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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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geld geben, und uns verstecken. Und obgleich wir unsre Linsen, Wicken und
arme Speise in die Gräber und alten Särge, ja, unter die Todtenköpfe ver¬
steckten, wurde es uns doch alles genommen,--

Damals mühten die noch lebendigen Leute von Haus und Hof gehen
oder Hungers sterben. Wie denn zu Popvenhausen die meisten begraben
wurden. Es blieben etwa noch 8 oder " Seelen, die anno 36 vollends darauf
gingen oder entwichen. Dieselbe Gelegenheit hatte es auch mit Lindenau,
welche Pfarre mir 163" vicariatsweise von, fürstlichen Konsistorium anbefohlen
war. Ich konnte keine Einkünfte genießen. Aepfel, Birnen, Kraut und Rüben,
war meine Besoldung. So bin ich von g,. 30 bis 41 auch der Lindcnauer
Psarr gewesen. Ich ließ zwar die Pfarre zurichten, konnte aber wegen Unsicherheit
und Plackerei nicht beständig drunten wohnen und verrichtete die Labores
von Heldburg aus. Mein Zeugniß von den Lindenauern ist Noch vorhanden,
worin sie bekennen, daß ich in 5 Jahren nicht 10 si. an Geld bekommen
habe, sie haben mir aber seither den Nest mit Holz und Aepfeln richtig
gemacht. --'

Als Ä. 40 zwischen Ostern und Pfingsten die kaiserlichen und die schwe¬
dischen Armeen zu Saalfeld ein Feldlager schlugen, wurde Franken und
Thüringen nah und fern verderbet. Am Sonntag Exaudi früh 4 Uhr fielen
kaiserliche starke Parteien zu Heldburg ein, als die meisten Bürger noch in
den Betten ruhten. Meine ganze Viasse oben rein und hinten mein Hos
ward in Eile voll Pferde und Reiter, nicht anders als wenn ihnen mit
Fleiß mein Haus wäre gezeigt worden. Da wurde ich und mein Weib wol
5 Mal in einer Stunde gefangen, wenn ich von e-mein los kam, nahm mich
ein anderer. Da führt' ich sie halt in Kammer und Keller, möchten selber
suchen, was nam dienen möchte. Endlich verließen sie mich zwar alle
und ließen mich allein im Haus, doch war das Schrecken, Furcht und
Angst so groß, daß ich an meine Baarschaft nicht gedachte, welche ich
zehn mal hätte können retten, wenn ich getraut hätte damit fortzu¬
kommen. Aber es waren alle Häuser und Gassen voll Reiter, und
hätte geschehen können, daß, wenn ich meinen Mammon zu mir gefaßet, ichs
einem zugetragen hätte. Aber ich dachte vor Angst an kein Geld. Es ließen
sich Männer und Weiber durch die Gil de Hasischen Reiter, so bei uns im
Quartier lagen, hinausconvvyiren. Da kam ich wieder zu Weib und Kindern,
wir begaben uns ins nächste Holz, gegen Hellingen, da blieb Alt und Jung, Geist¬
liche und Weltliche Tag und Nacht. ' Der meisten Leute Speise waren schwarze
Wachholderbeeren, Nun wagten es etliche Bürger, gingen in die Stadt, kamen
und brachten essende Waare und sonst, was ihnen lieb gewesen. Ich
dachte, ach! wenn du auch könntest in dein Haus kommen, und die baaren
Pfennige ertappen, und damit dich und deineKinder könntestfortbringen. Jchwagts


geld geben, und uns verstecken. Und obgleich wir unsre Linsen, Wicken und
arme Speise in die Gräber und alten Särge, ja, unter die Todtenköpfe ver¬
steckten, wurde es uns doch alles genommen,--

Damals mühten die noch lebendigen Leute von Haus und Hof gehen
oder Hungers sterben. Wie denn zu Popvenhausen die meisten begraben
wurden. Es blieben etwa noch 8 oder « Seelen, die anno 36 vollends darauf
gingen oder entwichen. Dieselbe Gelegenheit hatte es auch mit Lindenau,
welche Pfarre mir 163« vicariatsweise von, fürstlichen Konsistorium anbefohlen
war. Ich konnte keine Einkünfte genießen. Aepfel, Birnen, Kraut und Rüben,
war meine Besoldung. So bin ich von g,. 30 bis 41 auch der Lindcnauer
Psarr gewesen. Ich ließ zwar die Pfarre zurichten, konnte aber wegen Unsicherheit
und Plackerei nicht beständig drunten wohnen und verrichtete die Labores
von Heldburg aus. Mein Zeugniß von den Lindenauern ist Noch vorhanden,
worin sie bekennen, daß ich in 5 Jahren nicht 10 si. an Geld bekommen
habe, sie haben mir aber seither den Nest mit Holz und Aepfeln richtig
gemacht. —'

