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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Privilegien gehört um aber auch die gesetzliche Bestimmung, "daß alle sich
den Studien widmenden Unterthanen zwei volle J'ahre in Kiel studiren oder
gewärtigen sollen, daß sie zu keiner Beförderung weder in civilibus noch in
oedosiastieiZ Hoffnung haben." -- Die Dänen haben dieser Vorschrift zu¬
wider bekanntlich eine Menge Stellen mit Dänen, die nie in Kiel studirt
haben, besetzt; auch dadurch hat noch eine Umgehung jener Privilegien im
Sinne einer Danisirung des Herzogthums stattgefunden, daß die Abgangszeit
für die Schüler der Gymnasien in Hadersleben, Flensburg und Schleswig
so eingerichtet ist, daß sie nicht mit der Semestereintheilung der kieler,
wol aber mit der der topenhagner Universität übereinstimmt. Die
Vertragsbrüchigkeit, welche die dänische Regierung sich durch ihre Sprach-
maßregclungen hat zu Schulden kommen lassen, kann gleichfalls mit dem
vollkommensten Recht vor das Forum der Bundesversammlung gezogen werden;
denn in der Proclamation vom 28. Jan. 1852 heißt es "der für das Her-
zogthum Schleswig auszuarbeitende Gesetzentwurf'wird insbesondere die er¬
forderlichen Bestimmungen enthalten, um der dänischen und deutschen Natio¬
nalität in dem gedachten Herzogthum völlig gleiche Berechtigung und
kräftigen Schutz zu verschaffen und zu sichern." Wie diese Versprechungen
gehalten sind, darüber geben Moritz Buschs Schleswig-holsteinische Briefe und
die Verhandlungen der schleswigschen Ständeversammlung mit ihren 8000 Peti¬
tionen, Kunde. Ein andrer Punkt, dessen die Petersburger Zeitung nicht ge¬
denkt, der aber in noch viel höherm Maße zur Compcrenz des Bundes gehört,
ist die Grenzregulirung zwischen Holstein und Schleswig, welche noch immer
nicht von Dänemark vollzogen ist. Sie wurde in dem ersten Abkommen mit
Oestreich und Preußen festgestellt, als Folge des berliner Friedens vom
2. Juli 1850; wenn man an die Regelung dieser Frage geht, so würde sich
bald zeigen, daß ein bedeutender Theil des Landes jenseits der Eider zu Hol¬
stein gehört. In einem dänischen Werke, welches von dem Chef des General¬
stabs der dünischen Armee, Hr. A. Baggesen verfaßt, als Lehrbuch für die
militärische Hochschule in Kopenhagen dient, heißt es: Die Grenze zwischen
Schleswig und Holstein wird gebildet durch den Schleswig-holsteinischen Kanal
und die Eider, doch nur im Allgemeinen; denn es sind Ausnahmen wie folgt:
1) Osterade. 2) Ramnort mit 6 Dörfern, 1V4 Meile Areal. 3) Außer der
Altstadt oder dem Theile Rendsburgs, welcher von der Eider umflossen
wird, gehört auch das "Kronwerk" oder der nördlich der Eider belegene
Theil der Festung zugleich mit dem übrigen Theile der Stadt Rendsburg zu
Holstein." -- Die Bevölkerung dieser Districte zahlte Steuern zur Bundes¬
matrikel des deutschen Bundes und wählte nach dem dänischen Gesetz von
1834 zu den holsteinischen, nicht zu den schleswigschen Ständen. Durch Ab¬
tragung des Kronenwerkes haben die Dänen also eine deutsche Festung zer-


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Privilegien gehört um aber auch die gesetzliche Bestimmung, „daß alle sich
den Studien widmenden Unterthanen zwei volle J'ahre in Kiel studiren oder
gewärtigen sollen, daß sie zu keiner Beförderung weder in civilibus noch in
oedosiastieiZ Hoffnung haben." — Die Dänen haben dieser Vorschrift zu¬
wider bekanntlich eine Menge Stellen mit Dänen, die nie in Kiel studirt
haben, besetzt; auch dadurch hat noch eine Umgehung jener Privilegien im
Sinne einer Danisirung des Herzogthums stattgefunden, daß die Abgangszeit
für die Schüler der Gymnasien in Hadersleben, Flensburg und Schleswig
so eingerichtet ist, daß sie nicht mit der Semestereintheilung der kieler,
wol aber mit der der topenhagner Universität übereinstimmt. Die
Vertragsbrüchigkeit, welche die dänische Regierung sich durch ihre Sprach-
maßregclungen hat zu Schulden kommen lassen, kann gleichfalls mit dem
vollkommensten Recht vor das Forum der Bundesversammlung gezogen werden;
denn in der Proclamation vom 28. Jan. 1852 heißt es „der für das Her-
zogthum Schleswig auszuarbeitende Gesetzentwurf'wird insbesondere die er¬
forderlichen Bestimmungen enthalten, um der dänischen und deutschen Natio¬
nalität in dem gedachten Herzogthum völlig gleiche Berechtigung und
kräftigen Schutz zu verschaffen und zu sichern." Wie diese Versprechungen
gehalten sind, darüber geben Moritz Buschs Schleswig-holsteinische Briefe und
die Verhandlungen der schleswigschen Ständeversammlung mit ihren 8000 Peti¬
