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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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zählbare Masse aus den niedern Ständen ums Leben. Erst später erhielten
auch die Ritter, wie schon früher die Senatoren, feste Plätze im Circus.
Aber für das schaulustige Rom, dessen Bevölkerung in der Kaiserzeit zwischen ein
und zwei Millionen schwankte, hatte selbst der große Circus zu wenig Raum.
Die Angaben über die Anzahl seiner Plätze sind sehr verschieden, schon deshalb
weil er vielfach umgebaut und vergrößert worden ist, die höchste ist 38S,0V0.
Aber nicht blos ganz Rom strömte bei interessanten und begehrten Schau¬
spielen in den Circus -- war doch Auguff genöthigt, bei einem seiner Feste
Wachen in den verlassenen Straßen aufzustellen, um Naubanfälle zu ver¬
hüten -- auch Fremde kamen zahlreich und oft aus weiter Ferne in die
Stadt. Bei den großen Schauspielen, die Julius Cäsar nach Bestegung
seiner sämmtlichen Gegner veranstaltete, war die Anzahl der Fremden so groß,
daß die meisten in Buden und Zelten übernachten mußten, die man auf der
Straße aufschlug, und sehr viele wurden im Gedränge todt 'gedrückt, darunter
zwei Senatoren. Wer also von der großen Mehrzahl deö Publicums (denn
zu den beiden ersten privilegirten Ständen gehörten wol nicht mehr als
10,000 Personen) nicht so glücklich war, ein paar handfeste Sklaven zu besitzen,
unter deren Schutz er ungefährdet einen guten Platz erreichen konnte, der
mußte sich wol entschließen, einen Theil der Nacht vor den Spielen schlaflos
zuzubringen, wenn er nicht sehr schlecht sitzen wollte. Da übrigens der Circus
ganz unbedeckt war, gab es keinen Schutz gegen die Glut der römischen
Sonne als breitkrämpige Hüte und Sonnenschirme, und keinen andern gegen
Wind und Regen als große Mäntel. Trotz alledem wurde das Wageureunen
grade von Frauen am eifrigsten besucht, ihre Schaulust war noch größer als
die der Männer, und durch Gedränge, Hitze und Staub nicht zu bändigen.
Sie kamen in der sorgfältigsten Toilette, wie Ovid versichert, nicht blos um
zu sehn, sondern auch um gesehn zu werden, und manche miethete für diese
Tage eine Garderobe, einen Tragsessel, ein Polster, ein Cork^ge uno eine
blonde Zofe, die hinter ihr stehn und ihre Aufträge empfangen mußte. Da nun
der Circus der einzige Schauplatz war, wo die Sitze der beiden Geschlechter
nicht getrennt waren (im Theater und Amphitheater waren den Frauen be¬
sondere obere Galerien angewiesen), so wurde er auch aus diesem Grunde
von der männlichen Jugend eifrig besucht, und galt alö ein sehr geeigneter
Orr für Aukaüpfung galanter Verhältnisse. "Mögen junge Männer hingehn,
schreibt Juvenal, für die es sich schickt mitzuschreien, hoch zu wetten und
neben einer eleganten Dame zu sitzen!" Ovid gibt ausführliche Regeln über die
kleinen Dienste, die man seiner Nachbarin erweisen konnte: als ihr ein Kissen
zurechtlegen, eine Fußbank herbeischaffen, ihr Luft zufächeln und ihr gegen
etwaige Belästigungen Anderer ritterlichen Schutz gewähren. Auch finden wir
in einer seiner römischen Elegien Proben der Unterhaltung, die in solche"


zählbare Masse aus den niedern Ständen ums Leben. Erst später erhielten
auch die Ritter, wie schon früher die Senatoren, feste Plätze im Circus.
Aber für das schaulustige Rom, dessen Bevölkerung in der Kaiserzeit zwischen ein
und zwei Millionen schwankte, hatte selbst der große Circus zu wenig Raum.
Die Angaben über die Anzahl seiner Plätze sind sehr verschieden, schon deshalb
weil er vielfach umgebaut und vergrößert worden ist, die höchste ist 38S,0V0.
Aber nicht blos ganz Rom strömte bei interessanten und begehrten Schau¬
spielen in den Circus — war doch Auguff genöthigt, bei einem seiner Feste
Wachen in den verlassenen Straßen aufzustellen, um Naubanfälle zu ver¬
hüten — auch Fremde kamen zahlreich und oft aus weiter Ferne in die
Stadt. Bei den großen Schauspielen, die Julius Cäsar nach Bestegung
seiner sämmtlichen Gegner veranstaltete, war die Anzahl der Fremden so groß,
daß die meisten in Buden und Zelten übernachten mußten, die man auf der
Straße aufschlug, und sehr viele wurden im Gedränge todt 'gedrückt, darunter
zwei Senatoren. Wer also von der großen Mehrzahl deö Publicums (denn
zu den beiden ersten privilegirten Ständen gehörten wol nicht mehr als
10,000 Personen) nicht so glücklich war, ein paar handfeste Sklaven zu besitzen,
unter deren Schutz er ungefährdet einen guten Platz erreichen konnte, der
mußte sich wol entschließen, einen Theil der Nacht vor den Spielen schlaflos
zuzubringen, wenn er nicht sehr schlecht sitzen wollte. Da übrigens der Circus
ganz unbedeckt war, gab es keinen Schutz gegen die Glut der römischen
Sonne als breitkrämpige Hüte und Sonnenschirme, und keinen andern gegen
Wind und Regen als große Mäntel. Trotz alledem wurde das Wageureunen
grade von Frauen am eifrigsten besucht, ihre Schaulust war noch größer als
die der Männer, und durch Gedränge, Hitze und Staub nicht zu bändigen.
