Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.gnug seines Vaterlandes den Tod zu finden, aber wir würden dann um ein Der natürliche Sohn. Mit der Productivität unsers Theaters steht es so schwach, daß wir wie¬ Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Dumas, namentlich wenn man die gnug seines Vaterlandes den Tod zu finden, aber wir würden dann um ein Der natürliche Sohn. Mit der Productivität unsers Theaters steht es so schwach, daß wir wie¬ Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Dumas, namentlich wenn man die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105629"/> <p xml:id="ID_901" prev="#ID_900"> gnug seines Vaterlandes den Tod zu finden, aber wir würden dann um ein<lb/> sehr interessantes Buch ärmer sein.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der natürliche Sohn.</head><lb/> <p xml:id="ID_902"> Mit der Productivität unsers Theaters steht es so schwach, daß wir wie¬<lb/> der in der Lage sind, zu den ersten besten pariser Fabrikaten zu greisen, um<lb/> nur überhaupt etwas Neues zu haben. Es war schon einmal so, und man<lb/> hat sehr lebhafte .Magen darüber gehört, daß sich das deutsche Publicum mehr<lb/> an Scribes Lustspielen ergötzte als an den einheimischen Producten. Damals<lb/> aber hatte die Klage keinen rechten Grund, denn so viel man an Scribe aus¬<lb/> setzen mochte, seine Stücke waren immer noch viel besser gearbeitet, als was<lb/> bei uns geschrieben wurde, und er führte seine Zuhörer in die gebildete Ge¬<lb/> sellschaft ein, aus der sich unser Theater mehr und mehr entfernte. Was uns<lb/> aber heut aus Paris geliefert wird, ist in doppelter Beziehung verwerflich:<lb/> es schildert uns die ekelhaftesten Zustünde und es ist im schlechtesten Sinn des<lb/> Worts gemacht; es hat durchaus keinen Grund seiner Existenz, als daß es den<lb/> heimlichen Gelüsten des Pöbels schmeichelt. In diese Gattung gehört die<lb/> Fiammina. die, so viel wir wissen, über alle deutsche Theater gegangen ist.<lb/> obgleich sie nichts Anderes enthält, als eine verschlechterte Auflage von Men¬<lb/> schenhaß und Reue; in diese gehört ebensalls der natürliche Sohn von dem<lb/> jüngern Dumas, dem eifrigen Nachfolger seines Vaters, der jetzt der eigent¬<lb/> liche Beherrscher der pariser Bühne geworden zu sein' scheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_903" next="#ID_904"> Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Dumas, namentlich wenn man die<lb/> ersten Dramen des ältern ins Auge faßt, liegt hauptsächlich im Stoff. Beide<lb/> behandeln das Laster, beide stellen es in einer Nacktheit dar, die wenig zu<lb/> wünschen übrig läßt. Stellen wir die Werke des jüngern Dumas zusammen:<lb/> Die Cameliendcune, Diane de Lys, die äöiiü-invnckiz, die Geldfrage und den<lb/> natürlichen Sohn, so kann man nicht sagen, daß der Sohn hinter seinem<lb/> Vater zurückbleibt. Der Vater schilderte in Anthony, Angele u. s. w. das<lb/> Laster, aber er schilderte es als einen individuellen Angriff gegen die bürger¬<lb/> liche Gesellschaft, die in ihren Gewohnheiten, Sitten und Gesetzen immer noch<lb/> dem alten Begriff von Recht und Unrecht folgte. Der Sohn dagegen führt<lb/> uns in eine Welt ein. in welcher das Laster Gewohnheit, ja Sitte geworden<lb/> ist. In der angeblichen Intention ist er tugendhafter als sein Vater, er<lb/> warnt vor den schlechten Gewohnheiten der (Jenen-nouae;, während der ältere<lb/> Dumas nicht selten sich auf die Sette des Lasters stellt. Wer wäre über¬<lb/> haupt in Frankreich heut nicht tugendhaft! Die Regierung, voran und mit<lb/> ihr im Bunde alle gut gesinnten Gegner des Socialismus. Aber man weiß.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0352]
gnug seines Vaterlandes den Tod zu finden, aber wir würden dann um ein
sehr interessantes Buch ärmer sein.
Der natürliche Sohn.
Mit der Productivität unsers Theaters steht es so schwach, daß wir wie¬
der in der Lage sind, zu den ersten besten pariser Fabrikaten zu greisen, um
nur überhaupt etwas Neues zu haben. Es war schon einmal so, und man
hat sehr lebhafte .Magen darüber gehört, daß sich das deutsche Publicum mehr
an Scribes Lustspielen ergötzte als an den einheimischen Producten. Damals
aber hatte die Klage keinen rechten Grund, denn so viel man an Scribe aus¬
setzen mochte, seine Stücke waren immer noch viel besser gearbeitet, als was
bei uns geschrieben wurde, und er führte seine Zuhörer in die gebildete Ge¬
sellschaft ein, aus der sich unser Theater mehr und mehr entfernte. Was uns
aber heut aus Paris geliefert wird, ist in doppelter Beziehung verwerflich:
es schildert uns die ekelhaftesten Zustünde und es ist im schlechtesten Sinn des
Worts gemacht; es hat durchaus keinen Grund seiner Existenz, als daß es den
heimlichen Gelüsten des Pöbels schmeichelt. In diese Gattung gehört die
Fiammina. die, so viel wir wissen, über alle deutsche Theater gegangen ist.
obgleich sie nichts Anderes enthält, als eine verschlechterte Auflage von Men¬
schenhaß und Reue; in diese gehört ebensalls der natürliche Sohn von dem
jüngern Dumas, dem eifrigen Nachfolger seines Vaters, der jetzt der eigent¬
liche Beherrscher der pariser Bühne geworden zu sein' scheint.
Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Dumas, namentlich wenn man die
ersten Dramen des ältern ins Auge faßt, liegt hauptsächlich im Stoff. Beide
behandeln das Laster, beide stellen es in einer Nacktheit dar, die wenig zu
wünschen übrig läßt. Stellen wir die Werke des jüngern Dumas zusammen:
Die Cameliendcune, Diane de Lys, die äöiiü-invnckiz, die Geldfrage und den
natürlichen Sohn, so kann man nicht sagen, daß der Sohn hinter seinem
Vater zurückbleibt. Der Vater schilderte in Anthony, Angele u. s. w. das
Laster, aber er schilderte es als einen individuellen Angriff gegen die bürger¬
liche Gesellschaft, die in ihren Gewohnheiten, Sitten und Gesetzen immer noch
dem alten Begriff von Recht und Unrecht folgte. Der Sohn dagegen führt
uns in eine Welt ein. in welcher das Laster Gewohnheit, ja Sitte geworden
ist. In der angeblichen Intention ist er tugendhafter als sein Vater, er
warnt vor den schlechten Gewohnheiten der (Jenen-nouae;, während der ältere
Dumas nicht selten sich auf die Sette des Lasters stellt. Wer wäre über¬
haupt in Frankreich heut nicht tugendhaft! Die Regierung, voran und mit
ihr im Bunde alle gut gesinnten Gegner des Socialismus. Aber man weiß.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |