Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.daß mein seine Lust daran sah. Wenn er trinken wollte -- und er that nur Herzog Moritz von Sachsen machte Bekanntschaft mit dem bairischen daß mein seine Lust daran sah. Wenn er trinken wollte — und er that nur Herzog Moritz von Sachsen machte Bekanntschaft mit dem bairischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105579"/> <p xml:id="ID_791" prev="#ID_790"> daß mein seine Lust daran sah. Wenn er trinken wollte — und er that nur<lb/> drei Trun? während der Mahlzeit — so winkte er seinen Doctoribus Medi-<lb/> cinä, die vor dem Tisch standen; die gingen zum Tresor, worauf zwei silberne<lb/> Flaschen standen und ein kristallnes Glas, das wol 1'/.^ Seidel hielt, und<lb/> gössen das Glas aus beiden Flaschen voll; das tränk er rein aus, daß nichts<lb/> darin blieb, wußte er auch zwei- oder mehrmal Athem holen, bevor ers vom<lb/> Munde zog. Sonst redete er nichts über Tisch; es standen wol Schalks¬<lb/> narren hinter ihm, die allerlei Possen reißen konnten, er kehrte sich aber nicht<lb/> daran, höchstens verzog er den Mund zu einem halben Lächeln, wenn sie et¬<lb/> was recht Kurzweiliges sagten. Er ließ sich auch das nicht anfechten, daß<lb/> viele dastanden, die den Kaiser essen sehn wollten, Er hatte ein stattliches<lb/> Sängerchor, auch Instrumentalmusik, die sich in den Kirchen sehn ließen, aber<lb/> in seinem Gemach erklangen sie nicht. Die Mahlzeit währte nicht eine<lb/> Stunde, dann wurde alles weggeräumt, Sessel und Tische zusammengeschla¬<lb/> gen, daß nichts übrig blieb als die vier Wände, allenthalben mit köstlichen<lb/> Tapeten behängen. Wenn ihm das Gratias vorgcbetet war, reichte man<lb/> ihm ein Fedcrtielchen als Zahnstocher, dann wusch er sich und stellte sich in<lb/> eine Ecke des Gemachs an das Fenster, dahin konnte jedermann kommen,<lb/> Bittschriften überreichen, oder mündlich berichten. Dem sagte er aus der<lb/> Stelle, wo er Bescheid bekommen sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_792" next="#ID_793"> Herzog Moritz von Sachsen machte Bekanntschaft mit dem bairischen<lb/> Frauenzimmer, hatte auch seine Kurzweile in seiner Herberge, dein Haus<lb/> eines Doctoris Medicinä. Der hatte eine erwachsene Tochter, eine schöne<lb/> Metze. sie hieß Jungfrau Jacobina. mit der badete er, spielte auch nebst<lb/> Markgraf Albrecht von Kulmbach täglich mit ihrKartcn.---Sie hielten so Haus,<lb/> daß der Teufel darüber lachen mochte, und viel Gerede in der ganzen Stadt<lb/> war. Andere Fürsten und Herrn von geistlichem und weltlichem Stande trie-<lb/> bens auch artig. So hab ich einst mit angesehn, als Markgraf Albrecht<lb/> und andere junge Fürsten mit jungen Bischöfen, die nicht Igeborne Fürsten<lb/> waren, soffen und auf der Peilketafel schössen, daß der eine dem andern<lb/> keinen Ehrentitel gab. sondern gar höhnisch rief: „Pfaff schieß hin, was<lb/> gilts, Du wirst nichts Ordentliches treffen," und der Bischof wiederum mit<lb/> einer gemeinen Redensart erwiederte. Junge Fürsten legten sich wol zu<lb/> fürstlichen und gräflichen Damen, sonderlich von hohem adligen Stande, auf<lb/> den Boden, denn sie sitzen nicht auf Bänken oder Sesseln, sondern es werden<lb/> köstliche Tapeten mitten ins Gemach gebreitet» worauf sie sich bequemlich<lb/> setzen und sich strecken können, dort umhalsen, küssen und betasten sie sich.<lb/> Es verthaten auch Fürsten und Herrn von beiderlei Geschlecht mit vielem<lb/> übermäßigen Banketiren nicht allein, was in ihrer Kammer vorhanden und<lb/> was sie mit sich auf den Reichstag genommen, was sich auf viele tausend</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
