Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

löblichen Streben mich Versicherungen gegen Feuersgefcchr genügend entgegen¬
kommen. Entweder gilt es, inländische Institute mit veralteten kostspieligen
Einrichtungen durch gesetzliche Privilegien zu erhalten, oder man verschafft
durch verminderte Concurrenz auswärtigen Gesellschaften neue factische Privi¬
legien. Man will das Geld im Lande behalten, oder es ist kein Bedürfniß
zu neuen Versicherungsanstalten da. so heißt es. Als wenn mit dem Gelde
nicht auch'die Zahlungspflicht bei großen Feuersbrünsten im Lande bliebe und
so durch eine einzige abgebrannte Stadt eine Gesellschaft zahlungsunsühig
werden kann. Der erste Grundsatz jeder vernünftigen Fcuerversicherungsgesell-
schast besteht darin, nicht zu viele gleichzeitige Gefahren in allzugroßer Nähe
aneinander zu übernehmen. Nach dem mcmeler Brand fand sich, daß ein gro¬
ßer Theil der dortigen Einwohner nicht versichert war. Die dortigen BeHorden
hatten das Versicherungsfeld schon genugsam besetzt gesunden, und jede
neue Concession abgewiesen; die concessionirten, Gesellschaften dagegen waren
gar nicht Willens gewesen, ihre dortigen Nisicos zu vermehren oder die Pra-
- mien zu vermindern. Es geht doch nichts über bürokratisches Besserwissen¬
wollen! Am rührendsten ist es, wenn sich die Behörden durch das armselige
Geschenk einer guten Feuerspritze oder einiger 100 Thaler zum Besten der
Ortsarmen zu Concessionen bewegen lassen. Man kann ganz sicher sein, daß
solche Gaben von den Gebern wieder mit Zinsen eingeholt werden. Cs ist
am allerwenigsten der Beruf von Actiengesellschaften freigebig zu sein. Aber
wohlverdient wäre eine Entziehung der Concession da, wo die betreffende Gesell¬
schaft den armen Abgebrannten gegenüber das Chicauiren handwerks¬
mäßig übt, und sie durch WeMäusigt'eilen aller Art zur Empfangnahme einer
möglichst geringen Entschädigungssumme mürbe macht. Wäre in Deutschland
allgemein öffentliches Gerichtsverfahren, so würde das beiheiligte Publicum
auch ohne die Behörden solche Sünden erfahren und sich in Zukunft danach
einzurichten wissen. Leider hat aber jeder solche zur allgemeinen Kunde ge¬
langende Ehicanirungösall noch den sehr erheblichen Nachtheil, daß er das
Versichern unpopulär macht, begreiflich genug!

Wir wollen der Vollständigkeit halber noch der Vieh- und der Hagel¬
versicherungen gedenken, beides nicht grade sehr blühende Zweige des Ver-
sicherungsgeschäfts. Das Gedeihe" der Viehversicherungen lnborirt am Eigen¬
nutz und dem Unterschleife der Landleute, welche nach genommener Versicherung
das betreffende Rindvieh nicht mehr mit derselben Sorgfalt behandeln, da sie
ja für dessen Fallen durch baares Geld entschädigt werden. Noch schlimmer
werden Versicherungen des auf dem Felde wachsenden Getreides gegen Hagel¬
schlag am meisten da genommen, wo erfahrungsgemäß der meiste Hagel fällt,
am wenigsten oder gar nicht in meist'vom Hagel verschonten Gegenden. Eine
Versicherungsanstalt kann aber unmöglich gedeihen, wenn die Zahl der ent-


löblichen Streben mich Versicherungen gegen Feuersgefcchr genügend entgegen¬
kommen. Entweder gilt es, inländische Institute mit veralteten kostspieligen
Einrichtungen durch gesetzliche Privilegien zu erhalten, oder man verschafft
durch verminderte Concurrenz auswärtigen Gesellschaften neue factische Privi¬
legien. Man will das Geld im Lande behalten, oder es ist kein Bedürfniß
zu neuen Versicherungsanstalten da. so heißt es. Als wenn mit dem Gelde
nicht auch'die Zahlungspflicht bei großen Feuersbrünsten im Lande bliebe und
so durch eine einzige abgebrannte Stadt eine Gesellschaft zahlungsunsühig
werden kann. Der erste Grundsatz jeder vernünftigen Fcuerversicherungsgesell-
schast besteht darin, nicht zu viele gleichzeitige Gefahren in allzugroßer Nähe
aneinander zu übernehmen. Nach dem mcmeler Brand fand sich, daß ein gro¬
ßer Theil der dortigen Einwohner nicht versichert war. Die dortigen BeHorden
hatten das Versicherungsfeld schon genugsam besetzt gesunden, und jede
neue Concession abgewiesen; die concessionirten, Gesellschaften dagegen waren
gar nicht Willens gewesen, ihre dortigen Nisicos zu vermehren oder die Pra-
- mien zu vermindern. Es geht doch nichts über bürokratisches Besserwissen¬
wollen! Am rührendsten ist es, wenn sich die Behörden durch das armselige
Geschenk einer guten Feuerspritze oder einiger 100 Thaler zum Besten der
Ortsarmen zu Concessionen bewegen lassen. Man kann ganz sicher sein, daß
solche Gaben von den Gebern wieder mit Zinsen eingeholt werden. Cs ist
am allerwenigsten der Beruf von Actiengesellschaften freigebig zu sein. Aber
wohlverdient wäre eine Entziehung der Concession da, wo die betreffende Gesell¬
schaft den armen Abgebrannten gegenüber das Chicauiren handwerks¬
mäßig übt, und sie durch WeMäusigt'eilen aller Art zur Empfangnahme einer
möglichst geringen Entschädigungssumme mürbe macht. Wäre in Deutschland
allgemein öffentliches Gerichtsverfahren, so würde das beiheiligte Publicum
auch ohne die Behörden solche Sünden erfahren und sich in Zukunft danach
einzurichten wissen. Leider hat aber jeder solche zur allgemeinen Kunde ge¬
langende Ehicanirungösall noch den sehr erheblichen Nachtheil, daß er das
Versichern unpopulär macht, begreiflich genug!

