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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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scheuen braucht, räthlich ist, sich ihrer zu bedienen. Der Reisende sitzt darin
so gepreßt, und hat von dem Zwiebel- und Knoblauchgeruch seiner Reisegesell¬
schaft so viel zu leiden, daß es bei größern Touren unerträglich wird. Sonst
fährt man in diesen Budkas mit unglaublicher Schnelle, trotzdem daß vor den
ost mit 15 und 20 Personen beladenen Wagen nur zwei, höchstens drei kleine
magre Pferde gespannt sind.

In den Gasthöfen größerer Städte, selbst denen, wo der Wirth ein Christ
ist, trifft man jüdische Lohndiener, sogenannte Factors, die alle Austrüge der
Gäste besorgen, zugleich aber auch Wechselgeschäfte machen und dem Reisen¬
den sein etwaiges ausländisches Geld gegen inländisches umsetzen, versteht sich
von selbst, ohne sich im Geringsten nach dem Cours zu richten. Diese Leute
sind für den Reisenden eine wahre Pest, da man sich ihrer Zudringlichkeit
nur schwer erwehren kann, besonders wenn sie sehen, daß sie mit einem Aus¬
länder zu thun haben. --

Beim Verkauf schlagen die jüdischen Händler das Doppelte und Drei¬
fache des wirklichen Werthes vor, so daß jemand, der den geforderten Preis
zahlen wollte, sich nachträglich sehr betrogen sehen würde. Versteht man es
aber, mit ihnen umzugehen, so tauft man in einem jüdischen Gewölbe bedeu¬
tend billiger und meist auch besser, als in einem christlichen. -- Gegenstände,
die der jüdische Kaufmann 1 Fi. (60 Kreuzer) anschlug, läßt er schließlich
ost für 10--12 Kreuzer. Und so verfährt der Jude nicht blos bei werthvollern
Gegenständen; selbst um den Preis einer Semmel oder Bretzel muß man mit
ihm feilschen.

Die Tracht der Juden in Galizien besteht aus einem langen gewöhnlich
schwarzen Kafran, der um den Leib durch einen Gürtel zusammengehalten
wird. Die Beinkleider tragen sie in den Stiefeln und diese reichen bis an die
Kniee, den Bart lassen sie wachsen, die Haare schneiden sie kurz bis auf zwei
Locken (Beißeles), die um den Schläfen herunterhängen. Den Kopf bedeckt
für gewöhnlich ein Hut. An Feiertagen gehen sie in Kaftans von Seide und
setzen statt des Hutes eine runde Pelzmütze auf, gleichviel ob es Sommer
oder Winter ist. Diese Mützen werden Schabbcßdeckel genannt, und sind oft
von großem Werth. Die Verheiratheten haben sie mit dunklerem, die Unver-
heiratheten mit hellerem Pelz besetzt. Die Tracht der jüdischen Frauen ist nicht
wesentlich verschieden von der Tracht der Christinnen. Die alten Jüdinnen
tragen kleine hübsch geformte, mit Goldflittern beraste Netzhäubchen, die aber
meist sehr schmuzig und alt sind. An Feiertagen kommt noch eine Stirnbinde
dazu, deren man äußerst merthvolle mit Perlen und Edelsteinen besetzte findet,
im Werth von mehren tausend Gulden. Ueberhaupt gefallen sich die Jüdin¬
nen dczrin, an Festtagen so viel als möglich sich mit Gold und Juwelen zu
überladen, um ihren Reichthum zu zeigen.


scheuen braucht, räthlich ist, sich ihrer zu bedienen. Der Reisende sitzt darin
so gepreßt, und hat von dem Zwiebel- und Knoblauchgeruch seiner Reisegesell¬
schaft so viel zu leiden, daß es bei größern Touren unerträglich wird. Sonst
fährt man in diesen Budkas mit unglaublicher Schnelle, trotzdem daß vor den
ost mit 15 und 20 Personen beladenen Wagen nur zwei, höchstens drei kleine
magre Pferde gespannt sind.

In den Gasthöfen größerer Städte, selbst denen, wo der Wirth ein Christ
ist, trifft man jüdische Lohndiener, sogenannte Factors, die alle Austrüge der
Gäste besorgen, zugleich aber auch Wechselgeschäfte machen und dem Reisen¬
den sein etwaiges ausländisches Geld gegen inländisches umsetzen, versteht sich
von selbst, ohne sich im Geringsten nach dem Cours zu richten. Diese Leute
sind für den Reisenden eine wahre Pest, da man sich ihrer Zudringlichkeit
nur schwer erwehren kann, besonders wenn sie sehen, daß sie mit einem Aus¬
länder zu thun haben. —

Beim Verkauf schlagen die jüdischen Händler das Doppelte und Drei¬
fache des wirklichen Werthes vor, so daß jemand, der den geforderten Preis
zahlen wollte, sich nachträglich sehr betrogen sehen würde. Versteht man es
aber, mit ihnen umzugehen, so tauft man in einem jüdischen Gewölbe bedeu¬
tend billiger und meist auch besser, als in einem christlichen. — Gegenstände,
die der jüdische Kaufmann 1 Fi. (60 Kreuzer) anschlug, läßt er schließlich
ost für 10—12 Kreuzer. Und so verfährt der Jude nicht blos bei werthvollern
Gegenständen; selbst um den Preis einer Semmel oder Bretzel muß man mit
ihm feilschen.

Die Tracht der Juden in Galizien besteht aus einem langen gewöhnlich
schwarzen Kafran, der um den Leib durch einen Gürtel zusammengehalten
wird. Die Beinkleider tragen sie in den Stiefeln und diese reichen bis an die
Kniee, den Bart lassen sie wachsen, die Haare schneiden sie kurz bis auf zwei
Locken (Beißeles), die um den Schläfen herunterhängen. Den Kopf bedeckt
für gewöhnlich ein Hut. An Feiertagen gehen sie in Kaftans von Seide und
setzen statt des Hutes eine runde Pelzmütze auf, gleichviel ob es Sommer
oder Winter ist. Diese Mützen werden Schabbcßdeckel genannt, und sind oft
von großem Werth. Die Verheiratheten haben sie mit dunklerem, die Unver-
heiratheten mit hellerem Pelz besetzt. Die Tracht der jüdischen Frauen ist nicht
wesentlich verschieden von der Tracht der Christinnen. Die alten Jüdinnen
tragen kleine hübsch geformte, mit Goldflittern beraste Netzhäubchen, die aber
meist sehr schmuzig und alt sind. An Feiertagen kommt noch eine Stirnbinde
dazu, deren man äußerst merthvolle mit Perlen und Edelsteinen besetzte findet,
im Werth von mehren tausend Gulden. Ueberhaupt gefallen sich die Jüdin¬
nen dczrin, an Festtagen so viel als möglich sich mit Gold und Juwelen zu
überladen, um ihren Reichthum zu zeigen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/442>, abgerufen am 28.07.2024.