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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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er bei, der Jahresfeier der Julirevolution: "Ich wünschte, ich könnte zu
einem andern Schlüsse tourner, als daß das öffentliche Vertrauen auf die
Dauer dieser Regierung einen starken Stoß erlitten; nicht nur aus inter¬
nationalen Gründen würde man jede neue Verwirrung in Frankreich, deren Rück¬
schlag in allen civilisirten Ländern gefühlt werden müßte, zu bedauern haben,
sondern ich glaube auch, daß in dem gegenwärtigen Zustande dieses Landes,
und abgesehen !von den Gefahren eines solchen Kampfes, keine Aenderung
zum Bessern daraus hervorgehen könnte/' -- "Was kann nun die Ursache
dieser Gefährdung einer Regierung sein, die äußerlich fester als je zu stehen
scheint? Das Erstaunen über einen solchen Widerspruch wird sich vermindern,
wenn man die Ursachen betrachtet, welche die sogenannte große conservative Ma¬
jorität von >K4<> zu Wege gebracht. Jeder Monat-hat meine Ueberzeugung
bestärkt, daß in dem gegenwärtigen Zustande Frankreichs keinerlei Anhäng¬
lichkeit an irgend eine Person, noch Ehrfurcht vor irgend einer Institution
enstirt, so daß das System nur aufrecht gehalten wird durch seine Jdenti-
ficirung mit den materiellen Interessen der mittlern Classen." -- Guizot hat
heftig geleugnet, daß das famose-Wort lKmieKiWcx-vous über seine Lippen
gekommen, es war jedenfalls der Ausdruck des Systems, man lese in seinen
damaligen Reden die Punkte seiner Vertheidigung, nach, kein einziger der An¬
griffe wird mit sachlichen Gründen widerlegt, er bietet nur Phrasen -- Ordnung,
Freiheit, Friede, Fortschritt -- schöne Worte ohne Inhalt, sobald sie nicht
das Resultat der realen Zustände in sich fassen. Niemand wird aus der Be¬
förderung der Industrie einer Regierung einen Vorwurf machen, besonders
nicht der Julimonarchie, welche auf diese Interessen sich besonders stützte, aber
sie machte die Speculationssucht zum Werkzeug der politischen Corruption, der
Mißbrauch der ministeriellen Gewalt bei den öffentlichen Arbeiten und nament¬
lich den Eisenbahnen war scandalös. Frankreich war in den Verkehrsanstalten
hinter seinen Nachbarn zurückgeblieben, statt alle Kräfte zu vereinen, um das
Versäumte nachzuholen, sahen die Minister in den Concessionen, Anstellungen
u. s. w. nur ein Mittel, sich am Nuder zu erhalten, und in jedem Winkel
Frankreichs machten ihre Kandidaten den Wählern fabelhafte Versprechungen,
was für den Bezirk gethan werden sollte, wenn sie gewühlt würden." Die
Majorität, sagt der Vf., welche aus diesen Wahlen hervorging, war den
Ministern nicht sowol zugethan, weil sie ihre Vergangenheit billigte, als weil
sie persönliche Vortheile von ihnen erwartete. -- Als dies geschrieben wurde,
war noch nicht Guizots Theilnahme um der Korruption bekannt, welche die
Debatten vom Januar 1848 offen darlegte, dies noch zd Beste, Cubiöres,
Prasum!

Man kann nicht schlechthin' sagen, daß Guizot die Julimonarchie gestürzt,
aber beigetragen hat er dazu gewiß mehr als ein anderer; man könnte ver-


er bei, der Jahresfeier der Julirevolution: „Ich wünschte, ich könnte zu
einem andern Schlüsse tourner, als daß das öffentliche Vertrauen auf die
Dauer dieser Regierung einen starken Stoß erlitten; nicht nur aus inter¬
nationalen Gründen würde man jede neue Verwirrung in Frankreich, deren Rück¬
schlag in allen civilisirten Ländern gefühlt werden müßte, zu bedauern haben,
sondern ich glaube auch, daß in dem gegenwärtigen Zustande dieses Landes,
und abgesehen !von den Gefahren eines solchen Kampfes, keine Aenderung
zum Bessern daraus hervorgehen könnte/' — „Was kann nun die Ursache
dieser Gefährdung einer Regierung sein, die äußerlich fester als je zu stehen
scheint? Das Erstaunen über einen solchen Widerspruch wird sich vermindern,
wenn man die Ursachen betrachtet, welche die sogenannte große conservative Ma¬
jorität von >K4<> zu Wege gebracht. Jeder Monat-hat meine Ueberzeugung
bestärkt, daß in dem gegenwärtigen Zustande Frankreichs keinerlei Anhäng¬
lichkeit an irgend eine Person, noch Ehrfurcht vor irgend einer Institution
enstirt, so daß das System nur aufrecht gehalten wird durch seine Jdenti-
ficirung mit den materiellen Interessen der mittlern Classen." — Guizot hat
heftig geleugnet, daß das famose-Wort lKmieKiWcx-vous über seine Lippen
gekommen, es war jedenfalls der Ausdruck des Systems, man lese in seinen
damaligen Reden die Punkte seiner Vertheidigung, nach, kein einziger der An¬
griffe wird mit sachlichen Gründen widerlegt, er bietet nur Phrasen — Ordnung,
Freiheit, Friede, Fortschritt — schöne Worte ohne Inhalt, sobald sie nicht
das Resultat der realen Zustände in sich fassen. Niemand wird aus der Be¬
förderung der Industrie einer Regierung einen Vorwurf machen, besonders
nicht der Julimonarchie, welche auf diese Interessen sich besonders stützte, aber
sie machte die Speculationssucht zum Werkzeug der politischen Corruption, der
Mißbrauch der ministeriellen Gewalt bei den öffentlichen Arbeiten und nament¬
lich den Eisenbahnen war scandalös. Frankreich war in den Verkehrsanstalten
hinter seinen Nachbarn zurückgeblieben, statt alle Kräfte zu vereinen, um das
Versäumte nachzuholen, sahen die Minister in den Concessionen, Anstellungen
u. s. w. nur ein Mittel, sich am Nuder zu erhalten, und in jedem Winkel
Frankreichs machten ihre Kandidaten den Wählern fabelhafte Versprechungen,
was für den Bezirk gethan werden sollte, wenn sie gewühlt würden." Die
Majorität, sagt der Vf., welche aus diesen Wahlen hervorging, war den
Ministern nicht sowol zugethan, weil sie ihre Vergangenheit billigte, als weil
sie persönliche Vortheile von ihnen erwartete. — Als dies geschrieben wurde,
war noch nicht Guizots Theilnahme um der Korruption bekannt, welche die
Debatten vom Januar 1848 offen darlegte, dies noch zd Beste, Cubiöres,
Prasum!

