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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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mag, deren durchgreifende Bedeutung für den Verkehr aber in ihrem geräuschlasen
Sinn nicht allen zum Bewußtsein gekommen sein wird. Wir sagen ganz ge¬
wiß nicht zu viel, wenn wir an das Vorhandensein der Versicherungen aus¬
schließlich die Möglichkeit eines geregelten und sichern Verkehrs anknüpfen.
Aller Großhandel, fast aller vernünftig gewährte Credit beruht auf den Ver¬
sicherungen. Zur Begründung dieses allgemeinen Satzes diene nur die Be¬
merkung, daß ohne die Versicherungen die meisten größern kaufmännischen
Unternehmungen den Gefahren jeden Zufalls Preis gegeben, also von vorn¬
herein vielleicht unmöglich wären. Nicht der regelmäßige Gewinn und das
regelmäßige Geschäft, sondern nur das Wetten und Wagen, heute der unge¬
heure Reichthum, morgen der jähe Sturz, das war der nothwendige Charakter
des Geschäfts, als man die Versicherungen noch nicht kannte. Don Antonio,
der die Sicherheit seines Vermögens darin sucht, daß er seine Unternehmungen
nicht einem einzigen Schisse anvertraut hat und so ohne alle Gefahr Shylocks
Schuldner werden zu können glaubt, sieht sich in der Erwartung, daß nicht
alle Ladungen untergehen, betrogen, und ist nun nahe daran, dem Messer zu
verfallen. Die Engländer nannten im 14. und 15, Jahrhundert ihre ins Aus¬
land handelnden Kaufleute merelmntL Ällventurers.

Es ist grade der.Zweig der Seeversicherungen, deren Wesen und Ein¬
fluß am wenigsten bekannt ist, und welche doch den gesammten Großhandels¬
betrieb beherrschen, den wir der Bekanntschaft unserer Leser etwas näher
vermitteln wollen. Nicht um sie in einen Betrieb einzuweihen, dessen technische
Schwierigkeiten der Art sind, daß die andauerndste Theorie und Erfahrung sie
lange noch nicht überwunden haben, sondern um ihnen den allgemeinen, dabei
vorherrschenden Gedankengang zu vermitteln. Das Gebäude, das wir hier
vorführen werden, ist so durch und durch kunstvoll, mit so steter Berücksichtigung
des Ganzen und des Einzelnen gearbeitet, die Interessen, die sich daran
knüpfen, sind so ungeheure, daß es vielleicht kaum einer Entschuldigung bedarf,
wenn wir etwas näher darauf eingehen. Eher dürfte es zweifelhaft e sein, ob
wir zur Lösung unsrer Aufgabe, die klare Darstellung aller wichtigen Punkte,
um die es sich handelt und deren Ineinandergreifen, gelangen werden.

Man muß sich zuerst des Gedankens, einer mehr als oberflächlichen Ähn¬
lichkeit mit den bekanntem Feuer-, Hagel-, Viel)-, Lebensversicherungen u. s. w.
entschlagen. In all diesen Fällen, mit etwaiger Ausnahme der Lebens¬
versicherungen, liegen die Verhältnisse im Allgemeinen außerordentlich einfach.
Wir kommen darauf zurück und können im Wesentlichen auf das in der Ueber¬
schrift bezeichnete Buch verweisen. Masius gehört zu den gründlichsten Ken¬
nern des Versicherungswesens auf dem festen Lande;, die Seeversicherungen
schlagen dagegen schon weniger in sein Fach, wie er diese denn anch in dem Buche
mit auffallender Kürze behandelt hat. Dasselbe ist auch vorzugsweise sür


mag, deren durchgreifende Bedeutung für den Verkehr aber in ihrem geräuschlasen
Sinn nicht allen zum Bewußtsein gekommen sein wird. Wir sagen ganz ge¬
wiß nicht zu viel, wenn wir an das Vorhandensein der Versicherungen aus¬
schließlich die Möglichkeit eines geregelten und sichern Verkehrs anknüpfen.
Aller Großhandel, fast aller vernünftig gewährte Credit beruht auf den Ver¬
sicherungen. Zur Begründung dieses allgemeinen Satzes diene nur die Be¬
merkung, daß ohne die Versicherungen die meisten größern kaufmännischen
Unternehmungen den Gefahren jeden Zufalls Preis gegeben, also von vorn¬
herein vielleicht unmöglich wären. Nicht der regelmäßige Gewinn und das
regelmäßige Geschäft, sondern nur das Wetten und Wagen, heute der unge¬
heure Reichthum, morgen der jähe Sturz, das war der nothwendige Charakter
des Geschäfts, als man die Versicherungen noch nicht kannte. Don Antonio,
der die Sicherheit seines Vermögens darin sucht, daß er seine Unternehmungen
nicht einem einzigen Schisse anvertraut hat und so ohne alle Gefahr Shylocks
Schuldner werden zu können glaubt, sieht sich in der Erwartung, daß nicht
alle Ladungen untergehen, betrogen, und ist nun nahe daran, dem Messer zu
verfallen. Die Engländer nannten im 14. und 15, Jahrhundert ihre ins Aus¬
land handelnden Kaufleute merelmntL Ällventurers.

