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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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zu Nürnberg, was sie gelten wollten, denn wir hatten sie billig gekauft. Herzog
Friedrich von Liegnitz*), der seines Vaters wegen auch dem kaiserlichen Lager
nachzog, kam zu uns, da er sah, daß wir so gute Schnabelwcide hatten. Den
behielten wir bei uns zu Gast. Wir hatten zwei Hurer in köstlichen seidenen
Kleidern bei uns sitzen, -- -- -- saßen so die ganze Nacht, die ohne dies
nicht lang währte. Am Morgen wollte ich meinen Hengst wieder satteln
und zäumen, da war er mir in der Nacht gestohlen, ich nahm wiederum den
nächsten, den ich ergreisen konnte, putzte thu, legte den Sattel darauf und
ritt meine Straße. --

Nach Bamberg kamen wir am 1. Juli. Der Kaiser zog gegen Mittag
mit starkem Volke ein, er aber saß auf einem kleinen Maulthier. In der
Vorstadt war eine Straßenbiegung im rechten Winkel, grade in die Ecke
ward der gefangene Kurfürst von Sachsen logirt, daß er seitwärts aus der
Vorstadt hinaus und längs der Vorstadt in die eigentliche Stadt sehn konnte.
Er stand oben am Fenster, um den Einzug anzusehn. Als nun der Kaiser
in der Ecke um den Kurfürsten kam, neigte dieser sich vor ihm gar tief, aber
der Kaiser verließ ihn nicht mit den Augen, so lange er auf ihn sehen konnte
und lachte gar spöttisch.

Am 3. Juli schrieb der Kaiser den Reichstag zum 1. September nach
Augsburg aus. Im Stift Bamberg haben die Spanier an die 400 Frauen,
Jungfrauen und Mägde bis nach Nürnberg mit sich genommen. Dort haben
sie dieselben wieder zurücklaufen lassen; die Eltern, Männer und Brüder sind
ihnen gefolgt, der Vater suchte seine Tochter, der Mann seine Ehefrau, der
Bruder seine Schwester bis nach Nürnberg, da bekam ein jeder die Seine
wieder. Ist das nicht eine unartige Nation? Nach geendigtem Kriege, in
Freundcsland, in Beisein de? kaiserlichen Majestät, da doch der Kaiser gar
strenges Regiment hielt. Alle Abend, wenn er sein Zelt aufschlug, ließ er
auch einen Galgen aufrichten, ließ sie auch tapfer anbinden. Das half jedoch
nichts.

Der Kaiser zog mit seinem Kriegszeuge gemächlich vorwärts, denn es
war eine große Hitze in den Hundstagen. Unterdeß ritt ich mit Georg von
Wedell spazieren, die Kriegsleute entlang, was gar lustig anzusehn war.
Eines jeden Rüstung und Wehr in der Schlachtorduüg. Bald waren wir
bei den spanischen Knegsleutcn, bald bei den deutschen und konnten doch
am Abend wieder bei unsern Reitern sein. Die Marschirenden hielten nicht
den rechten Fahrweg, sondern gingen in gerader Linie, sie machten eine an¬
sehnliche Straße, viermal breiter als die Landstraße, was ihnen entgegen war,



") Der liederliche Vater des berüchtigten Herzog Heinrich, des Gönners von Hans van
Schweinichen,

zu Nürnberg, was sie gelten wollten, denn wir hatten sie billig gekauft. Herzog
Friedrich von Liegnitz*), der seines Vaters wegen auch dem kaiserlichen Lager
nachzog, kam zu uns, da er sah, daß wir so gute Schnabelwcide hatten. Den
behielten wir bei uns zu Gast. Wir hatten zwei Hurer in köstlichen seidenen
Kleidern bei uns sitzen, — — — saßen so die ganze Nacht, die ohne dies
nicht lang währte. Am Morgen wollte ich meinen Hengst wieder satteln
und zäumen, da war er mir in der Nacht gestohlen, ich nahm wiederum den
nächsten, den ich ergreisen konnte, putzte thu, legte den Sattel darauf und
ritt meine Straße. —

Nach Bamberg kamen wir am 1. Juli. Der Kaiser zog gegen Mittag
mit starkem Volke ein, er aber saß auf einem kleinen Maulthier. In der
Vorstadt war eine Straßenbiegung im rechten Winkel, grade in die Ecke
ward der gefangene Kurfürst von Sachsen logirt, daß er seitwärts aus der
Vorstadt hinaus und längs der Vorstadt in die eigentliche Stadt sehn konnte.
Er stand oben am Fenster, um den Einzug anzusehn. Als nun der Kaiser
in der Ecke um den Kurfürsten kam, neigte dieser sich vor ihm gar tief, aber
der Kaiser verließ ihn nicht mit den Augen, so lange er auf ihn sehen konnte
und lachte gar spöttisch.

Am 3. Juli schrieb der Kaiser den Reichstag zum 1. September nach
Augsburg aus. Im Stift Bamberg haben die Spanier an die 400 Frauen,
Jungfrauen und Mägde bis nach Nürnberg mit sich genommen. Dort haben
sie dieselben wieder zurücklaufen lassen; die Eltern, Männer und Brüder sind
ihnen gefolgt, der Vater suchte seine Tochter, der Mann seine Ehefrau, der
Bruder seine Schwester bis nach Nürnberg, da bekam ein jeder die Seine
wieder. Ist das nicht eine unartige Nation? Nach geendigtem Kriege, in
Freundcsland, in Beisein de? kaiserlichen Majestät, da doch der Kaiser gar
strenges Regiment hielt. Alle Abend, wenn er sein Zelt aufschlug, ließ er
auch einen Galgen aufrichten, ließ sie auch tapfer anbinden. Das half jedoch
nichts.

Der Kaiser zog mit seinem Kriegszeuge gemächlich vorwärts, denn es
war eine große Hitze in den Hundstagen. Unterdeß ritt ich mit Georg von
Wedell spazieren, die Kriegsleute entlang, was gar lustig anzusehn war.
Eines jeden Rüstung und Wehr in der Schlachtorduüg. Bald waren wir
bei den spanischen Knegsleutcn, bald bei den deutschen und konnten doch
am Abend wieder bei unsern Reitern sein. Die Marschirenden hielten nicht
den rechten Fahrweg, sondern gingen in gerader Linie, sie machten eine an¬
sehnliche Straße, viermal breiter als die Landstraße, was ihnen entgegen war,



") Der liederliche Vater des berüchtigten Herzog Heinrich, des Gönners von Hans van
Schweinichen,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/295>, abgerufen am 22.12.2024.