefen Erwähnung ge¬
schah, mit ihren weit tragenden Geschützen die Tendenz haben, die Schlacht¬
entscheidung durch ein Ferngefecht zu suchen, drängt ihr Princip die gepanzer¬
ten Fahrzeuge zum directesten Zusammenstoß. Vor einigen Monaten noch konnte
man in Zweifel sein, ob die Massenhaftigkeit des. Schiffskörpers als irgend
ein mit Ausschlag gehendes Element bei einer Entscheidung zur See gelten
dürfe. Die neuen Linienschiffe lösen diese Frage zu Gunsten der großen Fahr¬
zeuge wider die kleinen, und damit ist viel geschehen. Ich erinnere hier nur
an die Kanonenboote, für die man. nachdem sie mit Dampfmaschinen
versehen worden, eine ausgedehnte Wirkungssphäre und eine Betheiligung


fes gleich kommen wird, was weit über zwanzig Knoten sein würde, und da¬
rum vorerst noch in Zweifel gestellt werden muß. In Deutschland ist das
Dampfschiff „der Nagler" das schnellste. Indeß läuft es nur siebenzehn bis
achtzehn Knoten in der Stunde, was ebenso viel Seemeilen bedeutet, von
denen sechzig auf den Aequatorialgrad gehen, und ich erinnere mich nicht
von irgend einem Dampfer gehört zu haben, der es ihm zuvorthue. Die
betreffende Annahme scheint darum noch etwas hypothetisch zu sein. Gewiß
dagegen und keiner Frage unterworfen ist es, daß ein Küraßschiff, wie das
hier in Rede stehende, auch wenn seine größte Schnelligkeit siebenzehn
bis achtzehn Knoten nicht übersteigt, und selbst wenn der oben erwähnte
Sporn am Bug fehlte, durch seinen bloßen Anprall wider ein anderes
Fahrzeug jeden ihm von demselben entgegenzusetzenden Widerstand brechen,
und einen ungeheuren und Entscheidung gebenden Effect hervorbringen
müßte. Die bezweckte Wirkung an und für sich kann daher nicht in Zweifel
gestellt werden, wie man denn überhaupt in Hinsicht auf das Project uur
staunen darf, daß es nicht schon viel früher ins Auge gefaßt und zur Aus¬
führung gebracht worden ist.

Mit einer lobenswerthen Bedachtsamkeit, die in Sachen der Beschaffung
von Marinematerial, welches unter allen Kriegsmitteln das bei weitem kost¬
spieligste ist, nicht genug empfohlen werden kann, hat man einstweilen in
England sich darauf beschränkt, nur einen Versuch zu machen, und zu diesen?
Zweck ein altes 120 Kanonenschiff, welches aber im Uebrigen noch seetüchtig
ist, verwendet. Befriedigen die Resultate dieses ersten Experiments, so
ist nicht daran zu zweifeln, daß man die Neuerung alsbald in großartigerem
Maßstabe durchführen werde.

Das neue Princip wird bei seiner Anwendung im Seekriege ungeheure
Erfolge haben, welche durchaus geeignet sind, die heute noch Geltung habende
Schiffstaktik von Grund aus umzugestalten. Aus dem oben über die Con-
struction und Bewaffnung des neuen Linienschiffs Gesagten wird man ent¬
nehmen tonnen, daß dasselbe für den Nahekampf bestimmt ist. Während die
großen amerikanischen Fregatten, deren in den Marinebriefen Erwähnung ge¬
schah, mit ihren weit tragenden Geschützen die Tendenz haben, die Schlacht¬
entscheidung durch ein Ferngefecht zu suchen, drängt ihr Princip die gepanzer¬
ten Fahrzeuge zum directesten Zusammenstoß. Vor einigen Monaten noch konnte
man in Zweifel sein, ob die Massenhaftigkeit des. Schiffskörpers als irgend
ein mit Ausschlag gehendes Element bei einer Entscheidung zur See gelten
dürfe. Die neuen Linienschiffe lösen diese Frage zu Gunsten der großen Fahr¬
zeuge wider die kleinen, und damit ist viel geschehen. Ich erinnere hier nur
an die Kanonenboote, für die man. nachdem sie mit Dampfmaschinen
versehen worden, eine ausgedehnte Wirkungssphäre und eine Betheiligung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/111>, abgerufen am 22.07.2024.