Wir wollen der Vollständigkeit halber noch der Vieh- und der Hagel¬
versicherungen gedenken, beides nicht grade sehr blühende Zweige des Ver-
sicherungsgeschäfts. Das Gedeihe» der Viehversicherungen lnborirt am Eigen¬
nutz und dem Unterschleife der Landleute, welche nach genommener Versicherung
das betreffende Rindvieh nicht mehr mit derselben Sorgfalt behandeln, da sie
ja für dessen Fallen durch baares Geld entschädigt werden. Noch schlimmer
werden Versicherungen des auf dem Felde wachsenden Getreides gegen Hagel¬
schlag am meisten da genommen, wo erfahrungsgemäß der meiste Hagel fällt,
am wenigsten oder gar nicht in meist'vom Hagel verschonten Gegenden. Eine
Versicherungsanstalt kann aber unmöglich gedeihen, wenn die Zahl der ent-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105749"/>
            <p xml:id="ID_1228" prev="#ID_1227"> löblichen Streben mich Versicherungen gegen Feuersgefcchr genügend entgegen¬<lb/>
kommen. Entweder gilt es, inländische Institute mit veralteten kostspieligen<lb/>
Einrichtungen durch gesetzliche Privilegien zu erhalten, oder man verschafft<lb/>
durch verminderte Concurrenz auswärtigen Gesellschaften neue factische Privi¬<lb/>
legien. Man will das Geld im Lande behalten, oder es ist kein Bedürfniß<lb/>
zu neuen Versicherungsanstalten da. so heißt es. Als wenn mit dem Gelde<lb/>
nicht auch'die Zahlungspflicht bei großen Feuersbrünsten im Lande bliebe und<lb/>
so durch eine einzige abgebrannte Stadt eine Gesellschaft zahlungsunsühig<lb/>
werden kann. Der erste Grundsatz jeder vernünftigen Fcuerversicherungsgesell-<lb/>
schast besteht darin, nicht zu viele gleichzeitige Gefahren in allzugroßer Nähe<lb/>
aneinander zu übernehmen. Nach dem mcmeler Brand fand sich, daß ein gro¬<lb/>
ßer Theil der dortigen Einwohner nicht versichert war. Die dortigen BeHorden<lb/>
hatten das Versicherungsfeld schon genugsam besetzt gesunden, und jede<lb/>
neue Concession abgewiesen; die concessionirten, Gesellschaften dagegen waren<lb/>
gar nicht Willens gewesen, ihre dortigen Nisicos zu vermehren oder die Pra-<lb/>
- mien zu vermindern. Es geht doch nichts über bürokratisches Besserwissen¬<lb/>
wollen! Am rührendsten ist es, wenn sich die Behörden durch das armselige<lb/>
Geschenk einer guten Feuerspritze oder einiger 100 Thaler zum Besten der<lb/>
Ortsarmen zu Concessionen bewegen lassen. Man kann ganz sicher sein, daß<lb/>
solche Gaben von den Gebern wieder mit Zinsen eingeholt werden. Cs ist<lb/>
am allerwenigsten der Beruf von Actiengesellschaften freigebig zu sein. Aber<lb/>
wohlverdient wäre eine Entziehung der Concession da, wo die betreffende Gesell¬<lb/>
schaft den armen Abgebrannten gegenüber das Chicauiren handwerks¬<lb/>
mäßig übt, und sie durch WeMäusigt'eilen aller Art zur Empfangnahme einer<lb/>
möglichst geringen Entschädigungssumme mürbe macht. Wäre in Deutschland<lb/>
allgemein öffentliches Gerichtsverfahren, so würde das beiheiligte Publicum<lb/>
auch ohne die Behörden solche Sünden erfahren und sich in Zukunft danach<lb/>
einzurichten wissen. Leider hat aber jeder solche zur allgemeinen Kunde ge¬<lb/>
langende Ehicanirungösall noch den sehr erheblichen Nachtheil, daß er das<lb/>
Versichern unpopulär macht, begreiflich genug!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1229" next="#ID_1230"> Wir wollen der Vollständigkeit halber noch der Vieh- und der Hagel¬<lb/>
versicherungen gedenken, beides nicht grade sehr blühende Zweige des Ver-<lb/>
sicherungsgeschäfts. Das Gedeihe» der Viehversicherungen lnborirt am Eigen¬<lb/>
nutz und dem Unterschleife der Landleute, welche nach genommener Versicherung<lb/>