Als Ä. 40 zwischen Ostern und Pfingsten die kaiserlichen und die schwe¬
dischen Armeen zu Saalfeld ein Feldlager schlugen, wurde Franken und
Thüringen nah und fern verderbet. Am Sonntag Exaudi früh 4 Uhr fielen
kaiserliche starke Parteien zu Heldburg ein, als die meisten Bürger noch in
den Betten ruhten. Meine ganze Viasse oben rein und hinten mein Hos
ward in Eile voll Pferde und Reiter, nicht anders als wenn ihnen mit
Fleiß mein Haus wäre gezeigt worden. Da wurde ich und mein Weib wol
5 Mal in einer Stunde gefangen, wenn ich von e-mein los kam, nahm mich
ein anderer. Da führt' ich sie halt in Kammer und Keller, möchten selber
suchen, was nam dienen möchte. Endlich verließen sie mich zwar alle
und ließen mich allein im Haus, doch war das Schrecken, Furcht und
Angst so groß, daß ich an meine Baarschaft nicht gedachte, welche ich
zehn mal hätte können retten, wenn ich getraut hätte damit fortzu¬
kommen. Aber es waren alle Häuser und Gassen voll Reiter, und
hätte geschehen können, daß, wenn ich meinen Mammon zu mir gefaßet, ichs
einem zugetragen hätte. Aber ich dachte vor Angst an kein Geld. Es ließen
sich Männer und Weiber durch die Gil de Hasischen Reiter, so bei uns im
Quartier lagen, hinausconvvyiren. Da kam ich wieder zu Weib und Kindern,
wir begaben uns ins nächste Holz, gegen Hellingen, da blieb Alt und Jung, Geist¬
liche und Weltliche Tag und Nacht. ' Der meisten Leute Speise waren schwarze
Wachholderbeeren, Nun wagten es etliche Bürger, gingen in die Stadt, kamen
und brachten essende Waare und sonst, was ihnen lieb gewesen. Ich
dachte, ach! wenn du auch könntest in dein Haus kommen, und die baaren
Pfennige ertappen, und damit dich und deineKinder könntestfortbringen. Jchwagts


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[0068] geld geben, und uns verstecken. Und obgleich wir unsre Linsen, Wicken und arme Speise in die Gräber und alten Särge, ja, unter die Todtenköpfe ver¬ steckten, wurde es uns doch alles genommen,-- Damals mühten die noch lebendigen Leute von Haus und Hof gehen oder Hungers sterben. Wie denn zu Popvenhausen die meisten begraben wurden. Es blieben etwa noch 8 oder « Seelen, die anno 36 vollends darauf gingen oder entwichen. Dieselbe Gelegenheit hatte es auch mit Lindenau, welche Pfarre mir 163« vicariatsweise von, fürstlichen Konsistorium anbefohlen war. Ich konnte keine Einkünfte genießen. Aepfel, Birnen, Kraut und Rüben, war meine Besoldung. So bin ich von g,. 30 bis 41 auch der Lindcnauer Psarr gewesen. Ich ließ zwar die Pfarre zurichten, konnte aber wegen Unsicherheit und Plackerei nicht beständig drunten wohnen und verrichtete die Labores von Heldburg aus. Mein Zeugniß von den Lindenauern ist Noch vorhanden, worin sie bekennen, daß ich in 5 Jahren nicht 10 si. an Geld bekommen habe, sie haben mir aber seither den Nest mit Holz und Aepfeln richtig gemacht. —' Als Ä. 40 zwischen Ostern und Pfingsten die kaiserlichen und die schwe¬ dischen Armeen zu Saalfeld ein Feldlager schlugen, wurde Franken und Thüringen nah und fern verderbet. Am Sonntag Exaudi früh 4 Uhr fielen kaiserliche starke Parteien zu Heldburg ein, als die meisten Bürger noch in den Betten ruhten. Meine ganze Viasse oben rein und hinten mein Hos ward in Eile voll Pferde und Reiter, nicht anders als wenn ihnen mit Fleiß mein Haus wäre gezeigt worden. Da wurde ich und mein Weib wol 5 Mal in einer Stunde gefangen, wenn ich von e-mein los kam, nahm mich ein anderer. Da führt' ich sie halt in Kammer und Keller, möchten selber suchen, was nam dienen möchte. Endlich verließen sie mich zwar alle und ließen mich allein im Haus, doch war das Schrecken, Furcht und Angst so groß, daß ich an meine Baarschaft nicht gedachte, welche ich zehn mal hätte können retten, wenn ich getraut hätte damit fortzu¬ kommen. Aber es waren alle Häuser und Gassen voll Reiter, und hätte geschehen können, daß, wenn ich meinen Mammon zu mir gefaßet, ichs einem zugetragen hätte. Aber ich dachte vor Angst an kein Geld. Es ließen sich Männer und Weiber durch die Gil de Hasischen Reiter, so bei uns im Quartier lagen, hinausconvvyiren. Da kam ich wieder zu Weib und Kindern, wir begaben uns ins nächste Holz, gegen Hellingen, da blieb Alt und Jung, Geist¬ liche und Weltliche Tag und Nacht. ' Der meisten Leute Speise waren schwarze Wachholderbeeren, Nun wagten es etliche Bürger, gingen in die Stadt, kamen und brachten essende Waare und sonst, was ihnen lieb gewesen. Ich dachte, ach! wenn du auch könntest in dein Haus kommen, und die baaren Pfennige ertappen, und damit dich und deineKinder könntestfortbringen. Jchwagts

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/68>, abgerufen am 27.07.2024.