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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Erst nach gar manchen Schicksalen ist die Bibliothek im Jahre 1840 in
ihre jetzige stattliche Behausung eingezogen. Als 1640 beschlossen war, der
stark angewachsenen Bibliothek einen große" Saal im Se. Johanniskloster an¬
zuweisen, gerieth die Behörde in argen Streit mit den Klosterjungfrauen, die
jenen Saal zum Zeugtrocknen benutzten. Ja als eine Deputation deö Senats
und der Oberalten mit den Rathsmeistern daS Local in Augenschein nehmen
wollte, "setzten sich die Jungfrauen wider die Thür und brachten den Schlüssel
erst, als man einen Schmidt betete holen lassen." -- Als später nach dem
wolfschen Vermächtnisse auch dieser Raum zu eng wurde, dachte man an den
Ankauf eines geeigneten großen Gebäudes. Professor Wolf, dessen Stimme
natürlich dabei sehr in die Wagschale fiel, war anfangs für diesen Ankauf;
allein seine Schwester brachte in Kunde, daß betreffendes Hans ehemals von
sehr sündhaften Adeligen bewohnt gewesen war. Ihr erschienen daher die
Räume zu sehr entwürdigt für die Bücher, und Professor Wolf folgte seiner
Schwester. Da begnügte man sich denn mit dem Ausbau der alten Räum¬
lichkeiten im Johanniskloster, und beschaff!? das nöthige Geld dazu 1741 durch
eine Lotterie. Wer weiß! die Felge der weiblichen Thorheit war vielleicht so
nachtheilig nicht; wäre jenes noch bestehende Haus gekauft worden, so müßte
vielleicht noch heute die Bibliothek sich hier behelfen. Zum mindesten blieb ohne
jenen Kauf die Nothwendigkeit, innen Raum zu schaffen, dringender und als
daher die neuen Schulgebäude auf dem Platze des alten abgebrochenen Domes
aufgebaut wurden, erhielt daselbst auch die Bibliothek ihre Säle.

Je mehr die Bibliothek anwuchs, um so nothwendiger wurde ein Biblio¬
thekar. Der erste wurde 1650 ernannt.

Seit dem Beginn dieses Jahrhunderts war ein vergrößertes Personal
nothwendig, denn seit 1801 erhielt die Bibliothek durch Rath- und Bürger¬
schluß jährlich die Summe von 1350 Thlr. zur Anschaffung von Büchern.
Wenn gleich diese Summe gering ist, und dem steigenden geistigen Bedürfniß
nicht mehr entspricht, so gewinnt sie doch an Bedeutung dadurch, daß die
"ben genannten anderen Büchersammlungen ihre eignen Ausgaben jährlich
l'estreiten, und daß die verschiedenen Bibliotheken beim Ankauf neuer Bücher
nach ihrem Fache Hand in Hand gehen. Darnach wurden zufolge einer
Berechnung vom Jahre 1847 für die genannten Bibliotheken jährlich 6000 Thlr.
verausgabt. Diese Summe bleibt sehr zurück hinter den 10,000 Thlr. der
^uiglichen Bibliothek in Berlin oder hinter den 12,000 Thlr. der göttinger
Bibliothek; allein sie übertrifft den jährlichen Bibliotheksetat der meisten kleinen
Universitäten. So wurden nach einer Angabe vom Jahre 1847 in Halle nur
2,820 Thlr. verwendet. Ueberdies ist obige Angabe des Etats der gestimmten
fünf zusammen wirkenden Bibliotheken bestimmt zu niedrig.

Die Commerzbibliothek allein soll bisweilen die Hälfte jener Summe


Erst nach gar manchen Schicksalen ist die Bibliothek im Jahre 1840 in
ihre jetzige stattliche Behausung eingezogen. Als 1640 beschlossen war, der
stark angewachsenen Bibliothek einen große» Saal im Se. Johanniskloster an¬
zuweisen, gerieth die Behörde in argen Streit mit den Klosterjungfrauen, die
jenen Saal zum Zeugtrocknen benutzten. Ja als eine Deputation deö Senats
und der Oberalten mit den Rathsmeistern daS Local in Augenschein nehmen
wollte, „setzten sich die Jungfrauen wider die Thür und brachten den Schlüssel
erst, als man einen Schmidt betete holen lassen." — Als später nach dem
wolfschen Vermächtnisse auch dieser Raum zu eng wurde, dachte man an den
Ankauf eines geeigneten großen Gebäudes. Professor Wolf, dessen Stimme
natürlich dabei sehr in die Wagschale fiel, war anfangs für diesen Ankauf;
allein seine Schwester brachte in Kunde, daß betreffendes Hans ehemals von
sehr sündhaften Adeligen bewohnt gewesen war. Ihr erschienen daher die
Räume zu sehr entwürdigt für die Bücher, und Professor Wolf folgte seiner
Schwester. Da begnügte man sich denn mit dem Ausbau der alten Räum¬
lichkeiten im Johanniskloster, und beschaff!? das nöthige Geld dazu 1741 durch
eine Lotterie. Wer weiß! die Felge der weiblichen Thorheit war vielleicht so
nachtheilig nicht; wäre jenes noch bestehende Haus gekauft worden, so müßte
vielleicht noch heute die Bibliothek sich hier behelfen. Zum mindesten blieb ohne
jenen Kauf die Nothwendigkeit, innen Raum zu schaffen, dringender und als
daher die neuen Schulgebäude auf dem Platze des alten abgebrochenen Domes
aufgebaut wurden, erhielt daselbst auch die Bibliothek ihre Säle.

