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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Ach, zu wem rede ich! Wo ist meine Rose? Entblättert am Wege! Keine Düfte
spendet sie mehr.

Ein großer Herr hat sie mir abtrünnig gemacht; drei Monat schon ist sie fort,
und doch, ob sie gleich treulos, ich kann sie nicht vergessen!

Fahre ich Morgens in der Barke gen Neapel, da, mein ich, reicht sie mir die Hand
im Morgenwinde entgegen. Werfe ich die Netze ins Meer, da
blickt mich ihr Bild aus den Wellen an. Ich sehe sie im Geiste
und grüße sie, wenn ich bei der Kapelle vorübcrsahre. Aber
ach, sie ist eine entblätterte Rose und ich soll sie vergessen!

Nur wenige der gangbaren Lieder in Italien haben diese durchgehend
wehmüthige Stimmung, die unsern deutschen Volksliedern so eigenthümlich ist.
Auch naiv sind nicht viele. Zu letzter" zählt der neapolitanische Monnezza-
riello. Er möchte eine Schone erobern und bietet ihr, was ihm eben zu
bieten möglich ist: Zu Weihnacht eine große Menge Lorbeer und Broccoli. zu
Ostern das übliche El und ein Lämmlein, dann so oft die Jahreszeit es gestattet:
frisches Obst, und endlich, wenigste ihn lieben will, auch sein Herz. In der
Risposta dankt die Schone für Broccoli und bittet statt dessen sofort um das
Herz. El und Lamm sind ihr schon recht, sie bietet als Gegengeschenk ihren
Ring an. Auch Früchte werden dankbar acceptirt.

Zart endlich ist die Empfindung in dem neapolitanischen Gärtnerliede.
Er erzählt seine Morgencmpfindungen im Garten; Rose. Nelke. Lilie, Veilchen
habe er für sie, die Zauberin, die ihn berückte, zum Strauß gebunden, aber
eine Stimme habe er zu hören gemeint, die ihm zurief, die rechte Blume
fehle noch dem Strauße. Jetzt sei auch sie hineingebunden, ganz sotto sotto,
weil sie schamhaft sei, denn diese Blume, die in ihrem Gefühl nie welke, sei
sein Herz. In der Risposta gibt ihm die Schöne nichts an Sinnigkeit nach.
Sie habe auf den ersten Blick diese Wunderblume in dem Strauß entdeckt..
Wenn nur sie selbst, die Empfängerin der duftigen Gabe, ^ol-osa, treseg,
und hotta. genug sei, um seine Liebe zu verdienen! Viel schöner möchte sie
jetzt sein. Uebrigens sei sie Wäscherin, halte zum Trocknen und Bleichen einen
Garten und dahin trage sie den Strauß, um ihn immer vor Augen zu haben.
Komme nichts dazwischen, so könne schon in Monatsfrist Hochzeit sein. Er
habe keinen Herrn zu fragen, sie sei ohne 'Ig,ta, und Naus,. So solle denn
Treue die Blume sein, welche nimmer zwischen ihnen welke.

Aehnlich hält sich zwischen Poesie und Prosa das schon erwähnte Lied
Je> xrimm' amors. Der Refrain


Oaro v Je> xrimm' amoro
ü non Lo seorü^I

hat verwandte unter den französischen Chansons, wie auch unter englischen


Ach, zu wem rede ich! Wo ist meine Rose? Entblättert am Wege! Keine Düfte
spendet sie mehr.

Ein großer Herr hat sie mir abtrünnig gemacht; drei Monat schon ist sie fort,
und doch, ob sie gleich treulos, ich kann sie nicht vergessen!

Fahre ich Morgens in der Barke gen Neapel, da, mein ich, reicht sie mir die Hand
im Morgenwinde entgegen. Werfe ich die Netze ins Meer, da
blickt mich ihr Bild aus den Wellen an. Ich sehe sie im Geiste
und grüße sie, wenn ich bei der Kapelle vorübcrsahre. Aber
ach, sie ist eine entblätterte Rose und ich soll sie vergessen!

Nur wenige der gangbaren Lieder in Italien haben diese durchgehend
wehmüthige Stimmung, die unsern deutschen Volksliedern so eigenthümlich ist.
Auch naiv sind nicht viele. Zu letzter« zählt der neapolitanische Monnezza-
riello. Er möchte eine Schone erobern und bietet ihr, was ihm eben zu
bieten möglich ist: Zu Weihnacht eine große Menge Lorbeer und Broccoli. zu
Ostern das übliche El und ein Lämmlein, dann so oft die Jahreszeit es gestattet:
frisches Obst, und endlich, wenigste ihn lieben will, auch sein Herz. In der
Risposta dankt die Schone für Broccoli und bittet statt dessen sofort um das
Herz. El und Lamm sind ihr schon recht, sie bietet als Gegengeschenk ihren
Ring an. Auch Früchte werden dankbar acceptirt.

