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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Gründung von Hospizen, Hospitälern, landwirthschaftlichen Zufluchtsstätten, die
Stiftung von Betten in den Hospitälern, die Errichtung von Asylen,
Armenapotheken, Werkstätten.für Lehrlinge, Reformschulen, Gewerb- und an¬
deren Volksschulen niederer Classe, Abend- und Sonntagsschulen, Kleinkinder-
bewahranstalten und ähnlichen Instituten, endlich die bleibende oder zeitweilige
Austheilung von Almosen oder häuslichen Unterstützungen. Es ist ""verwehrt,
in die erwähnten Schulen zahlende Schüler aufzunehmen, doch darf ihre An¬
zahl die der nicht zahlenden nicht übersteigen. Diese Schulen sind übrigens
dem System der Beaufsichtigung unterworfen, welches durch das Gesetz vom
23. September 18i2 eingeführt worden ist." --

"Artikel 71. Die Stiftungen werden vom König genehmigt auf Antrag
der Verwaltungscommisslon des WohlthätigkeitSbureau so wie nach dem Gut¬
achten des Gemeinderaths und deS Provinzialausschusses. Sie .werden, nach¬
dem die Genehmigung ertheilt ist, vom Wohlthätigkeitsbureau übernommen." --

"Artikel 78. Den Stiftern ist gestattet, sich oder einem Dritten die Ver¬
waltung ihrer Stiftungen vorzubehalten oder zu Specialverwaltern Mitglieder
ihrer Familie in erblicher Weise oder die jedesmaligen Inhaber von bürgerli¬
chen oder geistlichen Stellen einzusetzen." --

Die Liberalen erkannten sofort die Tragweite dieses nothombschen Ge¬
setzes, namentlich nach der Auslegung, welche ihm Malon,-seine Partei ver¬
tretend, von der Tribüne zu geben für angemessen fand. ES konnte nieman¬
dem entgehen, daß die Urheber deS Entwurfs neben dem Interesse der Armen,
vorzüglich das der katholischen Kirche und ihrer Geistlichkeit im Auge gehabt
hatten, und daß das Princip der Freiheit, aus daS sich die Vertheidiger deö
Gesetzes beriefen, nur dazu diente, um jene Bestrebungen in ein günsti¬
geres Licht zu stellen. Man schloß dies aus einer Vergleichung deS faider-
schen Entwurfs mit dem jetzt vorliegenden. Jener erkannte, nnter Beibehal¬
tung allerdings einer einheitlich gegliederten öffentlichen Wohlthätigkeitsstelle,
den Grundsatz, daß die Barmherzigkeit sich frei müsse bewegen können, an; er
verfügte die Einweisung der Wohlthätigkeitsinstitute in den Besitz sämmtlicher
Schenkungen und Vermächtnisse, ließ aber die Befugniß frei, eine milde Stif¬
tung mit specieller Bestimmung und unter beschränkter Mitwirkung speciell be¬
zeichneter Personen zu begründen. Doch verlangte er in letzterem Fall die
Genehmigung der Legislatur. Der nothombsche Entwurf dagegen bestätigte,
trotz aller seiner von Beaufsichtigung und Bürgschaft gegen Mißbrauch han¬
delnden Paragraphen, grade dasjenige, mas der frühere zu vermeiden bestrebt
war. Der 70. Artikel erweiterte die Schranken, welche man der Bestimmung
der Stiftungen' setzen wollte und dehnte sie auf alle möglichen Volksunter-
richlöanstalten aus, so daß Gelegenheit geboten war, den Einfluß der vom
Staate begründeten und verwalteten Schulen zu schmälern. Der 71. Artikel


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Gründung von Hospizen, Hospitälern, landwirthschaftlichen Zufluchtsstätten, die
Stiftung von Betten in den Hospitälern, die Errichtung von Asylen,
Armenapotheken, Werkstätten.für Lehrlinge, Reformschulen, Gewerb- und an¬
deren Volksschulen niederer Classe, Abend- und Sonntagsschulen, Kleinkinder-
bewahranstalten und ähnlichen Instituten, endlich die bleibende oder zeitweilige
Austheilung von Almosen oder häuslichen Unterstützungen. Es ist »»verwehrt,
in die erwähnten Schulen zahlende Schüler aufzunehmen, doch darf ihre An¬
zahl die der nicht zahlenden nicht übersteigen. Diese Schulen sind übrigens
dem System der Beaufsichtigung unterworfen, welches durch das Gesetz vom
23. September 18i2 eingeführt worden ist." —

„Artikel 71. Die Stiftungen werden vom König genehmigt auf Antrag
der Verwaltungscommisslon des WohlthätigkeitSbureau so wie nach dem Gut¬
achten des Gemeinderaths und deS Provinzialausschusses. Sie .werden, nach¬
dem die Genehmigung ertheilt ist, vom Wohlthätigkeitsbureau übernommen." —

„Artikel 78. Den Stiftern ist gestattet, sich oder einem Dritten die Ver¬
waltung ihrer Stiftungen vorzubehalten oder zu Specialverwaltern Mitglieder
ihrer Familie in erblicher Weise oder die jedesmaligen Inhaber von bürgerli¬
chen oder geistlichen Stellen einzusetzen." —

