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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Häusern der persönliche Credit unmäßig benutzt worden ist und daß die zu
hoch gesteigerte Unternehmungslust auch in ehrlichen Geschäften zum Verderben
führen kann. Intelligenz und persönliche Tüchtigkeit deö Kaufmanns reichen
nicht aus, seinen großen Unternehmungen solide Basis zu geben, wenn ihnen
die letzte Unterlage, das entsprechende Capital, fehlt. Theuer bezahlt der
Deutsche, daß viele seiner berühmtesten Firmen diese alte Lehre vergessen haben.

In diesen Wochen, wo jede Post dem Geschäftsmann Finsteres und Ge¬
fährliches meldete und seine Thätigkeit mitten im Frieden nach einer gesegneten
Ernte so angstvoll war, wie kaum zur Zeit eines verwüstenden Krieges, hat
kein Ereignis) in der Handelswelt so viel Aufseh>n gemacht als die Noth Ham¬
burgs, das hamburgische Staatöauleheu von 10 Millionen M. B., und die
Stellung, welche die preußische und östreichische Negierung zu dieser Anleihe
eingenommen haben. Die Weigerung Preußens und die Bereitwilligkeit Oestreichs
werden als politische Acte von großer Bedeutung angesehen. Preußen hat
weniger in der Presse, welche, in politischen Fragen sich jetzt mit sehr natür¬
licher Vorsicht vernehmen läßt, aber wol in der öffentlichen Meinung wieder
eine unleugbare Niederlage erfahren, und Oestreich hat einen von den glänzenden
Erfolgen durchgesetzt, welche zwar in ihren letzten Folgen diesem Staate
nichts zu nutzen scheinen, wol aber die Wirkung haben, den Rival Preußen
in Schatten zu stellen. Bei ruhiger Erwägung des Sachverhältnisses wird sich
nicht verkennen lassen, daß die^preußische Regierung, welche sich jetzt in der
unbequemen Lage sieht, sogar mit einer Erklärung seines Ministerpräsidenten
auf der Defensive zu steheu, zwar die Vorwürfe nicht verdient, welche ihr
gemacht werden, wol aber andere, während Oestreich ebensowenig auf daS
Lob Anspruch hat, welches seinem deutschen Patriotismus gezollt wird, aller¬
dings,aber auf ein anderes.

Zwar setzt die Erklärung des preußischen Ministerpräsidenten nicht das
eigentliche Sachverhältniß auseinander, indeß ist dasselbe von Hamburg und
Berlin aus Der Handelswelt kein Geheimniß geblieben. Die preußische Regie¬
rung halte, als ihr zunächst der Antrag gemacht wurde, dem Staate Ham¬
burg 3 Millionen zu leihen, sich nur erboten, ein Filial ihrer Bank in Ham¬
burg zu errichten, um den dortigen Geschäften die durch möglichst liberale
Thätigkeit des Institutes zu erreichende Hilfe zu verschaffen. Doch sollte die
Zweigbank allein im einzelnen Falle entscheiden, ob sie Hilfe, zu leisten habe.
Es ist klar, daß Hamburg, welches eine Staatsauleihe verlangte und die Ver¬
wendung derselben selbstständig vornehmen wollte, darauf nicht eingehen konnte.
Die preußische Regierung stellte auch noch bei diesem Hilfsanerbieten die Ge¬
genforderung, daß Hamburg das Verhältniß der eignen Mark B. zum preu¬
ßischen Gelde gesetzlich feststellen und die preußischen Kassenscheine und Bank¬
noten zu diesem normirten Satze jederzeit in seinen Kassen annehmen solle. ES


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Häusern der persönliche Credit unmäßig benutzt worden ist und daß die zu
hoch gesteigerte Unternehmungslust auch in ehrlichen Geschäften zum Verderben
führen kann. Intelligenz und persönliche Tüchtigkeit deö Kaufmanns reichen
nicht aus, seinen großen Unternehmungen solide Basis zu geben, wenn ihnen
die letzte Unterlage, das entsprechende Capital, fehlt. Theuer bezahlt der
Deutsche, daß viele seiner berühmtesten Firmen diese alte Lehre vergessen haben.

In diesen Wochen, wo jede Post dem Geschäftsmann Finsteres und Ge¬
fährliches meldete und seine Thätigkeit mitten im Frieden nach einer gesegneten
Ernte so angstvoll war, wie kaum zur Zeit eines verwüstenden Krieges, hat
kein Ereignis) in der Handelswelt so viel Aufseh>n gemacht als die Noth Ham¬
burgs, das hamburgische Staatöauleheu von 10 Millionen M. B., und die
Stellung, welche die preußische und östreichische Negierung zu dieser Anleihe
eingenommen haben. Die Weigerung Preußens und die Bereitwilligkeit Oestreichs
werden als politische Acte von großer Bedeutung angesehen. Preußen hat
weniger in der Presse, welche, in politischen Fragen sich jetzt mit sehr natür¬
licher Vorsicht vernehmen läßt, aber wol in der öffentlichen Meinung wieder
eine unleugbare Niederlage erfahren, und Oestreich hat einen von den glänzenden
Erfolgen durchgesetzt, welche zwar in ihren letzten Folgen diesem Staate
nichts zu nutzen scheinen, wol aber die Wirkung haben, den Rival Preußen
in Schatten zu stellen. Bei ruhiger Erwägung des Sachverhältnisses wird sich
nicht verkennen lassen, daß die^preußische Regierung, welche sich jetzt in der
unbequemen Lage sieht, sogar mit einer Erklärung seines Ministerpräsidenten
auf der Defensive zu steheu, zwar die Vorwürfe nicht verdient, welche ihr
gemacht werden, wol aber andere, während Oestreich ebensowenig auf daS
Lob Anspruch hat, welches seinem deutschen Patriotismus gezollt wird, aller¬
dings,aber auf ein anderes.

Zwar setzt die Erklärung des preußischen Ministerpräsidenten nicht das
eigentliche Sachverhältniß auseinander, indeß ist dasselbe von Hamburg und
Berlin aus Der Handelswelt kein Geheimniß geblieben. Die preußische Regie¬
rung halte, als ihr zunächst der Antrag gemacht wurde, dem Staate Ham¬
burg 3 Millionen zu leihen, sich nur erboten, ein Filial ihrer Bank in Ham¬
burg zu errichten, um den dortigen Geschäften die durch möglichst liberale
Thätigkeit des Institutes zu erreichende Hilfe zu verschaffen. Doch sollte die
Zweigbank allein im einzelnen Falle entscheiden, ob sie Hilfe, zu leisten habe.
Es ist klar, daß Hamburg, welches eine Staatsauleihe verlangte und die Ver¬
wendung derselben selbstständig vornehmen wollte, darauf nicht eingehen konnte.
Die preußische Regierung stellte auch noch bei diesem Hilfsanerbieten die Ge¬
genforderung, daß Hamburg das Verhältniß der eignen Mark B. zum preu¬
ßischen Gelde gesetzlich feststellen und die preußischen Kassenscheine und Bank¬
noten zu diesem normirten Satze jederzeit in seinen Kassen annehmen solle. ES


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/491>, abgerufen am 23.07.2024.