Zart endlich ist die Empfindung in dem neapolitanischen Gärtnerliede.
Er erzählt seine Morgencmpfindungen im Garten; Rose. Nelke. Lilie, Veilchen
habe er für sie, die Zauberin, die ihn berückte, zum Strauß gebunden, aber
eine Stimme habe er zu hören gemeint, die ihm zurief, die rechte Blume
fehle noch dem Strauße. Jetzt sei auch sie hineingebunden, ganz sotto sotto,
weil sie schamhaft sei, denn diese Blume, die in ihrem Gefühl nie welke, sei
sein Herz. In der Risposta gibt ihm die Schöne nichts an Sinnigkeit nach.
Sie habe auf den ersten Blick diese Wunderblume in dem Strauß entdeckt..
Wenn nur sie selbst, die Empfängerin der duftigen Gabe, ^ol-osa, treseg,
und hotta. genug sei, um seine Liebe zu verdienen! Viel schöner möchte sie
jetzt sein. Uebrigens sei sie Wäscherin, halte zum Trocknen und Bleichen einen
Garten und dahin trage sie den Strauß, um ihn immer vor Augen zu haben.
Komme nichts dazwischen, so könne schon in Monatsfrist Hochzeit sein. Er
habe keinen Herrn zu fragen, sie sei ohne 'Ig,ta, und Naus,. So solle denn
Treue die Blume sein, welche nimmer zwischen ihnen welke.

Aehnlich hält sich zwischen Poesie und Prosa das schon erwähnte Lied
Je> xrimm' amors. Der Refrain


Oaro v Je> xrimm' amoro
ü non Lo seorü^I

hat verwandte unter den französischen Chansons, wie auch unter englischen


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[0239] Ach, zu wem rede ich! Wo ist meine Rose? Entblättert am Wege! Keine Düfte spendet sie mehr. Ein großer Herr hat sie mir abtrünnig gemacht; drei Monat schon ist sie fort, und doch, ob sie gleich treulos, ich kann sie nicht vergessen! Fahre ich Morgens in der Barke gen Neapel, da, mein ich, reicht sie mir die Hand im Morgenwinde entgegen. Werfe ich die Netze ins Meer, da blickt mich ihr Bild aus den Wellen an. Ich sehe sie im Geiste und grüße sie, wenn ich bei der Kapelle vorübcrsahre. Aber ach, sie ist eine entblätterte Rose und ich soll sie vergessen! Nur wenige der gangbaren Lieder in Italien haben diese durchgehend wehmüthige Stimmung, die unsern deutschen Volksliedern so eigenthümlich ist. Auch naiv sind nicht viele. Zu letzter« zählt der neapolitanische Monnezza- riello. Er möchte eine Schone erobern und bietet ihr, was ihm eben zu bieten möglich ist: Zu Weihnacht eine große Menge Lorbeer und Broccoli. zu Ostern das übliche El und ein Lämmlein, dann so oft die Jahreszeit es gestattet: frisches Obst, und endlich, wenigste ihn lieben will, auch sein Herz. In der Risposta dankt die Schone für Broccoli und bittet statt dessen sofort um das Herz. El und Lamm sind ihr schon recht, sie bietet als Gegengeschenk ihren Ring an. Auch Früchte werden dankbar acceptirt. Zart endlich ist die Empfindung in dem neapolitanischen Gärtnerliede. Er erzählt seine Morgencmpfindungen im Garten; Rose. Nelke. Lilie, Veilchen habe er für sie, die Zauberin, die ihn berückte, zum Strauß gebunden, aber eine Stimme habe er zu hören gemeint, die ihm zurief, die rechte Blume fehle noch dem Strauße. Jetzt sei auch sie hineingebunden, ganz sotto sotto, weil sie schamhaft sei, denn diese Blume, die in ihrem Gefühl nie welke, sei sein Herz. In der Risposta gibt ihm die Schöne nichts an Sinnigkeit nach. Sie habe auf den ersten Blick diese Wunderblume in dem Strauß entdeckt.. Wenn nur sie selbst, die Empfängerin der duftigen Gabe, ^ol-osa, treseg, und hotta. genug sei, um seine Liebe zu verdienen! Viel schöner möchte sie jetzt sein. Uebrigens sei sie Wäscherin, halte zum Trocknen und Bleichen einen Garten und dahin trage sie den Strauß, um ihn immer vor Augen zu haben. Komme nichts dazwischen, so könne schon in Monatsfrist Hochzeit sein. Er habe keinen Herrn zu fragen, sie sei ohne 'Ig,ta, und Naus,. So solle denn Treue die Blume sein, welche nimmer zwischen ihnen welke. Aehnlich hält sich zwischen Poesie und Prosa das schon erwähnte Lied Je> xrimm' amors. Der Refrain Oaro v Je> xrimm' amoro ü non Lo seorü^I hat verwandte unter den französischen Chansons, wie auch unter englischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/239>, abgerufen am 27.07.2024.