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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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größten Thorheiten, da die Jüdinnen durchgehends schönes volles Haar haben,
und jene Perücken überdies gewöhnlich blos von Seide sind. An jedem
Pfosten der Hans- oder Stubenthür, wo Jsraeliten wohnen, haben sie einen
Zettel schief befestigt, auf dem einige Worte des Talmud geschrieben stehen;
sollte dieser durch Zufall oder Muthwillen abgerissen worden sein, so muß er
gleich durch einen andern ersetzt werden, da nach ihrem Glauben außerdem
ein großes Unglück sie und ihr Haus träfe. Die Rabbiner, deren es in jeder
Stadt einen gibt, erfreuen sich der größten Achtung. In Galizien empfangen
selbe ihre Besoldung vom Staat, während sie in Großpvlen von der betreffen¬
den jüdischen Gemeinde unterhalten werden müssen. Doch treiben die meisten
Rabbiner noch überdies Handel oder andere Geschäfte. Außer ihren geistlichen
Funktionen bekleiden sie noch eine Art richterliches Amt, da Streitigkeiten
unter Jsraeliten selbst selten oder nie einem Advocaten oder Gericht übergeben,
sondern durch den Rabbiner geschlichtet werden, dessen Ausspruch als entschei¬
dend angesehen wird und dem sie sich ohne Widerrede fügen. Studirt haben
die Rabbiner nicht, wenigstens nicht in der Bedeutung, wie wir sie damit
verknüpfen, es gibt aber in Lemberg, Warschau und Krakau Seminare zur
Ausbildung jüdischer Geistlichen und man findet unter ihnen Leute von gedie¬
genen Kenntnissen.

Ein Hauptvorwurf, den man den Jsraeliten macht, ist der. daß sie sich
fast ausschließlich mit Handel beschäftigen und da nicht häusig als solide Ge¬
schäftsleute befunden werden. Es ist dies aber ziemlich der einzige einträg¬
liche und zu einer angenehmen Stellung führende Erwerbszweig, der ihnen
offen steht, da Juden der Zutritt zu allen öffentlichen Aemtern verschlossen
bleibt. Selbst Apotheker darf kein Jude werden. Jura und Medicin können
sie allerdings studiren. Bei ersterer Laufbahn jedoch haben sie sich auf die
Advocatur zu beschränken, und als Mediciner sind sie ebenfalls auf ein sehr
ungewisses Einkommen angewiesen, da Christen sich im Allgemeinen ungern
eines jüdischen Arztes bedienen, und Jsraeliten nur im äußersten Nothfall zum
Arzt ihre Zuflucht nehmen. Wucher-, Bankier- und überhaupt Geldgeschäfte,
Schmuggel, Trödel und Handel mit allen erdenklichen Dingen sind die vor¬
züglichsten Nahrungszweige der Juden. Endlich sind alle Gasthäuser an den
Straßen, in den Dörfern und Städten in ihren Händen. Ausnahmen davon
gibt es höchstens in größern Städten, wo einige der bedeutendern Hotels in
Händen von Christen sind. Die Juden können als die eigentliche Seele des
Landes angesehen werden. Sobald jüdische Feiertage sind, ist es unmöglich,
auch nur das Geringste zu kaufen. Fällt zufällig ein Markttag mit einem
jüdischen Feiertage zusammen, so muß er verlegt werden, denn ohne die Ju¬
den ist kein Markt denkbar. Handwerke betreiben im Verhältniß zur Anzahl
nur sehr wenige. Zur Bearbeitung des Feldbaues zeigen sie geringe Neigung,


größten Thorheiten, da die Jüdinnen durchgehends schönes volles Haar haben,
und jene Perücken überdies gewöhnlich blos von Seide sind. An jedem
Pfosten der Hans- oder Stubenthür, wo Jsraeliten wohnen, haben sie einen
Zettel schief befestigt, auf dem einige Worte des Talmud geschrieben stehen;
sollte dieser durch Zufall oder Muthwillen abgerissen worden sein, so muß er
gleich durch einen andern ersetzt werden, da nach ihrem Glauben außerdem
ein großes Unglück sie und ihr Haus träfe. Die Rabbiner, deren es in jeder
Stadt einen gibt, erfreuen sich der größten Achtung. In Galizien empfangen
selbe ihre Besoldung vom Staat, während sie in Großpvlen von der betreffen¬
den jüdischen Gemeinde unterhalten werden müssen. Doch treiben die meisten
Rabbiner noch überdies Handel oder andere Geschäfte. Außer ihren geistlichen
Funktionen bekleiden sie noch eine Art richterliches Amt, da Streitigkeiten
unter Jsraeliten selbst selten oder nie einem Advocaten oder Gericht übergeben,
sondern durch den Rabbiner geschlichtet werden, dessen Ausspruch als entschei¬
dend angesehen wird und dem sie sich ohne Widerrede fügen. Studirt haben
die Rabbiner nicht, wenigstens nicht in der Bedeutung, wie wir sie damit
verknüpfen, es gibt aber in Lemberg, Warschau und Krakau Seminare zur
Ausbildung jüdischer Geistlichen und man findet unter ihnen Leute von gedie¬
genen Kenntnissen.

Ein Hauptvorwurf, den man den Jsraeliten macht, ist der. daß sie sich
fast ausschließlich mit Handel beschäftigen und da nicht häusig als solide Ge¬
schäftsleute befunden werden. Es ist dies aber ziemlich der einzige einträg¬
liche und zu einer angenehmen Stellung führende Erwerbszweig, der ihnen
offen steht, da Juden der Zutritt zu allen öffentlichen Aemtern verschlossen
bleibt. Selbst Apotheker darf kein Jude werden. Jura und Medicin können
sie allerdings studiren. Bei ersterer Laufbahn jedoch haben sie sich auf die
Advocatur zu beschränken, und als Mediciner sind sie ebenfalls auf ein sehr
ungewisses Einkommen angewiesen, da Christen sich im Allgemeinen ungern
eines jüdischen Arztes bedienen, und Jsraeliten nur im äußersten Nothfall zum
Arzt ihre Zuflucht nehmen. Wucher-, Bankier- und überhaupt Geldgeschäfte,
Schmuggel, Trödel und Handel mit allen erdenklichen Dingen sind die vor¬
züglichsten Nahrungszweige der Juden. Endlich sind alle Gasthäuser an den
Straßen, in den Dörfern und Städten in ihren Händen. Ausnahmen davon
gibt es höchstens in größern Städten, wo einige der bedeutendern Hotels in
Händen von Christen sind. Die Juden können als die eigentliche Seele des
Landes angesehen werden. Sobald jüdische Feiertage sind, ist es unmöglich,
auch nur das Geringste zu kaufen. Fällt zufällig ein Markttag mit einem
jüdischen Feiertage zusammen, so muß er verlegt werden, denn ohne die Ju¬
den ist kein Markt denkbar. Handwerke betreiben im Verhältniß zur Anzahl
nur sehr wenige. Zur Bearbeitung des Feldbaues zeigen sie geringe Neigung,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/440>, abgerufen am 28.07.2024.