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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Giesebrechts Geschichte der deutschen Kmserzeit.

Zweiter Band. Braunschweig, Schwetschke und Sohn.

Der zweite Band dieses Werks, das unter den neu erschienenen histo¬
rischen Schriften sine sehr bedeutende Stellung einnimmt, umfaßt die Regie¬
rungen Heinrich II., Conrad II. und Heinrich III., also diejenige Periode, in
welcher die Macht der deutschen Kaiser nicht blos in der Theorie, sondern
auch in der Praxis den größten Umfang und die größte Jntensivität erreichte.
Das ist der Unterschied gegen die Periode der Ottonen. Seitdem Otto I.
die Kaiserkrone Karl des Großen erneut hatte, war die Idee derselben so¬
gleich auf die höchste Spitze getrieben, aber namentlich die beiden jungem
Kaiser begnügten sich mit der Idee. Sie wollten als die Herrn des un¬
ermeßlichen Reich.s geehrt sein, viel weniger kam es ihnen darauf an, überall
unmittelbar durchzugreifen. Unter den drei folgenden Regierungen dagegen
wurde die Herrschermacht eine reale. Strenge Ordnungen wurden überall
eingeführt, und der kaiserliche Wille, von mächtigen Persönlichkeiten getragen,
in vielen Fällen sogar mit despotischer Strenge durchgesetzt. Die unterwor¬
fenen Nationen beugten sich dem Joch, wenn auch mit Widerwillen, und bei
der Schwäche der Nachbarn lag der Gedanke nicht fern, von dem Namen
zur That überzugehen, und eine Universalmonarchie nach Art des römischen
Reichs wieder in Angriff zu nehmen. Diese Verhältnisse hat der Verfasser
sehr gründlich auseinandergesetzt, und dabei Gelegenheit gefunden, zwei
Umstände, die von den frühern Geschichtschreibern meistens verkannt wurden,
näher aufzuhellen. Er hat nachgewiesen, daß Heinrich II., von dem man
bis dahin ziemlich geringschätzig zu sprechen pflegte, mit entschiedener Con-
sequenz einen zusammenhängenden und verständigen Pou verfolgte, einen
Plan, durch welchen die kühnem Bewegungen der beiden ersten Salier allein
möglich wurden. Im Gegensatz dazu weist er nach. daß man die Festigkeit
der Macht, welche Heinrich III. in feinen letzten Lebensjahren erworben hatte,
überschätzt, daß es sehr fraglich bleibt, ob auch der starke Wille dieses bedeu¬
tenden Mannes ausgereicht hätte, auf die Länge mit Glück den vereinigten
Widersachern zu begegnen, denen sein Sohn erlag. Ueberhaupt war es ein


Grenzboten I. 1358. 26
Giesebrechts Geschichte der deutschen Kmserzeit.

Zweiter Band. Braunschweig, Schwetschke und Sohn.

