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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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schen durch die Regelmäßigkeit der Unterstützungen in so weit verwöhnt und
der Slrbeil entfremdet, daß sie ohne dieselben dem Verhungern ausgesetzt gewesen
waren nur> jeder Pensionär, der in die Empfängerliste einrückte, wurde ein der
Hilfe Bedürftiger, wenn er es auch vorher nicht gewesen war. In Konstan-
tinopel, wohin das Institut der Brotaustheilung durch Konstantin den Großen
verpflanzt worden war, wurden besonders diejenigen bedacht, welche neue
Häuser erbauten, also wieder nicht die Aermsten und der Anspruch auf das Ge¬
schenk haftete dann an den Gebäuden, nicht an der Familie der Erbauer. In
Rom wird der Vrotvertheilung noch unter Theoderich, dem Ostgothen, gedacht
und öffentliche Getreidemagazine gab es dort in der späteren Zeit 333.

Zu den regelmäßigen Unterstützungen der Einwohner Roms müssen aber
ferner noch die sogenannten Congiarien (von Congiuö, dem Oelmaße)
d. I). Geschenke an Oel, Salz, Fleisch, Wein und Kleidern gerechnet werden.
Für den niedrigen Preis des Oels, welches die Römer nur als Nahrungs¬
mittel, nicht wie die Griechen für die Palästra benutzten, hatten schon in
früher Zeit die Aedilen Sorge getragen. Die spätere Gratislieferung desselben
war keine ununterbrochene, wie die des Brotes, und unter den Namen der
Wohlthäter werden besonders hervorgehoben: Cäsar, welcher im Jahre 46 v. Chr.
10 Pfd. Oel an den Mann vertheilte, und Septimius Severus; Kon¬
stantin, der Große, schaffte diese aus den Abgaben von Tripolis und Nicäa
fließende Schenkung gänzlich ab. Natürlich suchte man auch daS Fleisch billig
zu erhalten und Alexander Severus drückte z. B. die Preise desselben bedeutend
herab, indem er das Schlachten von Mutlerschweincn, Kühen und Kälbern
verbot. Allein erst Aurelian brachte die von nun an fortbestehende Sitte auf,
dem Bolle daS Schweinefleisch umsonst zu liefern, ja er hatte sogar im Sinne,
den Weinbedarf auch hinzuzufügen. In den fruchtbaren, waldreichen Gegen¬
den Etruliens und weiter hinauf bis an die Seealpen gab eS sehr viele un-
ougebaute Strecken, welche der Kaiser den Besitzern abkaufen und mit Kriegs¬
gefangenen bevölkern wollte. Die Hügel sollten bann mit Weinstöcken bepflanzt
werden, und der Ertrag dem römischen Volke überlassen bleiben. Schon waren
die Keltern, Fässer, Schiffe und Arbeitslöhne veranschlagt, als der Kaiser
den Gegenvorstellungen seiner nächsten Umgebung Gehör gab, und es dabei
bewenden ließ, daß er dem Volke Wein aus den kaiserlichen Kellern billig ver¬
dufte. Besonders soll der Präfect seiner Leibgarde durch den richtigen Aus¬
spruch da-u beigetragen haben: "Wenn wir dem Volke auch Wein geben, so
fehlt nur noch, daß wir ihm auch die Hühner und Gänse dazu schenken!"
Wie die Soldaten erhielt das Volk auch zuweilen Geldgeschenke, z. B. beim
Mündigwerden des Thronfolgers, wo auf den Kopf 43--->j Thlr. kommen,
(Antonin, der Philosoph, gab einmal SO Thlr.). An diesen Congiaricn Par¬
ticipium übrigens immer nur dieselben Personen, welche auch zum Empfang


schen durch die Regelmäßigkeit der Unterstützungen in so weit verwöhnt und
der Slrbeil entfremdet, daß sie ohne dieselben dem Verhungern ausgesetzt gewesen
waren nur> jeder Pensionär, der in die Empfängerliste einrückte, wurde ein der
Hilfe Bedürftiger, wenn er es auch vorher nicht gewesen war. In Konstan-
tinopel, wohin das Institut der Brotaustheilung durch Konstantin den Großen
verpflanzt worden war, wurden besonders diejenigen bedacht, welche neue
Häuser erbauten, also wieder nicht die Aermsten und der Anspruch auf das Ge¬
schenk haftete dann an den Gebäuden, nicht an der Familie der Erbauer. In
Rom wird der Vrotvertheilung noch unter Theoderich, dem Ostgothen, gedacht
und öffentliche Getreidemagazine gab es dort in der späteren Zeit 333.

Zu den regelmäßigen Unterstützungen der Einwohner Roms müssen aber
ferner noch die sogenannten Congiarien (von Congiuö, dem Oelmaße)
d. I). Geschenke an Oel, Salz, Fleisch, Wein und Kleidern gerechnet werden.
Für den niedrigen Preis des Oels, welches die Römer nur als Nahrungs¬
mittel, nicht wie die Griechen für die Palästra benutzten, hatten schon in
früher Zeit die Aedilen Sorge getragen. Die spätere Gratislieferung desselben
war keine ununterbrochene, wie die des Brotes, und unter den Namen der
Wohlthäter werden besonders hervorgehoben: Cäsar, welcher im Jahre 46 v. Chr.
10 Pfd. Oel an den Mann vertheilte, und Septimius Severus; Kon¬
stantin, der Große, schaffte diese aus den Abgaben von Tripolis und Nicäa
fließende Schenkung gänzlich ab. Natürlich suchte man auch daS Fleisch billig
zu erhalten und Alexander Severus drückte z. B. die Preise desselben bedeutend
herab, indem er das Schlachten von Mutlerschweincn, Kühen und Kälbern
verbot. Allein erst Aurelian brachte die von nun an fortbestehende Sitte auf,
dem Bolle daS Schweinefleisch umsonst zu liefern, ja er hatte sogar im Sinne,
den Weinbedarf auch hinzuzufügen. In den fruchtbaren, waldreichen Gegen¬
den Etruliens und weiter hinauf bis an die Seealpen gab eS sehr viele un-
ougebaute Strecken, welche der Kaiser den Besitzern abkaufen und mit Kriegs¬
gefangenen bevölkern wollte. Die Hügel sollten bann mit Weinstöcken bepflanzt
werden, und der Ertrag dem römischen Volke überlassen bleiben. Schon waren
die Keltern, Fässer, Schiffe und Arbeitslöhne veranschlagt, als der Kaiser
den Gegenvorstellungen seiner nächsten Umgebung Gehör gab, und es dabei
bewenden ließ, daß er dem Volke Wein aus den kaiserlichen Kellern billig ver¬
dufte. Besonders soll der Präfect seiner Leibgarde durch den richtigen Aus¬
spruch da-u beigetragen haben: „Wenn wir dem Volke auch Wein geben, so
fehlt nur noch, daß wir ihm auch die Hühner und Gänse dazu schenken!"
Wie die Soldaten erhielt das Volk auch zuweilen Geldgeschenke, z. B. beim
Mündigwerden des Thronfolgers, wo auf den Kopf 43—->j Thlr. kommen,
(Antonin, der Philosoph, gab einmal SO Thlr.). An diesen Congiaricn Par¬
ticipium übrigens immer nur dieselben Personen, welche auch zum Empfang


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/437>, abgerufen am 23.07.2024.