Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Alle diese Interessen "können beim Schadenersap nebeneinandergehcn, sie
können aber auch in Collision miteinander gerathen. Nur ein einziges Inter¬
esse am Schiffe und dessen glücklicher Fahrt ist nach allen Gesetzen nicht ver-
sichervar. der Dienstlohn, (die "Heuer") des Schiffsvolks, Man will da¬
durch offenbar ihr Interesse so eng als möglich an das Schiff knüpfen.
Während die, welche nicht mit im Schiffe sind, bei dessen Untergang
Schadenansprüche der ausgedehntesten Art erheben können, sollen die el-,
gemeuchelt Hüter des Schiffs in diesem Falle ganz leer ausgehen, höchstens
daß sie ihre "Heuer" bis zum Tage des Untergangs berechnet erhalten -- gewiß
eine eigenthümliche Art der Nöthigung zu besonderer Aufmerksamkeit.

Die Hauptveranlassung zu den Kollisionen derer, die in demselben Schiffe
Versicherung genommen haben, ist die ganz abweichende Art der Nnglücks-
fcille und sonstiger Schäden, welche ein Schiff auf der hohen See treffen
können. Zuerst der gewöhnliche Schade durch Abnutzung des Schiffs und dessen
Utenstlien (meist "kleine Havarie" genannt), die jedoch nicht vergütet wird, da
sie sich in ganz regelmäßigem Verlauf der Dinge stets ereignen muß und ihr
der ebenso regelmäßig aus dein Schiffe zu erzielende Frachtgewinn gegenüber¬
steht. Ein Schiff hat außer Klippen und Stürmen noch andere gewaltige
Feinde, die Abreibung in der Bewegung, die chemisch wirkende Kraft mancher
im Wasser enthaltener Bestandtheile, Meeresthiere u, s. w., und ist sein Da¬
sein daher im natürlichen Verlauf der Dinge ziemlich eng begrenzt, auf einen
Durchschnitt von etwa zehn Jahren. Die Rentabilität eines Schiffs muß
also darauf berechnet werden, daß auf jedes dieser zehn Jahre womöglich
mindestens der entsprechende Theil von Capital und Zins und außerdem
natürlich noch ein Gewinnantheil fällt. Da Schiffe zum Werth von 6et bis
100,000 Thlr. und weit darüber heutzutage grade keine Seltenheit sind, da
ferner die Instandhaltung eines Schiffs oft ganz enorme Kosten verursacht,
auch fortwährend Gage und Heuer zu bezahlen sind, und noch manche andere
bedeutende Unkosten hinzutreten, so kann man sich einen ungefähren Begriff da¬
von machen, wie viel dazu gehört, ehe eine Rhederei als einträglich bezeich¬
net werden kann. Dabei ist noch zu bedenken, daß der Hauptverdienst eines
Schiffes in die ersten Jahre seiner Existenz fallen muß, weil es dann nach
allen Beziehungen am seetüchtigsten ist. Und doch kommt es bei günstigen
Conjuneturen und unter sachverständiger Leitung nicht grade sehr selten vor,
daß ein Schiff sich in den ersten Jahren "frei" fährt d. h. bereits sämmtliche
Kosten nebst Zinsen deckt, so daß jeder weitere Frachtverdicnst als reiner Ge¬
winn angesehen werden kann. Andere Rhedereien dagegen arbeiten fast fort¬
während mit Verlust und wird derselbe dann durch andere Vortheile, im
Schiffsbau und im Handelsverkehr ausgeglichen.

Von dem Schaden durch Abnutzung muß man nun den durch wirkliche


Alle diese Interessen «können beim Schadenersap nebeneinandergehcn, sie
können aber auch in Collision miteinander gerathen. Nur ein einziges Inter¬
esse am Schiffe und dessen glücklicher Fahrt ist nach allen Gesetzen nicht ver-
sichervar. der Dienstlohn, (die „Heuer") des Schiffsvolks, Man will da¬
durch offenbar ihr Interesse so eng als möglich an das Schiff knüpfen.
Während die, welche nicht mit im Schiffe sind, bei dessen Untergang
Schadenansprüche der ausgedehntesten Art erheben können, sollen die el-,
gemeuchelt Hüter des Schiffs in diesem Falle ganz leer ausgehen, höchstens
daß sie ihre „Heuer" bis zum Tage des Untergangs berechnet erhalten — gewiß
eine eigenthümliche Art der Nöthigung zu besonderer Aufmerksamkeit.