Der zweite Band dieses Werks, das unter den neu erschienenen histo¬
rischen Schriften sine sehr bedeutende Stellung einnimmt, umfaßt die Regie¬
rungen Heinrich II., Conrad II. und Heinrich III., also diejenige Periode, in
welcher die Macht der deutschen Kaiser nicht blos in der Theorie, sondern
auch in der Praxis den größten Umfang und die größte Jntensivität erreichte.
Das ist der Unterschied gegen die Periode der Ottonen. Seitdem Otto I.
die Kaiserkrone Karl des Großen erneut hatte, war die Idee derselben so¬
gleich auf die höchste Spitze getrieben, aber namentlich die beiden jungem
Kaiser begnügten sich mit der Idee. Sie wollten als die Herrn des un¬
ermeßlichen Reich.s geehrt sein, viel weniger kam es ihnen darauf an, überall
unmittelbar durchzugreifen. Unter den drei folgenden Regierungen dagegen
wurde die Herrschermacht eine reale. Strenge Ordnungen wurden überall
eingeführt, und der kaiserliche Wille, von mächtigen Persönlichkeiten getragen,
in vielen Fällen sogar mit despotischer Strenge durchgesetzt. Die unterwor¬
fenen Nationen beugten sich dem Joch, wenn auch mit Widerwillen, und bei
der Schwäche der Nachbarn lag der Gedanke nicht fern, von dem Namen
zur That überzugehen, und eine Universalmonarchie nach Art des römischen
Reichs wieder in Angriff zu nehmen. Diese Verhältnisse hat der Verfasser
sehr gründlich auseinandergesetzt, und dabei Gelegenheit gefunden, zwei
Umstände, die von den frühern Geschichtschreibern meistens verkannt wurden,
näher aufzuhellen. Er hat nachgewiesen, daß Heinrich II., von dem man
bis dahin ziemlich geringschätzig zu sprechen pflegte, mit entschiedener Con-
sequenz einen zusammenhängenden und verständigen Pou verfolgte, einen
Plan, durch welchen die kühnem Bewegungen der beiden ersten Salier allein
möglich wurden. Im Gegensatz dazu weist er nach. daß man die Festigkeit
der Macht, welche Heinrich III. in feinen letzten Lebensjahren erworben hatte,
überschätzt, daß es sehr fraglich bleibt, ob auch der starke Wille dieses bedeu¬
tenden Mannes ausgereicht hätte, auf die Länge mit Glück den vereinigten
Widersachern zu begegnen, denen sein Sohn erlag. Ueberhaupt war es ein


Grenzboten I. 1358. 26
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[0209] Giesebrechts Geschichte der deutschen Kmserzeit. Zweiter Band. Braunschweig, Schwetschke und Sohn. Der zweite Band dieses Werks, das unter den neu erschienenen histo¬ rischen Schriften sine sehr bedeutende Stellung einnimmt, umfaßt die Regie¬ rungen Heinrich II., Conrad II. und Heinrich III., also diejenige Periode, in welcher die Macht der deutschen Kaiser nicht blos in der Theorie, sondern auch in der Praxis den größten Umfang und die größte Jntensivität erreichte. Das ist der Unterschied gegen die Periode der Ottonen. Seitdem Otto I. die Kaiserkrone Karl des Großen erneut hatte, war die Idee derselben so¬ gleich auf die höchste Spitze getrieben, aber namentlich die beiden jungem Kaiser begnügten sich mit der Idee. Sie wollten als die Herrn des un¬ ermeßlichen Reich.s geehrt sein, viel weniger kam es ihnen darauf an, überall unmittelbar durchzugreifen. Unter den drei folgenden Regierungen dagegen wurde die Herrschermacht eine reale. Strenge Ordnungen wurden überall eingeführt, und der kaiserliche Wille, von mächtigen Persönlichkeiten getragen, in vielen Fällen sogar mit despotischer Strenge durchgesetzt. Die unterwor¬ fenen Nationen beugten sich dem Joch, wenn auch mit Widerwillen, und bei der Schwäche der Nachbarn lag der Gedanke nicht fern, von dem Namen zur That überzugehen, und eine Universalmonarchie nach Art des römischen Reichs wieder in Angriff zu nehmen. Diese Verhältnisse hat der Verfasser sehr gründlich auseinandergesetzt, und dabei Gelegenheit gefunden, zwei Umstände, die von den frühern Geschichtschreibern meistens verkannt wurden, näher aufzuhellen. Er hat nachgewiesen, daß Heinrich II., von dem man bis dahin ziemlich geringschätzig zu sprechen pflegte, mit entschiedener Con- sequenz einen zusammenhängenden und verständigen Pou verfolgte, einen Plan, durch welchen die kühnem Bewegungen der beiden ersten Salier allein möglich wurden. Im Gegensatz dazu weist er nach. daß man die Festigkeit der Macht, welche Heinrich III. in feinen letzten Lebensjahren erworben hatte, überschätzt, daß es sehr fraglich bleibt, ob auch der starke Wille dieses bedeu¬ tenden Mannes ausgereicht hätte, auf die Länge mit Glück den vereinigten Widersachern zu begegnen, denen sein Sohn erlag. Ueberhaupt war es ein Grenzboten I. 1358. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/209>, abgerufen am 22.12.2024.