das betreffende Rindvieh nicht mehr mit derselben Sorgfalt behandeln, da sie<lb/>
ja für dessen Fallen durch baares Geld entschädigt werden. Noch schlimmer<lb/>
werden Versicherungen des auf dem Felde wachsenden Getreides gegen Hagel¬<lb/>
schlag am meisten da genommen, wo erfahrungsgemäß der meiste Hagel fällt,<lb/>
am wenigsten oder gar nicht in meist'vom Hagel verschonten Gegenden. Eine<lb/>
Versicherungsanstalt kann aber unmöglich gedeihen, wenn die Zahl der ent-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0472] löblichen Streben mich Versicherungen gegen Feuersgefcchr genügend entgegen¬ kommen. Entweder gilt es, inländische Institute mit veralteten kostspieligen Einrichtungen durch gesetzliche Privilegien zu erhalten, oder man verschafft durch verminderte Concurrenz auswärtigen Gesellschaften neue factische Privi¬ legien. Man will das Geld im Lande behalten, oder es ist kein Bedürfniß zu neuen Versicherungsanstalten da. so heißt es. Als wenn mit dem Gelde nicht auch'die Zahlungspflicht bei großen Feuersbrünsten im Lande bliebe und so durch eine einzige abgebrannte Stadt eine Gesellschaft zahlungsunsühig werden kann. Der erste Grundsatz jeder vernünftigen Fcuerversicherungsgesell- schast besteht darin, nicht zu viele gleichzeitige Gefahren in allzugroßer Nähe aneinander zu übernehmen. Nach dem mcmeler Brand fand sich, daß ein gro¬ ßer Theil der dortigen Einwohner nicht versichert war. Die dortigen BeHorden hatten das Versicherungsfeld schon genugsam besetzt gesunden, und jede neue Concession abgewiesen; die concessionirten, Gesellschaften dagegen waren gar nicht Willens gewesen, ihre dortigen Nisicos zu vermehren oder die Pra- - mien zu vermindern. Es geht doch nichts über bürokratisches Besserwissen¬ wollen! Am rührendsten ist es, wenn sich die Behörden durch das armselige Geschenk einer guten Feuerspritze oder einiger 100 Thaler zum Besten der Ortsarmen zu Concessionen bewegen lassen. Man kann ganz sicher sein, daß solche Gaben von den Gebern wieder mit Zinsen eingeholt werden. Cs ist am allerwenigsten der Beruf von Actiengesellschaften freigebig zu sein. Aber wohlverdient wäre eine Entziehung der Concession da, wo die betreffende Gesell¬ schaft den armen Abgebrannten gegenüber das Chicauiren handwerks¬ mäßig übt, und sie durch WeMäusigt'eilen aller Art zur Empfangnahme einer möglichst geringen Entschädigungssumme mürbe macht. Wäre in Deutschland allgemein öffentliches Gerichtsverfahren, so würde das beiheiligte Publicum auch ohne die Behörden solche Sünden erfahren und sich in Zukunft danach einzurichten wissen. Leider hat aber jeder solche zur allgemeinen Kunde ge¬ langende Ehicanirungösall noch den sehr erheblichen Nachtheil, daß er das Versichern unpopulär macht, begreiflich genug! Wir wollen der Vollständigkeit halber noch der Vieh- und der Hagel¬ versicherungen gedenken, beides nicht grade sehr blühende Zweige des Ver- sicherungsgeschäfts. Das Gedeihe» der Viehversicherungen lnborirt am Eigen¬ nutz und dem Unterschleife der Landleute, welche nach genommener Versicherung das betreffende Rindvieh nicht mehr mit derselben Sorgfalt behandeln, da sie ja für dessen Fallen durch baares Geld entschädigt werden. Noch schlimmer werden Versicherungen des auf dem Felde wachsenden Getreides gegen Hagel¬ schlag am meisten da genommen, wo erfahrungsgemäß der meiste Hagel fällt, am wenigsten oder gar nicht in meist'vom Hagel verschonten Gegenden. Eine Versicherungsanstalt kann aber unmöglich gedeihen, wenn die Zahl der ent-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/472
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/472>, abgerufen am 22.12.2024.