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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Brief Veit Weilers; gegen sie aber, daß davon in Zarnckes Leipziger Univer¬
sitätsgeschichte nichts erwähnt ist, weniger daß Hütten schon im Herbste seine
mühselige Wanderung durch Böhmen und Mähren nach Wien gemacht hatte.
Hier in Vadians Pensionsanstalt (oonwbernium) machte er sich alsbald geachtet
und beliebt : er wußte viele spannende und merkwürdige Erlebnisse zu berichten,
hatte auch, auf einzelne Blätter, großentheils auf dem Pferde niedergeschrie¬
bene ansprechende Gedichte, seine ersten politischen Ansprachen, mitzutheilen.
Wat ließ sie in Wien (1512), Hütten selbst später in Augsburg, umgearbeitet
und vermehrt (Anfang 1519) drucken, eine Anmahnung des Kaisers zum Kriege
gegen das Froschvvlk der Venezianer, ein Heroicum, daß Deutschland noch nicht
entartet sei. und ein Gedicht auf seinen eignen Einzug in Wien. Hier hin¬
derte die Schelsucht der Universitätszunft die Ausführung seines Plans, über
die Verskunst Vorlesungen zu halten; er wanderte über die Alpen.

Nach Italien zieht sein Bildungstrieb den Deutschen seit Jahrtausenden,
zog es ihn zu Huttens Zeit um so mehr, als es die Pflanzstätte humanisti¬
scher und juristischer Bildung war. und Hütten insbesondere drängte dahin
der Wille des Vaters, daß der Sohn, der einer Prälatur so leichtfertig ent¬
laufen war, doch ans der weltlichen Laufbahn etwas werde. In Pavia hörte
er im Sommer 1512 die Vorlesungen des Jason Mainus und hatte mit dem
Augsburger Rem einen gemeinschaftlichen Lehrer im Griechischen. Bald aber
vertrieben ihn die Kriegsunruhen; drei Tage hatten die Franzosen den armen
sieberkranken deutschen Studenten in so hartem Gefängnisse gehalten, daß er
sich schon seine Grabschrift dichtete. Auch in Bologna wollte ihm weder das
Glück wohl, noch der es billig gesollt hätte, der Cardinal Lang von Salzburg
(er war schon 1511 Cardinal geworden, obgleich ihm erst 1513 feierlich der
Hut aufgesetzt wurde), welchem Hütten bei dessen Durchreise nach Rom im
Namen der Deutschen zu Bologna ein Huldigungsgedicht gewidmet hatte; die>
ses ist wol nie erschienen, und seinen Widerwillen gegen den diplomatischen
Prälaten hat Hütten nicht wieder abgelegt. Er mußte sich nun zum kaiserli-
chen Heere anwerben laßen, aus welchem Dienst ihm mehr poetische als krie¬
gerische Kränze erwuchsen, Epigramme auf den Kaiser Maximilian und die
Kriegsereignisse. "eines seiner frischesten, reizendsten Werke", die schon mit
kecken Vorgefechten gegen den Papst schließen. Schwerlich gehört der Vir l.o-
nus, der erst 1513 in Erfurt erschien, seiner Entstehung nach dieser Zeit alt-
er ist "eine Reliquie aus früheren Tagen". Dagegen möchte ich den (ersten)
Nemo (gedruckt Erfurt ^ ^r.. dann 8. I. sDeventerj 1513. si6l3 bei Ser. ist
Dnicksehler!, Wittenb. 151" u. 1518. 4.) für ein Erzeugniss der Stimmung
halten, in welcher er sich vornahm - etwas zu werden und sich zu dem ihn.
und wie dieses und Hütten damals standen, mit Recht so wenig anziehenden
Studium der Jurisprudenz zu bequemen, so wie auch der s.> g. Nouv rook-


Brief Veit Weilers; gegen sie aber, daß davon in Zarnckes Leipziger Univer¬
sitätsgeschichte nichts erwähnt ist, weniger daß Hütten schon im Herbste seine
mühselige Wanderung durch Böhmen und Mähren nach Wien gemacht hatte.
Hier in Vadians Pensionsanstalt (oonwbernium) machte er sich alsbald geachtet
und beliebt : er wußte viele spannende und merkwürdige Erlebnisse zu berichten,
hatte auch, auf einzelne Blätter, großentheils auf dem Pferde niedergeschrie¬
bene ansprechende Gedichte, seine ersten politischen Ansprachen, mitzutheilen.
Wat ließ sie in Wien (1512), Hütten selbst später in Augsburg, umgearbeitet
und vermehrt (Anfang 1519) drucken, eine Anmahnung des Kaisers zum Kriege
gegen das Froschvvlk der Venezianer, ein Heroicum, daß Deutschland noch nicht
entartet sei. und ein Gedicht auf seinen eignen Einzug in Wien. Hier hin¬
derte die Schelsucht der Universitätszunft die Ausführung seines Plans, über
die Verskunst Vorlesungen zu halten; er wanderte über die Alpen.

