Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.hatte, von kriegerischer Tüchtigkeit, Vertretung der höchsten Forderungen in Staat In der That war der niedere Adel, -- als Stand betrachtet, -- seit der Hohen¬ hatte, von kriegerischer Tüchtigkeit, Vertretung der höchsten Forderungen in Staat In der That war der niedere Adel, — als Stand betrachtet, — seit der Hohen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105666"/> <p xml:id="ID_1014" prev="#ID_1013"> hatte, von kriegerischer Tüchtigkeit, Vertretung der höchsten Forderungen in Staat<lb/> und Kirche und männlicher Vertretung der Interessen des Grundbesitzes nach<lb/> oben. Aber befremdlich wird selbst dem flüchtigen Blick, daß diesen kräftigen<lb/> Männern aus eine lange Folgezeit, bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts,<lb/> in ihren Standesgenossen keine Nachfolge heranwächst, und daß die drei Mit¬<lb/> glieder der süddeutschen Ritterschaft in Feldhcrrnkraft, Begeisterung und politischer<lb/> Combinationsgabe mehr als ein Jahrhundert lang fast allein stehen. Bon<lb/> Fronsperg an bis auf den böhmischen Junker Albrecht Waldstein und den wilden<lb/> Neiterführer Pappenheim, hat das große Deutschland keinen adligen Feld¬<lb/> herrn von irgend welcher Tüchtigkeit hervorgebracht. Es sind einige Banden¬<lb/> führer von bürgerlichem Herkommen, wie Schärtlin einige deutsche Fürsten<lb/> mit mehr Prätension als'Geschick, in der großen Mehrzahl Spanier und<lb/> Welsche, welchen die Familie Kaiser Karl V. und ihre Gegner die werth¬<lb/> vollsten Siege zu danken haben. Für das geistige Leben Deutschlands<lb/> geschah seit Hütten durch den Adel noch weniger. Die lange Reihe<lb/> der Reformatoren, Gelehrten. Dichter. Baumeister, bildenden Künstler,<lb/> wie arm an adligen Namen! Eine Leere, welche noch im 17. Jahrh, kaum<lb/> durch den Verfasser des Simplicissimus, durch Logan, und wenige adlige Rei¬<lb/> mer der schlesischen Dichterschule lind des sächsischen Hofes unterbrochen<lb/> wird! Man darf wol fragen, wie'es kommt, daß ein Stand, der an Individuen<lb/> so reich war und in einer merkwürdig bevorzugten Stellung zum Volke stand,<lb/> so wenig in den großen Gebieten geleistet hat, sür deren Hauptvertreter der<lb/> Adel schon zur Hohenstaufenzeit galt, lind sieht man näher zu, ob diese<lb/> Untüchtigkeit vielleicht durch um so größere Anstrengungen für die praktischen<lb/> Richtungen des Volkslebens aufgewogen war, so wird die trostlose Entdeckung<lb/> nicht schwer sein, daß Ackerbau. Handwerk, Industrie, Handel durch mehre Jahr¬<lb/> hunderte Zeit im Adel ihren größten Feind hatten. Auch das wohlwollendste Urtheil<lb/> würde schwer finden, dem Adel des 15. ni. und des halben 17. Jahrhunderts<lb/> irgend einen wohlthätigen Einfluß aus eine der großen Strömungen deutschen<lb/> Lebens zuzuschreiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1015" next="#ID_1016"> In der That war der niedere Adel, — als Stand betrachtet, — seit der Hohen¬<lb/> staufenzeit ein Unglück und ein Verhängniß sür Deutschland. Er war es, wie<lb/> jeder privilegirte Stand in jedem Volke undzu allen Zeiten, ein Hinderniß allseitig<lb/> kräftiger Entwickelung geworden ist. Seit im Anfang des 13. Jahrh, der Unter¬<lb/> schied zwischen Edlen und Freien durch Gesetze, durch die Interessen und ge¬<lb/> müthliche» Neigungen der Kaiser und durch das Schlimmste von allem, den<lb/> beschränkten Idealismus, der sich innerhalb des adligen Standes ausbildete, fixirt<lb/> worden war. verfiel der Adel unaufhaltsam. Zwar in den Städten war die alte<lb/> Herrschaft der privilegirten Freien in der letzten Zeit des Mittelalters gebrochen<lb/> worden, dort hatte sich trotz aller Hindernisse ein gesünderer Kreislauf der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