daß mein seine Lust daran sah. Wenn er trinken wollte — und er that nur
drei Trun? während der Mahlzeit — so winkte er seinen Doctoribus Medi-
cinä, die vor dem Tisch standen; die gingen zum Tresor, worauf zwei silberne
Flaschen standen und ein kristallnes Glas, das wol 1'/.^ Seidel hielt, und
gössen das Glas aus beiden Flaschen voll; das tränk er rein aus, daß nichts
darin blieb, wußte er auch zwei- oder mehrmal Athem holen, bevor ers vom
Munde zog. Sonst redete er nichts über Tisch; es standen wol Schalks¬
narren hinter ihm, die allerlei Possen reißen konnten, er kehrte sich aber nicht
daran, höchstens verzog er den Mund zu einem halben Lächeln, wenn sie et¬
was recht Kurzweiliges sagten. Er ließ sich auch das nicht anfechten, daß
viele dastanden, die den Kaiser essen sehn wollten, Er hatte ein stattliches
Sängerchor, auch Instrumentalmusik, die sich in den Kirchen sehn ließen, aber
in seinem Gemach erklangen sie nicht. Die Mahlzeit währte nicht eine
Stunde, dann wurde alles weggeräumt, Sessel und Tische zusammengeschla¬
gen, daß nichts übrig blieb als die vier Wände, allenthalben mit köstlichen
Tapeten behängen. Wenn ihm das Gratias vorgcbetet war, reichte man
ihm ein Fedcrtielchen als Zahnstocher, dann wusch er sich und stellte sich in
eine Ecke des Gemachs an das Fenster, dahin konnte jedermann kommen,
Bittschriften überreichen, oder mündlich berichten. Dem sagte er aus der
Stelle, wo er Bescheid bekommen sollte.
Herzog Moritz von Sachsen machte Bekanntschaft mit dem bairischen
Frauenzimmer, hatte auch seine Kurzweile in seiner Herberge, dein Haus
eines Doctoris Medicinä. Der hatte eine erwachsene Tochter, eine schöne
Metze. sie hieß Jungfrau Jacobina. mit der badete er, spielte auch nebst
Markgraf Albrecht von Kulmbach täglich mit ihrKartcn.---Sie hielten so Haus,
daß der Teufel darüber lachen mochte, und viel Gerede in der ganzen Stadt
war. Andere Fürsten und Herrn von geistlichem und weltlichem Stande trie-
bens auch artig. So hab ich einst mit angesehn, als Markgraf Albrecht
und andere junge Fürsten mit jungen Bischöfen, die nicht Igeborne Fürsten
waren, soffen und auf der Peilketafel schössen, daß der eine dem andern
keinen Ehrentitel gab. sondern gar höhnisch rief: „Pfaff schieß hin, was
gilts, Du wirst nichts Ordentliches treffen," und der Bischof wiederum mit
einer gemeinen Redensart erwiederte. Junge Fürsten legten sich wol zu
fürstlichen und gräflichen Damen, sonderlich von hohem adligen Stande, auf
den Boden, denn sie sitzen nicht auf Bänken oder Sesseln, sondern es werden
köstliche Tapeten mitten ins Gemach gebreitet» worauf sie sich bequemlich
setzen und sich strecken können, dort umhalsen, küssen und betasten sie sich.
Es verthaten auch Fürsten und Herrn von beiderlei Geschlecht mit vielem
übermäßigen Banketiren nicht allein, was in ihrer Kammer vorhanden und
was sie mit sich auf den Reichstag genommen, was sich auf viele tausend
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