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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Deutschland zurückgelaßen hatte, war er auch noch, als er wiederkehrte, den
Wunsch der Seinigen (der den Vater sogar so liberal gemacht hatte, daß auch
er ihm nun all^Müis logilms Kumxwm zuwandte, obwol auch jetzt wieder
der Erzbischof vvP Mainz beihalf), er möchte als Doctor zurückkommen, hat
er nicht erfüllt; die Umstände verhinderten es. Hütten zog -- er wäre lieber
zu Erasmus gezogen -- nach Rom; die Reiseroute sucht Ser. gewiß richtig in
dem Briefe des Magister Lang, I^M olisc vir. II. 12. Hier entstanden nicht
bloß köstliche Epigramme, die uns meist in der Augsburger Sammlung vom
2. Jan. 1519 zuerst' vorliege" (deren Holzschnitte zum Theil wirkliche Por¬
träts sind, z. B. von K. Max, von Hütten selbst, von Julius II.), ..ohne
Zweifel aber auch in italiänischen Drucken existieren, welche leider bei uns gar
nicht zu finden sind; sondern hier keimten auch manche der vollendetsten hut-
tenschen Werke, die später erst ihre Gestalt erhielten, wie die Clag und Ber-
mahnung, die römische Dreifaltigkeit und andere. Auch sein Schwert für
Deutschlands und seines Kaisers Ehre zu gebrauchen, ward er in dieser Zeit
veranlaßt: in Viterbo kosteten Schmähungen einem Franzosen das Leben und
vier anderen Fersengeld. Ende Juli 1516 war Hütten auch schon von Rom
weg nach Bologna gezogen, wo er mit den Würzburger Freunden Fuchs und
Fischer zusammen wohnte, und wo mit ihm der damalige Hofmeister der
Nürnberger Genter. der Neffen Pirckheimcrs, Evchläus, häufigen Berlehr hatte.
Aber das Absynth der damaligen Jurisprudenz, das er im Ganzen doch vor¬
schriftsmäßig getrunken zu haben scheint, mundete Hütten auch jetzt wieder gar
nicht, er nahm lieber mit den jungen Genter noch Unterricht im Griechischen
und las, die wahre Lectüre für einen Hütten, Aristophanes und Lucian.
Schön ist, was Ser. andeutet, weshalb eigentliche Freundschaft zwischen Hüt¬
ten und einem Constans, Muticui, Erasmus und.Melanchthon nicht entstehen
konnte; was er aber (S. 170) "von den schlechten Bildern, die von ihm übrig
sind", soge, bedarf der Berichtigung. Es ist uns (in der Berliner Kupferstich¬
sammlung) eine dürersche Zeichnung von Huttens Kopf erhalten, die nicht nur
kein schlechtes Bild ist, sondern auch einen Beweis liefert, daß wir wol eher
als in Huttens Strenge, ja Wildheit und seinen oft schneidenden und zurück¬
stoßenden Reden, den Grund der angeführten Thatsache in des Mannes stäh¬
lerner Treue und rücksichtsloser Geradheit in Behauptung der Wahrheit und
Freiheit zu suchen haben, die sich freilich mit dem den Umständen großes Ge¬
wicht beilegenden Charakter jener Männer, welche alle trotz ihrer Bedeutend-
heit von, Achselträgerei und Klciniichkeitsgeist nicht frei waren, nie vollkommen
verbinden konnte: Hütten war nicht begeistert für Freiheit und Wahrheit, die
Hingebung an sie war sein constanter natürlicher Zustand. Ich kann es mir
nicht versagen, hier wenigstens auf die Erscheinung Huttens in der "Tragedia
(oder Comedia) oder Spill, gehalten in dein Künigtlichcn Sal zu Paris; >524"


Grenzten I, 1853. 12

Deutschland zurückgelaßen hatte, war er auch noch, als er wiederkehrte, den
Wunsch der Seinigen (der den Vater sogar so liberal gemacht hatte, daß auch
er ihm nun all^Müis logilms Kumxwm zuwandte, obwol auch jetzt wieder
der Erzbischof vvP Mainz beihalf), er möchte als Doctor zurückkommen, hat
er nicht erfüllt; die Umstände verhinderten es. Hütten zog — er wäre lieber
zu Erasmus gezogen — nach Rom; die Reiseroute sucht Ser. gewiß richtig in
dem Briefe des Magister Lang, I^M olisc vir. II. 12. Hier entstanden nicht
bloß köstliche Epigramme, die uns meist in der Augsburger Sammlung vom
2. Jan. 1519 zuerst' vorliege» (deren Holzschnitte zum Theil wirkliche Por¬
träts sind, z. B. von K. Max, von Hütten selbst, von Julius II.), ..ohne
Zweifel aber auch in italiänischen Drucken existieren, welche leider bei uns gar
nicht zu finden sind; sondern hier keimten auch manche der vollendetsten hut-
tenschen Werke, die später erst ihre Gestalt erhielten, wie die Clag und Ber-
mahnung, die römische Dreifaltigkeit und andere. Auch sein Schwert für
Deutschlands und seines Kaisers Ehre zu gebrauchen, ward er in dieser Zeit
veranlaßt: in Viterbo kosteten Schmähungen einem Franzosen das Leben und
vier anderen Fersengeld. Ende Juli 1516 war Hütten auch schon von Rom
weg nach Bologna gezogen, wo er mit den Würzburger Freunden Fuchs und
Fischer zusammen wohnte, und wo mit ihm der damalige Hofmeister der
Nürnberger Genter. der Neffen Pirckheimcrs, Evchläus, häufigen Berlehr hatte.
Aber das Absynth der damaligen Jurisprudenz, das er im Ganzen doch vor¬
schriftsmäßig getrunken zu haben scheint, mundete Hütten auch jetzt wieder gar
nicht, er nahm lieber mit den jungen Genter noch Unterricht im Griechischen
und las, die wahre Lectüre für einen Hütten, Aristophanes und Lucian.
Schön ist, was Ser. andeutet, weshalb eigentliche Freundschaft zwischen Hüt¬
ten und einem Constans, Muticui, Erasmus und.Melanchthon nicht entstehen
konnte; was er aber (S. 170) „von den schlechten Bildern, die von ihm übrig
sind", soge, bedarf der Berichtigung. Es ist uns (in der Berliner Kupferstich¬
sammlung) eine dürersche Zeichnung von Huttens Kopf erhalten, die nicht nur
kein schlechtes Bild ist, sondern auch einen Beweis liefert, daß wir wol eher
als in Huttens Strenge, ja Wildheit und seinen oft schneidenden und zurück¬
stoßenden Reden, den Grund der angeführten Thatsache in des Mannes stäh¬
lerner Treue und rücksichtsloser Geradheit in Behauptung der Wahrheit und
Freiheit zu suchen haben, die sich freilich mit dem den Umständen großes Ge¬
wicht beilegenden Charakter jener Männer, welche alle trotz ihrer Bedeutend-
heit von, Achselträgerei und Klciniichkeitsgeist nicht frei waren, nie vollkommen
verbinden konnte: Hütten war nicht begeistert für Freiheit und Wahrheit, die
Hingebung an sie war sein constanter natürlicher Zustand. Ich kann es mir
nicht versagen, hier wenigstens auf die Erscheinung Huttens in der „Tragedia
(oder Comedia) oder Spill, gehalten in dein Künigtlichcn Sal zu Paris; >524"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/97>, abgerufen am 27.07.2024.