Man kann nicht schlechthin' sagen, daß Guizot die Julimonarchie gestürzt,
aber beigetragen hat er dazu gewiß mehr als ein anderer; man könnte ver-


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[0182] er bei, der Jahresfeier der Julirevolution: „Ich wünschte, ich könnte zu einem andern Schlüsse tourner, als daß das öffentliche Vertrauen auf die Dauer dieser Regierung einen starken Stoß erlitten; nicht nur aus inter¬ nationalen Gründen würde man jede neue Verwirrung in Frankreich, deren Rück¬ schlag in allen civilisirten Ländern gefühlt werden müßte, zu bedauern haben, sondern ich glaube auch, daß in dem gegenwärtigen Zustande dieses Landes, und abgesehen !von den Gefahren eines solchen Kampfes, keine Aenderung zum Bessern daraus hervorgehen könnte/' — „Was kann nun die Ursache dieser Gefährdung einer Regierung sein, die äußerlich fester als je zu stehen scheint? Das Erstaunen über einen solchen Widerspruch wird sich vermindern, wenn man die Ursachen betrachtet, welche die sogenannte große conservative Ma¬ jorität von >K4<> zu Wege gebracht. Jeder Monat-hat meine Ueberzeugung bestärkt, daß in dem gegenwärtigen Zustande Frankreichs keinerlei Anhäng¬ lichkeit an irgend eine Person, noch Ehrfurcht vor irgend einer Institution enstirt, so daß das System nur aufrecht gehalten wird durch seine Jdenti- ficirung mit den materiellen Interessen der mittlern Classen." — Guizot hat heftig geleugnet, daß das famose-Wort lKmieKiWcx-vous über seine Lippen gekommen, es war jedenfalls der Ausdruck des Systems, man lese in seinen damaligen Reden die Punkte seiner Vertheidigung, nach, kein einziger der An¬ griffe wird mit sachlichen Gründen widerlegt, er bietet nur Phrasen — Ordnung, Freiheit, Friede, Fortschritt — schöne Worte ohne Inhalt, sobald sie nicht das Resultat der realen Zustände in sich fassen. Niemand wird aus der Be¬ förderung der Industrie einer Regierung einen Vorwurf machen, besonders nicht der Julimonarchie, welche auf diese Interessen sich besonders stützte, aber sie machte die Speculationssucht zum Werkzeug der politischen Corruption, der Mißbrauch der ministeriellen Gewalt bei den öffentlichen Arbeiten und nament¬ lich den Eisenbahnen war scandalös. Frankreich war in den Verkehrsanstalten hinter seinen Nachbarn zurückgeblieben, statt alle Kräfte zu vereinen, um das Versäumte nachzuholen, sahen die Minister in den Concessionen, Anstellungen u. s. w. nur ein Mittel, sich am Nuder zu erhalten, und in jedem Winkel Frankreichs machten ihre Kandidaten den Wählern fabelhafte Versprechungen, was für den Bezirk gethan werden sollte, wenn sie gewühlt würden." Die Majorität, sagt der Vf., welche aus diesen Wahlen hervorging, war den Ministern nicht sowol zugethan, weil sie ihre Vergangenheit billigte, als weil sie persönliche Vortheile von ihnen erwartete. — Als dies geschrieben wurde, war noch nicht Guizots Theilnahme um der Korruption bekannt, welche die Debatten vom Januar 1848 offen darlegte, dies noch zd Beste, Cubiöres, Prasum! Man kann nicht schlechthin' sagen, daß Guizot die Julimonarchie gestürzt, aber beigetragen hat er dazu gewiß mehr als ein anderer; man könnte ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/182>, abgerufen am 22.12.2024.