Die Liberalen erkannten sofort die Tragweite dieses nothombschen Ge¬
setzes, namentlich nach der Auslegung, welche ihm Malon,-seine Partei ver¬
tretend, von der Tribüne zu geben für angemessen fand. ES konnte nieman¬
dem entgehen, daß die Urheber deS Entwurfs neben dem Interesse der Armen,
vorzüglich das der katholischen Kirche und ihrer Geistlichkeit im Auge gehabt
hatten, und daß das Princip der Freiheit, aus daS sich die Vertheidiger deö
Gesetzes beriefen, nur dazu diente, um jene Bestrebungen in ein günsti¬
geres Licht zu stellen. Man schloß dies aus einer Vergleichung deS faider-
schen Entwurfs mit dem jetzt vorliegenden. Jener erkannte, nnter Beibehal¬
tung allerdings einer einheitlich gegliederten öffentlichen Wohlthätigkeitsstelle,
den Grundsatz, daß die Barmherzigkeit sich frei müsse bewegen können, an; er
verfügte die Einweisung der Wohlthätigkeitsinstitute in den Besitz sämmtlicher
Schenkungen und Vermächtnisse, ließ aber die Befugniß frei, eine milde Stif¬
tung mit specieller Bestimmung und unter beschränkter Mitwirkung speciell be¬
zeichneter Personen zu begründen. Doch verlangte er in letzterem Fall die
Genehmigung der Legislatur. Der nothombsche Entwurf dagegen bestätigte,
trotz aller seiner von Beaufsichtigung und Bürgschaft gegen Mißbrauch han¬
delnden Paragraphen, grade dasjenige, mas der frühere zu vermeiden bestrebt
war. Der 70. Artikel erweiterte die Schranken, welche man der Bestimmung
der Stiftungen' setzen wollte und dehnte sie auf alle möglichen Volksunter-
richlöanstalten aus, so daß Gelegenheit geboten war, den Einfluß der vom
Staate begründeten und verwalteten Schulen zu schmälern. Der 71. Artikel


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[0499] Gründung von Hospizen, Hospitälern, landwirthschaftlichen Zufluchtsstätten, die Stiftung von Betten in den Hospitälern, die Errichtung von Asylen, Armenapotheken, Werkstätten.für Lehrlinge, Reformschulen, Gewerb- und an¬ deren Volksschulen niederer Classe, Abend- und Sonntagsschulen, Kleinkinder- bewahranstalten und ähnlichen Instituten, endlich die bleibende oder zeitweilige Austheilung von Almosen oder häuslichen Unterstützungen. Es ist »»verwehrt, in die erwähnten Schulen zahlende Schüler aufzunehmen, doch darf ihre An¬ zahl die der nicht zahlenden nicht übersteigen. Diese Schulen sind übrigens dem System der Beaufsichtigung unterworfen, welches durch das Gesetz vom 23. September 18i2 eingeführt worden ist." — „Artikel 71. Die Stiftungen werden vom König genehmigt auf Antrag der Verwaltungscommisslon des WohlthätigkeitSbureau so wie nach dem Gut¬ achten des Gemeinderaths und deS Provinzialausschusses. Sie .werden, nach¬ dem die Genehmigung ertheilt ist, vom Wohlthätigkeitsbureau übernommen." — „Artikel 78. Den Stiftern ist gestattet, sich oder einem Dritten die Ver¬ waltung ihrer Stiftungen vorzubehalten oder zu Specialverwaltern Mitglieder ihrer Familie in erblicher Weise oder die jedesmaligen Inhaber von bürgerli¬ chen oder geistlichen Stellen einzusetzen." — Die Liberalen erkannten sofort die Tragweite dieses nothombschen Ge¬ setzes, namentlich nach der Auslegung, welche ihm Malon,-seine Partei ver¬ tretend, von der Tribüne zu geben für angemessen fand. ES konnte nieman¬ dem entgehen, daß die Urheber deS Entwurfs neben dem Interesse der Armen, vorzüglich das der katholischen Kirche und ihrer Geistlichkeit im Auge gehabt hatten, und daß das Princip der Freiheit, aus daS sich die Vertheidiger deö Gesetzes beriefen, nur dazu diente, um jene Bestrebungen in ein günsti¬ geres Licht zu stellen. Man schloß dies aus einer Vergleichung deS faider- schen Entwurfs mit dem jetzt vorliegenden. Jener erkannte, nnter Beibehal¬ tung allerdings einer einheitlich gegliederten öffentlichen Wohlthätigkeitsstelle, den Grundsatz, daß die Barmherzigkeit sich frei müsse bewegen können, an; er verfügte die Einweisung der Wohlthätigkeitsinstitute in den Besitz sämmtlicher Schenkungen und Vermächtnisse, ließ aber die Befugniß frei, eine milde Stif¬ tung mit specieller Bestimmung und unter beschränkter Mitwirkung speciell be¬ zeichneter Personen zu begründen. Doch verlangte er in letzterem Fall die Genehmigung der Legislatur. Der nothombsche Entwurf dagegen bestätigte, trotz aller seiner von Beaufsichtigung und Bürgschaft gegen Mißbrauch han¬ delnden Paragraphen, grade dasjenige, mas der frühere zu vermeiden bestrebt war. Der 70. Artikel erweiterte die Schranken, welche man der Bestimmung der Stiftungen' setzen wollte und dehnte sie auf alle möglichen Volksunter- richlöanstalten aus, so daß Gelegenheit geboten war, den Einfluß der vom Staate begründeten und verwalteten Schulen zu schmälern. Der 71. Artikel 62"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/499>, abgerufen am 23.07.2024.