hatte, von kriegerischer Tüchtigkeit, Vertretung der höchsten Forderungen in Staat
und Kirche und männlicher Vertretung der Interessen des Grundbesitzes nach
oben. Aber befremdlich wird selbst dem flüchtigen Blick, daß diesen kräftigen
Männern aus eine lange Folgezeit, bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts,
in ihren Standesgenossen keine Nachfolge heranwächst, und daß die drei Mit¬
glieder der süddeutschen Ritterschaft in Feldhcrrnkraft, Begeisterung und politischer
Combinationsgabe mehr als ein Jahrhundert lang fast allein stehen. Bon
Fronsperg an bis auf den böhmischen Junker Albrecht Waldstein und den wilden
Neiterführer Pappenheim, hat das große Deutschland keinen adligen Feld¬
herrn von irgend welcher Tüchtigkeit hervorgebracht. Es sind einige Banden¬
führer von bürgerlichem Herkommen, wie Schärtlin einige deutsche Fürsten
mit mehr Prätension als'Geschick, in der großen Mehrzahl Spanier und
Welsche, welchen die Familie Kaiser Karl V. und ihre Gegner die werth¬
vollsten Siege zu danken haben. Für das geistige Leben Deutschlands
geschah seit Hütten durch den Adel noch weniger. Die lange Reihe
der Reformatoren, Gelehrten. Dichter. Baumeister, bildenden Künstler,
wie arm an adligen Namen! Eine Leere, welche noch im 17. Jahrh, kaum
durch den Verfasser des Simplicissimus, durch Logan, und wenige adlige Rei¬
mer der schlesischen Dichterschule lind des sächsischen Hofes unterbrochen
wird! Man darf wol fragen, wie'es kommt, daß ein Stand, der an Individuen
so reich war und in einer merkwürdig bevorzugten Stellung zum Volke stand,
so wenig in den großen Gebieten geleistet hat, sür deren Hauptvertreter der
Adel schon zur Hohenstaufenzeit galt, lind sieht man näher zu, ob diese
Untüchtigkeit vielleicht durch um so größere Anstrengungen für die praktischen
Richtungen des Volkslebens aufgewogen war, so wird die trostlose Entdeckung
nicht schwer sein, daß Ackerbau. Handwerk, Industrie, Handel durch mehre Jahr¬
hunderte Zeit im Adel ihren größten Feind hatten. Auch das wohlwollendste Urtheil
würde schwer finden, dem Adel des 15. ni. und des halben 17. Jahrhunderts
irgend einen wohlthätigen Einfluß aus eine der großen Strömungen deutschen
Lebens zuzuschreiben.
In der That war der niedere Adel, — als Stand betrachtet, — seit der Hohen¬
staufenzeit ein Unglück und ein Verhängniß sür Deutschland. Er war es, wie
jeder privilegirte Stand in jedem Volke undzu allen Zeiten, ein Hinderniß allseitig
kräftiger Entwickelung geworden ist. Seit im Anfang des 13. Jahrh, der Unter¬
schied zwischen Edlen und Freien durch Gesetze, durch die Interessen und ge¬
müthliche» Neigungen der Kaiser und durch das Schlimmste von allem, den
beschränkten Idealismus, der sich innerhalb des adligen Standes ausbildete, fixirt
worden war. verfiel der Adel unaufhaltsam. Zwar in den Städten war die alte
Herrschaft der privilegirten Freien in der letzten Zeit des Mittelalters gebrochen
worden, dort hatte sich trotz aller Hindernisse ein gesünderer Kreislauf der
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