Die Hauptveranlassung zu den Kollisionen derer, die in demselben Schiffe
Versicherung genommen haben, ist die ganz abweichende Art der Nnglücks-
fcille und sonstiger Schäden, welche ein Schiff auf der hohen See treffen
können. Zuerst der gewöhnliche Schade durch Abnutzung des Schiffs und dessen
Utenstlien (meist „kleine Havarie" genannt), die jedoch nicht vergütet wird, da
sie sich in ganz regelmäßigem Verlauf der Dinge stets ereignen muß und ihr
der ebenso regelmäßig aus dein Schiffe zu erzielende Frachtgewinn gegenüber¬
steht. Ein Schiff hat außer Klippen und Stürmen noch andere gewaltige
Feinde, die Abreibung in der Bewegung, die chemisch wirkende Kraft mancher
im Wasser enthaltener Bestandtheile, Meeresthiere u, s. w., und ist sein Da¬
sein daher im natürlichen Verlauf der Dinge ziemlich eng begrenzt, auf einen
Durchschnitt von etwa zehn Jahren. Die Rentabilität eines Schiffs muß
also darauf berechnet werden, daß auf jedes dieser zehn Jahre womöglich
mindestens der entsprechende Theil von Capital und Zins und außerdem
natürlich noch ein Gewinnantheil fällt. Da Schiffe zum Werth von 6et bis
100,000 Thlr. und weit darüber heutzutage grade keine Seltenheit sind, da
ferner die Instandhaltung eines Schiffs oft ganz enorme Kosten verursacht,
auch fortwährend Gage und Heuer zu bezahlen sind, und noch manche andere
bedeutende Unkosten hinzutreten, so kann man sich einen ungefähren Begriff da¬
von machen, wie viel dazu gehört, ehe eine Rhederei als einträglich bezeich¬
net werden kann. Dabei ist noch zu bedenken, daß der Hauptverdienst eines
Schiffes in die ersten Jahre seiner Existenz fallen muß, weil es dann nach
allen Beziehungen am seetüchtigsten ist. Und doch kommt es bei günstigen
Conjuneturen und unter sachverständiger Leitung nicht grade sehr selten vor,
daß ein Schiff sich in den ersten Jahren „frei" fährt d. h. bereits sämmtliche
Kosten nebst Zinsen deckt, so daß jeder weitere Frachtverdicnst als reiner Ge¬
winn angesehen werden kann. Andere Rhedereien dagegen arbeiten fast fort¬
während mit Verlust und wird derselbe dann durch andere Vortheile, im
Schiffsbau und im Handelsverkehr ausgeglichen.