Nach Italien zieht sein Bildungstrieb den Deutschen seit Jahrtausenden,
zog es ihn zu Huttens Zeit um so mehr, als es die Pflanzstätte humanisti¬
scher und juristischer Bildung war. und Hütten insbesondere drängte dahin
der Wille des Vaters, daß der Sohn, der einer Prälatur so leichtfertig ent¬
laufen war, doch ans der weltlichen Laufbahn etwas werde. In Pavia hörte
er im Sommer 1512 die Vorlesungen des Jason Mainus und hatte mit dem
Augsburger Rem einen gemeinschaftlichen Lehrer im Griechischen. Bald aber
vertrieben ihn die Kriegsunruhen; drei Tage hatten die Franzosen den armen
sieberkranken deutschen Studenten in so hartem Gefängnisse gehalten, daß er
sich schon seine Grabschrift dichtete. Auch in Bologna wollte ihm weder das
Glück wohl, noch der es billig gesollt hätte, der Cardinal Lang von Salzburg
(er war schon 1511 Cardinal geworden, obgleich ihm erst 1513 feierlich der
Hut aufgesetzt wurde), welchem Hütten bei dessen Durchreise nach Rom im
Namen der Deutschen zu Bologna ein Huldigungsgedicht gewidmet hatte; die>
ses ist wol nie erschienen, und seinen Widerwillen gegen den diplomatischen
Prälaten hat Hütten nicht wieder abgelegt. Er mußte sich nun zum kaiserli-
chen Heere anwerben laßen, aus welchem Dienst ihm mehr poetische als krie¬
gerische Kränze erwuchsen, Epigramme auf den Kaiser Maximilian und die
Kriegsereignisse. „eines seiner frischesten, reizendsten Werke", die schon mit
kecken Vorgefechten gegen den Papst schließen. Schwerlich gehört der Vir l.o-
nus, der erst 1513 in Erfurt erschien, seiner Entstehung nach dieser Zeit alt-
er ist „eine Reliquie aus früheren Tagen". Dagegen möchte ich den (ersten)
Nemo (gedruckt Erfurt ^ ^r.. dann 8. I. sDeventerj 1513. si6l3 bei Ser. ist
Dnicksehler!, Wittenb. 151« u. 1518. 4.) für ein Erzeugniss der Stimmung
halten, in welcher er sich vornahm - etwas zu werden und sich zu dem ihn.
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[0095] Brief Veit Weilers; gegen sie aber, daß davon in Zarnckes Leipziger Univer¬ sitätsgeschichte nichts erwähnt ist, weniger daß Hütten schon im Herbste seine mühselige Wanderung durch Böhmen und Mähren nach Wien gemacht hatte. Hier in Vadians Pensionsanstalt (oonwbernium) machte er sich alsbald geachtet und beliebt : er wußte viele spannende und merkwürdige Erlebnisse zu berichten, hatte auch, auf einzelne Blätter, großentheils auf dem Pferde niedergeschrie¬ bene ansprechende Gedichte, seine ersten politischen Ansprachen, mitzutheilen. Wat ließ sie in Wien (1512), Hütten selbst später in Augsburg, umgearbeitet und vermehrt (Anfang 1519) drucken, eine Anmahnung des Kaisers zum Kriege gegen das Froschvvlk der Venezianer, ein Heroicum, daß Deutschland noch nicht entartet sei. und ein Gedicht auf seinen eignen Einzug in Wien. Hier hin¬ derte die Schelsucht der Universitätszunft die Ausführung seines Plans, über die Verskunst Vorlesungen zu halten; er wanderte über die Alpen. Nach Italien zieht sein Bildungstrieb den Deutschen seit Jahrtausenden, zog es ihn zu Huttens Zeit um so mehr, als es die Pflanzstätte humanisti¬ scher und juristischer Bildung war. und Hütten insbesondere drängte dahin der Wille des Vaters, daß der Sohn, der einer Prälatur so leichtfertig ent¬ laufen war, doch ans der weltlichen Laufbahn etwas werde. In Pavia hörte er im Sommer 1512 die Vorlesungen des Jason Mainus und hatte mit dem Augsburger Rem einen gemeinschaftlichen Lehrer im Griechischen. Bald aber vertrieben ihn die Kriegsunruhen; drei Tage hatten die Franzosen den armen sieberkranken deutschen Studenten in so hartem Gefängnisse gehalten, daß er sich schon seine Grabschrift dichtete. Auch in Bologna wollte ihm weder das Glück wohl, noch der es billig gesollt hätte, der Cardinal Lang von Salzburg (er war schon 1511 Cardinal geworden, obgleich ihm erst 1513 feierlich der Hut aufgesetzt wurde), welchem Hütten bei dessen Durchreise nach Rom im Namen der Deutschen zu Bologna ein Huldigungsgedicht gewidmet hatte; die> ses ist wol nie erschienen, und seinen Widerwillen gegen den diplomatischen Prälaten hat Hütten nicht wieder abgelegt. Er mußte sich nun zum kaiserli- chen Heere anwerben laßen, aus welchem Dienst ihm mehr poetische als krie¬ gerische Kränze erwuchsen, Epigramme auf den Kaiser Maximilian und die Kriegsereignisse. „eines seiner frischesten, reizendsten Werke", die schon mit kecken Vorgefechten gegen den Papst schließen. Schwerlich gehört der Vir l.o- nus, der erst 1513 in Erfurt erschien, seiner Entstehung nach dieser Zeit alt- er ist „eine Reliquie aus früheren Tagen". Dagegen möchte ich den (ersten) Nemo (gedruckt Erfurt ^ ^r.. dann 8. I. sDeventerj 1513. si6l3 bei Ser. ist Dnicksehler!, Wittenb. 151« u. 1518. 4.) für ein Erzeugniss der Stimmung halten, in welcher er sich vornahm - etwas zu werden und sich zu dem ihn. und wie dieses und Hütten damals standen, mit Recht so wenig anziehenden Studium der Jurisprudenz zu bequemen, so wie auch der s.> g. Nouv rook-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/95>, abgerufen am 27.07.2024.