Es ist grade der.Zweig der Seeversicherungen, deren Wesen und Ein¬
fluß am wenigsten bekannt ist, und welche doch den gesammten Großhandels¬
betrieb beherrschen, den wir der Bekanntschaft unserer Leser etwas näher
vermitteln wollen. Nicht um sie in einen Betrieb einzuweihen, dessen technische
Schwierigkeiten der Art sind, daß die andauerndste Theorie und Erfahrung sie
lange noch nicht überwunden haben, sondern um ihnen den allgemeinen, dabei
vorherrschenden Gedankengang zu vermitteln. Das Gebäude, das wir hier
vorführen werden, ist so durch und durch kunstvoll, mit so steter Berücksichtigung
des Ganzen und des Einzelnen gearbeitet, die Interessen, die sich daran
knüpfen, sind so ungeheure, daß es vielleicht kaum einer Entschuldigung bedarf,
wenn wir etwas näher darauf eingehen. Eher dürfte es zweifelhaft e sein, ob
wir zur Lösung unsrer Aufgabe, die klare Darstellung aller wichtigen Punkte,
um die es sich handelt und deren Ineinandergreifen, gelangen werden.

Man muß sich zuerst des Gedankens, einer mehr als oberflächlichen Ähn¬
lichkeit mit den bekanntem Feuer-, Hagel-, Viel)-, Lebensversicherungen u. s. w.
entschlagen. In all diesen Fällen, mit etwaiger Ausnahme der Lebens¬
versicherungen, liegen die Verhältnisse im Allgemeinen außerordentlich einfach.
Wir kommen darauf zurück und können im Wesentlichen auf das in der Ueber¬
schrift bezeichnete Buch verweisen. Masius gehört zu den gründlichsten Ken¬
nern des Versicherungswesens auf dem festen Lande;, die Seeversicherungen
schlagen dagegen schon weniger in sein Fach, wie er diese denn anch in dem Buche
mit auffallender Kürze behandelt hat. Dasselbe ist auch vorzugsweise sür


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[0380] mag, deren durchgreifende Bedeutung für den Verkehr aber in ihrem geräuschlasen Sinn nicht allen zum Bewußtsein gekommen sein wird. Wir sagen ganz ge¬ wiß nicht zu viel, wenn wir an das Vorhandensein der Versicherungen aus¬ schließlich die Möglichkeit eines geregelten und sichern Verkehrs anknüpfen. Aller Großhandel, fast aller vernünftig gewährte Credit beruht auf den Ver¬ sicherungen. Zur Begründung dieses allgemeinen Satzes diene nur die Be¬ merkung, daß ohne die Versicherungen die meisten größern kaufmännischen Unternehmungen den Gefahren jeden Zufalls Preis gegeben, also von vorn¬ herein vielleicht unmöglich wären. Nicht der regelmäßige Gewinn und das regelmäßige Geschäft, sondern nur das Wetten und Wagen, heute der unge¬ heure Reichthum, morgen der jähe Sturz, das war der nothwendige Charakter des Geschäfts, als man die Versicherungen noch nicht kannte. Don Antonio, der die Sicherheit seines Vermögens darin sucht, daß er seine Unternehmungen nicht einem einzigen Schisse anvertraut hat und so ohne alle Gefahr Shylocks Schuldner werden zu können glaubt, sieht sich in der Erwartung, daß nicht alle Ladungen untergehen, betrogen, und ist nun nahe daran, dem Messer zu verfallen. Die Engländer nannten im 14. und 15, Jahrhundert ihre ins Aus¬ land handelnden Kaufleute merelmntL Ällventurers. Es ist grade der.Zweig der Seeversicherungen, deren Wesen und Ein¬ fluß am wenigsten bekannt ist, und welche doch den gesammten Großhandels¬ betrieb beherrschen, den wir der Bekanntschaft unserer Leser etwas näher vermitteln wollen. Nicht um sie in einen Betrieb einzuweihen, dessen technische Schwierigkeiten der Art sind, daß die andauerndste Theorie und Erfahrung sie lange noch nicht überwunden haben, sondern um ihnen den allgemeinen, dabei vorherrschenden Gedankengang zu vermitteln. Das Gebäude, das wir hier vorführen werden, ist so durch und durch kunstvoll, mit so steter Berücksichtigung des Ganzen und des Einzelnen gearbeitet, die Interessen, die sich daran knüpfen, sind so ungeheure, daß es vielleicht kaum einer Entschuldigung bedarf, wenn wir etwas näher darauf eingehen. Eher dürfte es zweifelhaft e sein, ob wir zur Lösung unsrer Aufgabe, die klare Darstellung aller wichtigen Punkte, um die es sich handelt und deren Ineinandergreifen, gelangen werden. Man muß sich zuerst des Gedankens, einer mehr als oberflächlichen Ähn¬ lichkeit mit den bekanntem Feuer-, Hagel-, Viel)-, Lebensversicherungen u. s. w. entschlagen. In all diesen Fällen, mit etwaiger Ausnahme der Lebens¬ versicherungen, liegen die Verhältnisse im Allgemeinen außerordentlich einfach. Wir kommen darauf zurück und können im Wesentlichen auf das in der Ueber¬ schrift bezeichnete Buch verweisen. Masius gehört zu den gründlichsten Ken¬ nern des Versicherungswesens auf dem festen Lande;, die Seeversicherungen schlagen dagegen schon weniger in sein Fach, wie er diese denn anch in dem Buche mit auffallender Kürze behandelt hat. Dasselbe ist auch vorzugsweise sür

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/380>, abgerufen am 27.07.2024.