Von dem Schaden durch Abnutzung muß man nun den durch wirkliche


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105660"/>
            <p xml:id="ID_998" prev="#ID_997"> Alle diese Interessen «können beim Schadenersap nebeneinandergehcn, sie<lb/>
können aber auch in Collision miteinander gerathen. Nur ein einziges Inter¬<lb/>
esse am Schiffe und dessen glücklicher Fahrt ist nach allen Gesetzen nicht ver-<lb/>
sichervar. der Dienstlohn, (die &#x201E;Heuer") des Schiffsvolks, Man will da¬<lb/>
durch offenbar ihr Interesse so eng als möglich an das Schiff knüpfen.<lb/>
Während die, welche nicht mit im Schiffe sind, bei dessen Untergang<lb/>
Schadenansprüche der ausgedehntesten Art erheben können, sollen die el-,<lb/>
gemeuchelt Hüter des Schiffs in diesem Falle ganz leer ausgehen, höchstens<lb/>
daß sie ihre &#x201E;Heuer" bis zum Tage des Untergangs berechnet erhalten &#x2014; gewiß<lb/>
eine eigenthümliche Art der Nöthigung zu besonderer Aufmerksamkeit.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_999"> Die Hauptveranlassung zu den Kollisionen derer, die in demselben Schiffe<lb/>
Versicherung genommen haben, ist die ganz abweichende Art der Nnglücks-<lb/>
fcille und sonstiger Schäden, welche ein Schiff auf der hohen See treffen<lb/>
können. Zuerst der gewöhnliche Schade durch Abnutzung des Schiffs und dessen<lb/>
Utenstlien (meist &#x201E;kleine Havarie" genannt), die jedoch nicht vergütet wird, da<lb/>
sie sich in ganz regelmäßigem Verlauf der Dinge stets ereignen muß und ihr<lb/>
der ebenso regelmäßig aus dein Schiffe zu erzielende Frachtgewinn gegenüber¬<lb/>
steht. Ein Schiff hat außer Klippen und Stürmen noch andere gewaltige<lb/>
Feinde, die Abreibung in der Bewegung, die chemisch wirkende Kraft mancher<lb/>
im Wasser enthaltener Bestandtheile, Meeresthiere u, s. w., und ist sein Da¬<lb/>
sein daher im natürlichen Verlauf der Dinge ziemlich eng begrenzt, auf einen<lb/>
Durchschnitt von etwa zehn Jahren. Die Rentabilität eines Schiffs muß<lb/>
also darauf berechnet werden, daß auf jedes dieser zehn Jahre womöglich<lb/>
mindestens der entsprechende Theil von Capital und Zins und außerdem<lb/>
natürlich noch ein Gewinnantheil fällt. Da Schiffe zum Werth von 6et bis<lb/>
100,000 Thlr. und weit darüber heutzutage grade keine Seltenheit sind, da<lb/>
ferner die Instandhaltung eines Schiffs oft ganz enorme Kosten verursacht,<lb/>
auch fortwährend Gage und Heuer zu bezahlen sind, und noch manche andere<lb/>
bedeutende Unkosten hinzutreten, so kann man sich einen ungefähren Begriff da¬<lb/>
von machen, wie viel dazu gehört, ehe eine Rhederei als einträglich bezeich¬<lb/>
net werden kann. Dabei ist noch zu bedenken, daß der Hauptverdienst eines<lb/>
Schiffes in die ersten Jahre seiner Existenz fallen muß, weil es dann nach<lb/>
allen Beziehungen am seetüchtigsten ist. Und doch kommt es bei günstigen<lb/>
Conjuneturen und unter sachverständiger Leitung nicht grade sehr selten vor,<lb/>
daß ein Schiff sich in den ersten Jahren &#x201E;frei" fährt d. h. bereits sämmtliche<lb/>
Kosten nebst Zinsen deckt, so daß jeder weitere Frachtverdicnst als reiner Ge¬<lb/>
winn angesehen werden kann. Andere Rhedereien dagegen arbeiten fast fort¬<lb/>
während mit Verlust und wird derselbe dann durch andere Vortheile, im<lb/>
Schiffsbau und im Handelsverkehr ausgeglichen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1000" next="#ID_1001"> Von dem Schaden durch Abnutzung muß man nun den durch wirkliche</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0383] Alle diese Interessen «können beim Schadenersap nebeneinandergehcn, sie können aber auch in Collision miteinander gerathen. Nur ein einziges Inter¬ esse am Schiffe und dessen glücklicher Fahrt ist nach allen Gesetzen nicht ver- sichervar. der Dienstlohn, (die „Heuer") des Schiffsvolks, Man will da¬ durch offenbar ihr Interesse so eng als möglich an das Schiff knüpfen. Während die, welche nicht mit im Schiffe sind, bei dessen Untergang Schadenansprüche der ausgedehntesten Art erheben können, sollen die el-, gemeuchelt Hüter des Schiffs in diesem Falle ganz leer ausgehen, höchstens daß sie ihre „Heuer" bis zum Tage des Untergangs berechnet erhalten — gewiß eine eigenthümliche Art der Nöthigung zu besonderer Aufmerksamkeit. Die Hauptveranlassung zu den Kollisionen derer, die in demselben Schiffe Versicherung genommen haben, ist die ganz abweichende Art der Nnglücks- fcille und sonstiger Schäden, welche ein Schiff auf der hohen See treffen können. Zuerst der gewöhnliche Schade durch Abnutzung des Schiffs und dessen Utenstlien (meist „kleine Havarie" genannt), die jedoch nicht vergütet wird, da sie sich in ganz regelmäßigem Verlauf der Dinge stets ereignen muß und ihr der ebenso regelmäßig aus dein Schiffe zu erzielende Frachtgewinn gegenüber¬ steht. Ein Schiff hat außer Klippen und Stürmen noch andere gewaltige Feinde, die Abreibung in der Bewegung, die chemisch wirkende Kraft mancher im Wasser enthaltener Bestandtheile, Meeresthiere u, s. w., und ist sein Da¬ sein daher im natürlichen Verlauf der Dinge ziemlich eng begrenzt, auf einen Durchschnitt von etwa zehn Jahren. Die Rentabilität eines Schiffs muß also darauf berechnet werden, daß auf jedes dieser zehn Jahre womöglich mindestens der entsprechende Theil von Capital und Zins und außerdem natürlich noch ein Gewinnantheil fällt. Da Schiffe zum Werth von 6et bis 100,000 Thlr. und weit darüber heutzutage grade keine Seltenheit sind, da ferner die Instandhaltung eines Schiffs oft ganz enorme Kosten verursacht, auch fortwährend Gage und Heuer zu bezahlen sind, und noch manche andere bedeutende Unkosten hinzutreten, so kann man sich einen ungefähren Begriff da¬ von machen, wie viel dazu gehört, ehe eine Rhederei als einträglich bezeich¬ net werden kann. Dabei ist noch zu bedenken, daß der Hauptverdienst eines Schiffes in die ersten Jahre seiner Existenz fallen muß, weil es dann nach allen Beziehungen am seetüchtigsten ist. Und doch kommt es bei günstigen Conjuneturen und unter sachverständiger Leitung nicht grade sehr selten vor, daß ein Schiff sich in den ersten Jahren „frei" fährt d. h. bereits sämmtliche Kosten nebst Zinsen deckt, so daß jeder weitere Frachtverdicnst als reiner Ge¬ winn angesehen werden kann. Andere Rhedereien dagegen arbeiten fast fort¬ während mit Verlust und wird derselbe dann durch andere Vortheile, im Schiffsbau und im Handelsverkehr ausgeglichen. Von dem Schaden durch Abnutzung muß man nun den durch wirkliche

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/383
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/383>, abgerufen am 28.07.2024.