Sie kamen in der sorgfältigsten Toilette, wie Ovid versichert, nicht blos um
zu sehn, sondern auch um gesehn zu werden, und manche miethete für diese
Tage eine Garderobe, einen Tragsessel, ein Polster, ein Cork^ge uno eine
blonde Zofe, die hinter ihr stehn und ihre Aufträge empfangen mußte. Da nun
der Circus der einzige Schauplatz war, wo die Sitze der beiden Geschlechter
nicht getrennt waren (im Theater und Amphitheater waren den Frauen be¬
sondere obere Galerien angewiesen), so wurde er auch aus diesem Grunde
von der männlichen Jugend eifrig besucht, und galt alö ein sehr geeigneter
Orr für Aukaüpfung galanter Verhältnisse. „Mögen junge Männer hingehn,
schreibt Juvenal, für die es sich schickt mitzuschreien, hoch zu wetten und
neben einer eleganten Dame zu sitzen!" Ovid gibt ausführliche Regeln über die
kleinen Dienste, die man seiner Nachbarin erweisen konnte: als ihr ein Kissen
zurechtlegen, eine Fußbank herbeischaffen, ihr Luft zufächeln und ihr gegen
etwaige Belästigungen Anderer ritterlichen Schutz gewähren. Auch finden wir
in einer seiner römischen Elegien Proben der Unterhaltung, die in solche»


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[0396] zählbare Masse aus den niedern Ständen ums Leben. Erst später erhielten auch die Ritter, wie schon früher die Senatoren, feste Plätze im Circus. Aber für das schaulustige Rom, dessen Bevölkerung in der Kaiserzeit zwischen ein und zwei Millionen schwankte, hatte selbst der große Circus zu wenig Raum. Die Angaben über die Anzahl seiner Plätze sind sehr verschieden, schon deshalb weil er vielfach umgebaut und vergrößert worden ist, die höchste ist 38S,0V0. Aber nicht blos ganz Rom strömte bei interessanten und begehrten Schau¬ spielen in den Circus — war doch Auguff genöthigt, bei einem seiner Feste Wachen in den verlassenen Straßen aufzustellen, um Naubanfälle zu ver¬ hüten — auch Fremde kamen zahlreich und oft aus weiter Ferne in die Stadt. Bei den großen Schauspielen, die Julius Cäsar nach Bestegung seiner sämmtlichen Gegner veranstaltete, war die Anzahl der Fremden so groß, daß die meisten in Buden und Zelten übernachten mußten, die man auf der Straße aufschlug, und sehr viele wurden im Gedränge todt 'gedrückt, darunter zwei Senatoren. Wer also von der großen Mehrzahl deö Publicums (denn zu den beiden ersten privilegirten Ständen gehörten wol nicht mehr als 10,000 Personen) nicht so glücklich war, ein paar handfeste Sklaven zu besitzen, unter deren Schutz er ungefährdet einen guten Platz erreichen konnte, der mußte sich wol entschließen, einen Theil der Nacht vor den Spielen schlaflos zuzubringen, wenn er nicht sehr schlecht sitzen wollte. Da übrigens der Circus ganz unbedeckt war, gab es keinen Schutz gegen die Glut der römischen Sonne als breitkrämpige Hüte und Sonnenschirme, und keinen andern gegen Wind und Regen als große Mäntel. Trotz alledem wurde das Wageureunen grade von Frauen am eifrigsten besucht, ihre Schaulust war noch größer als die der Männer, und durch Gedränge, Hitze und Staub nicht zu bändigen. Sie kamen in der sorgfältigsten Toilette, wie Ovid versichert, nicht blos um zu sehn, sondern auch um gesehn zu werden, und manche miethete für diese Tage eine Garderobe, einen Tragsessel, ein Polster, ein Cork^ge uno eine blonde Zofe, die hinter ihr stehn und ihre Aufträge empfangen mußte. Da nun der Circus der einzige Schauplatz war, wo die Sitze der beiden Geschlechter nicht getrennt waren (im Theater und Amphitheater waren den Frauen be¬ sondere obere Galerien angewiesen), so wurde er auch aus diesem Grunde von der männlichen Jugend eifrig besucht, und galt alö ein sehr geeigneter Orr für Aukaüpfung galanter Verhältnisse. „Mögen junge Männer hingehn, schreibt Juvenal, für die es sich schickt mitzuschreien, hoch zu wetten und neben einer eleganten Dame zu sitzen!" Ovid gibt ausführliche Regeln über die kleinen Dienste, die man seiner Nachbarin erweisen konnte: als ihr ein Kissen zurechtlegen, eine Fußbank herbeischaffen, ihr Luft zufächeln und ihr gegen etwaige Belästigungen Anderer ritterlichen Schutz gewähren. Auch finden wir in einer seiner römischen Elegien Proben der Unterhaltung, die in solche»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/396>, abgerufen am 23.07.2024.