tionen, Kunde. Ein andrer Punkt, dessen die Petersburger Zeitung nicht ge¬
denkt, der aber in noch viel höherm Maße zur Compcrenz des Bundes gehört,
ist die Grenzregulirung zwischen Holstein und Schleswig, welche noch immer
nicht von Dänemark vollzogen ist. Sie wurde in dem ersten Abkommen mit
Oestreich und Preußen festgestellt, als Folge des berliner Friedens vom
2. Juli 1850; wenn man an die Regelung dieser Frage geht, so würde sich
bald zeigen, daß ein bedeutender Theil des Landes jenseits der Eider zu Hol¬
stein gehört. In einem dänischen Werke, welches von dem Chef des General¬
stabs der dünischen Armee, Hr. A. Baggesen verfaßt, als Lehrbuch für die
militärische Hochschule in Kopenhagen dient, heißt es: Die Grenze zwischen
Schleswig und Holstein wird gebildet durch den Schleswig-holsteinischen Kanal
und die Eider, doch nur im Allgemeinen; denn es sind Ausnahmen wie folgt:
1) Osterade. 2) Ramnort mit 6 Dörfern, 1V4 Meile Areal. 3) Außer der
Altstadt oder dem Theile Rendsburgs, welcher von der Eider umflossen
wird, gehört auch das „Kronwerk" oder der nördlich der Eider belegene
Theil der Festung zugleich mit dem übrigen Theile der Stadt Rendsburg zu
Holstein." — Die Bevölkerung dieser Districte zahlte Steuern zur Bundes¬
matrikel des deutschen Bundes und wählte nach dem dänischen Gesetz von
1834 zu den holsteinischen, nicht zu den schleswigschen Ständen. Durch Ab¬
tragung des Kronenwerkes haben die Dänen also eine deutsche Festung zer-


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[0339] Privilegien gehört um aber auch die gesetzliche Bestimmung, „daß alle sich den Studien widmenden Unterthanen zwei volle J'ahre in Kiel studiren oder gewärtigen sollen, daß sie zu keiner Beförderung weder in civilibus noch in oedosiastieiZ Hoffnung haben." — Die Dänen haben dieser Vorschrift zu¬ wider bekanntlich eine Menge Stellen mit Dänen, die nie in Kiel studirt haben, besetzt; auch dadurch hat noch eine Umgehung jener Privilegien im Sinne einer Danisirung des Herzogthums stattgefunden, daß die Abgangszeit für die Schüler der Gymnasien in Hadersleben, Flensburg und Schleswig so eingerichtet ist, daß sie nicht mit der Semestereintheilung der kieler, wol aber mit der der topenhagner Universität übereinstimmt. Die Vertragsbrüchigkeit, welche die dänische Regierung sich durch ihre Sprach- maßregclungen hat zu Schulden kommen lassen, kann gleichfalls mit dem vollkommensten Recht vor das Forum der Bundesversammlung gezogen werden; denn in der Proclamation vom 28. Jan. 1852 heißt es „der für das Her- zogthum Schleswig auszuarbeitende Gesetzentwurf'wird insbesondere die er¬ forderlichen Bestimmungen enthalten, um der dänischen und deutschen Natio¬ nalität in dem gedachten Herzogthum völlig gleiche Berechtigung und kräftigen Schutz zu verschaffen und zu sichern." Wie diese Versprechungen gehalten sind, darüber geben Moritz Buschs Schleswig-holsteinische Briefe und die Verhandlungen der schleswigschen Ständeversammlung mit ihren 8000 Peti¬ tionen, Kunde. Ein andrer Punkt, dessen die Petersburger Zeitung nicht ge¬ denkt, der aber in noch viel höherm Maße zur Compcrenz des Bundes gehört, ist die Grenzregulirung zwischen Holstein und Schleswig, welche noch immer nicht von Dänemark vollzogen ist. Sie wurde in dem ersten Abkommen mit Oestreich und Preußen festgestellt, als Folge des berliner Friedens vom 2. Juli 1850; wenn man an die Regelung dieser Frage geht, so würde sich bald zeigen, daß ein bedeutender Theil des Landes jenseits der Eider zu Hol¬ stein gehört. In einem dänischen Werke, welches von dem Chef des General¬ stabs der dünischen Armee, Hr. A. Baggesen verfaßt, als Lehrbuch für die militärische Hochschule in Kopenhagen dient, heißt es: Die Grenze zwischen Schleswig und Holstein wird gebildet durch den Schleswig-holsteinischen Kanal und die Eider, doch nur im Allgemeinen; denn es sind Ausnahmen wie folgt: 1) Osterade. 2) Ramnort mit 6 Dörfern, 1V4 Meile Areal. 3) Außer der Altstadt oder dem Theile Rendsburgs, welcher von der Eider umflossen wird, gehört auch das „Kronwerk" oder der nördlich der Eider belegene Theil der Festung zugleich mit dem übrigen Theile der Stadt Rendsburg zu Holstein." — Die Bevölkerung dieser Districte zahlte Steuern zur Bundes¬ matrikel des deutschen Bundes und wählte nach dem dänischen Gesetz von 1834 zu den holsteinischen, nicht zu den schleswigschen Ständen. Durch Ab¬ tragung des Kronenwerkes haben die Dänen also eine deutsche Festung zer- 42*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/339>, abgerufen am 27.07.2024.