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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Zum ersten Male geschah dies im Jahre 352 v. Chr., um dem ungeheuer
verschuldeten niederen Volke unter die Arme zu greifen. Fünf Staatsbeamte
prüften die Verhältnisse der Schuldner und leisteten an ihren am Hauptmarkte
errichteten Tischen gegen Sicherstellung Vorschüsse aus der Staatskasse. Der
umgekehrte Fall trat ein, als während des zweiten punischen Krieges das Aerar
selbst in die Lage kam, die aufopfernde Hilfe der Patrioten in Anspruch
zu nehmen. Damals nahm dieselbe Behörde Gold- und edles Metall in
Empfang, während ihre Schreiber die Namen in die Liste der öffentlichen
Anleihe eintrugen. Der Kaiser Augustus etablirte. später aus dem Ertrage
der confiscirten Güter der Verurtheilten eine Leihkasse, aus welcher jeder, der
für den doppelten Betrag Unterpfand stellen konnte, auf eine gewisse Zeit ge¬
liehen bekam. Diesem Vorgange folgte auch später Alexander Severus, in¬
dem er ein großes Capital zu geringen Zinsen verlieh und Armen zum An¬
kaufe von Grundstücken Gelder ohne Zinsen vorstreckte, die sie dann von dem
Ertrage derselben nach und nach wiedererstatteten. Wie sehr sich übrigens
schon zu Anfang der Kaiserzeit der Betrieb der Geldgeschäfte ^ geändert und
das Ansehen der Bankiers gesteigert hatte, zeigt sich besonders an den Mit-"
kein, welche Tiberius zur Beseitigung einer großen Geldkrisis im Jahre 32 '
n. Chr. anwendete. Es fehlte damals keineswegs an Capital; das plötzliche
Aufhören des Credits war nur eine Folge, falscher Maßregeln. Da nämlich
die Schuldner laut Uer die Härte und den Zinswucher der Kapitalisten klag¬
ten, zu denen freilich' sämmtliche Mitglieder des demoralisirten Senats gehör¬
ten, so ging man auf ein Gesetz Cäsars zurück, nach welchem niemand mehr
als 15,000 Denare (4350 Hhlr.) bnares Geld besitzen durfte, gebot den Rei¬
chern, zwei Drittheile ihres Vermögens in Ländereien anzulegen und setzte zu
diesen Veränderungen eine Frist von 18 Monaten fest. Allein die Gläubiger
kündigten nun aus Furcht alle ihre Capitalien aus; durch die Menge der
Bankerotte sank der Preis aller städtischen Besitzungen und Wohlstand und
Ehre vieler ging zu Grurrde. Da löste endlich der Kaiser die Stockung des Cre¬
dits, indem er gegen sieben Millionen Thaler den Zahlttschen der Bankiers zur
Disposition stellte, die nun im Namen des Staates gegen doppelte Hypothek,
aber ohne Zins, auf drei Jahre Geld vorschössen. Von der Zeit an, wo sich
die innern Verhältnisse des großen Römerreichs mehr cvnsolidirten, wo die
Habsucht der reich gewordenen Epigonen die alte, festgewurzelte Scheu der
Altvordern vor schnödem Gelderwerb erstickte und unzählige Summen in den
Provinzen auf hohe Zinsen ausgeliehen oder in Handelsgeschäften angelegt
wurden, fehlte es natürlich auch nicht an ungünstigen Rückschlägen von dort
nach Italien, welche mit den durch den internationalen Wechselverkehr beding¬
ten Schwankungen des Credits in jetziger Zeit verglichen werden können. So
nennt wol Cicero mit gutem Grunde die Periode Sullas "eine Zeit sehr schole-


Zum ersten Male geschah dies im Jahre 352 v. Chr., um dem ungeheuer
verschuldeten niederen Volke unter die Arme zu greifen. Fünf Staatsbeamte
prüften die Verhältnisse der Schuldner und leisteten an ihren am Hauptmarkte
errichteten Tischen gegen Sicherstellung Vorschüsse aus der Staatskasse. Der
umgekehrte Fall trat ein, als während des zweiten punischen Krieges das Aerar
selbst in die Lage kam, die aufopfernde Hilfe der Patrioten in Anspruch
zu nehmen. Damals nahm dieselbe Behörde Gold- und edles Metall in
Empfang, während ihre Schreiber die Namen in die Liste der öffentlichen
Anleihe eintrugen. Der Kaiser Augustus etablirte. später aus dem Ertrage
der confiscirten Güter der Verurtheilten eine Leihkasse, aus welcher jeder, der
für den doppelten Betrag Unterpfand stellen konnte, auf eine gewisse Zeit ge¬
liehen bekam. Diesem Vorgange folgte auch später Alexander Severus, in¬
dem er ein großes Capital zu geringen Zinsen verlieh und Armen zum An¬
kaufe von Grundstücken Gelder ohne Zinsen vorstreckte, die sie dann von dem
Ertrage derselben nach und nach wiedererstatteten. Wie sehr sich übrigens
schon zu Anfang der Kaiserzeit der Betrieb der Geldgeschäfte ^ geändert und
das Ansehen der Bankiers gesteigert hatte, zeigt sich besonders an den Mit-"
kein, welche Tiberius zur Beseitigung einer großen Geldkrisis im Jahre 32 '
n. Chr. anwendete. Es fehlte damals keineswegs an Capital; das plötzliche
Aufhören des Credits war nur eine Folge, falscher Maßregeln. Da nämlich
die Schuldner laut Uer die Härte und den Zinswucher der Kapitalisten klag¬
ten, zu denen freilich' sämmtliche Mitglieder des demoralisirten Senats gehör¬
ten, so ging man auf ein Gesetz Cäsars zurück, nach welchem niemand mehr
als 15,000 Denare (4350 Hhlr.) bnares Geld besitzen durfte, gebot den Rei¬
chern, zwei Drittheile ihres Vermögens in Ländereien anzulegen und setzte zu
diesen Veränderungen eine Frist von 18 Monaten fest. Allein die Gläubiger
kündigten nun aus Furcht alle ihre Capitalien aus; durch die Menge der
Bankerotte sank der Preis aller städtischen Besitzungen und Wohlstand und
Ehre vieler ging zu Grurrde. Da löste endlich der Kaiser die Stockung des Cre¬
dits, indem er gegen sieben Millionen Thaler den Zahlttschen der Bankiers zur
Disposition stellte, die nun im Namen des Staates gegen doppelte Hypothek,
aber ohne Zins, auf drei Jahre Geld vorschössen. Von der Zeit an, wo sich
die innern Verhältnisse des großen Römerreichs mehr cvnsolidirten, wo die
Habsucht der reich gewordenen Epigonen die alte, festgewurzelte Scheu der
Altvordern vor schnödem Gelderwerb erstickte und unzählige Summen in den
Provinzen auf hohe Zinsen ausgeliehen oder in Handelsgeschäften angelegt
wurden, fehlte es natürlich auch nicht an ungünstigen Rückschlägen von dort
nach Italien, welche mit den durch den internationalen Wechselverkehr beding¬
ten Schwankungen des Credits in jetziger Zeit verglichen werden können. So
nennt wol Cicero mit gutem Grunde die Periode Sullas „eine Zeit sehr schole-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/522>, abgerufen am 27.07.2024.