Je mehr die Bibliothek anwuchs, um so nothwendiger wurde ein Biblio¬
thekar. Der erste wurde 1650 ernannt.

Seit dem Beginn dieses Jahrhunderts war ein vergrößertes Personal
nothwendig, denn seit 1801 erhielt die Bibliothek durch Rath- und Bürger¬
schluß jährlich die Summe von 1350 Thlr. zur Anschaffung von Büchern.
Wenn gleich diese Summe gering ist, und dem steigenden geistigen Bedürfniß
nicht mehr entspricht, so gewinnt sie doch an Bedeutung dadurch, daß die
"ben genannten anderen Büchersammlungen ihre eignen Ausgaben jährlich
l'estreiten, und daß die verschiedenen Bibliotheken beim Ankauf neuer Bücher
nach ihrem Fache Hand in Hand gehen. Darnach wurden zufolge einer
Berechnung vom Jahre 1847 für die genannten Bibliotheken jährlich 6000 Thlr.
verausgabt. Diese Summe bleibt sehr zurück hinter den 10,000 Thlr. der
^uiglichen Bibliothek in Berlin oder hinter den 12,000 Thlr. der göttinger
Bibliothek; allein sie übertrifft den jährlichen Bibliotheksetat der meisten kleinen
Universitäten. So wurden nach einer Angabe vom Jahre 1847 in Halle nur
2,820 Thlr. verwendet. Ueberdies ist obige Angabe des Etats der gestimmten
fünf zusammen wirkenden Bibliotheken bestimmt zu niedrig.

Die Commerzbibliothek allein soll bisweilen die Hälfte jener Summe


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[0309] Erst nach gar manchen Schicksalen ist die Bibliothek im Jahre 1840 in ihre jetzige stattliche Behausung eingezogen. Als 1640 beschlossen war, der stark angewachsenen Bibliothek einen große» Saal im Se. Johanniskloster an¬ zuweisen, gerieth die Behörde in argen Streit mit den Klosterjungfrauen, die jenen Saal zum Zeugtrocknen benutzten. Ja als eine Deputation deö Senats und der Oberalten mit den Rathsmeistern daS Local in Augenschein nehmen wollte, „setzten sich die Jungfrauen wider die Thür und brachten den Schlüssel erst, als man einen Schmidt betete holen lassen." — Als später nach dem wolfschen Vermächtnisse auch dieser Raum zu eng wurde, dachte man an den Ankauf eines geeigneten großen Gebäudes. Professor Wolf, dessen Stimme natürlich dabei sehr in die Wagschale fiel, war anfangs für diesen Ankauf; allein seine Schwester brachte in Kunde, daß betreffendes Hans ehemals von sehr sündhaften Adeligen bewohnt gewesen war. Ihr erschienen daher die Räume zu sehr entwürdigt für die Bücher, und Professor Wolf folgte seiner Schwester. Da begnügte man sich denn mit dem Ausbau der alten Räum¬ lichkeiten im Johanniskloster, und beschaff!? das nöthige Geld dazu 1741 durch eine Lotterie. Wer weiß! die Felge der weiblichen Thorheit war vielleicht so nachtheilig nicht; wäre jenes noch bestehende Haus gekauft worden, so müßte vielleicht noch heute die Bibliothek sich hier behelfen. Zum mindesten blieb ohne jenen Kauf die Nothwendigkeit, innen Raum zu schaffen, dringender und als daher die neuen Schulgebäude auf dem Platze des alten abgebrochenen Domes aufgebaut wurden, erhielt daselbst auch die Bibliothek ihre Säle. Je mehr die Bibliothek anwuchs, um so nothwendiger wurde ein Biblio¬ thekar. Der erste wurde 1650 ernannt. Seit dem Beginn dieses Jahrhunderts war ein vergrößertes Personal nothwendig, denn seit 1801 erhielt die Bibliothek durch Rath- und Bürger¬ schluß jährlich die Summe von 1350 Thlr. zur Anschaffung von Büchern. Wenn gleich diese Summe gering ist, und dem steigenden geistigen Bedürfniß nicht mehr entspricht, so gewinnt sie doch an Bedeutung dadurch, daß die "ben genannten anderen Büchersammlungen ihre eignen Ausgaben jährlich l'estreiten, und daß die verschiedenen Bibliotheken beim Ankauf neuer Bücher nach ihrem Fache Hand in Hand gehen. Darnach wurden zufolge einer Berechnung vom Jahre 1847 für die genannten Bibliotheken jährlich 6000 Thlr. verausgabt. Diese Summe bleibt sehr zurück hinter den 10,000 Thlr. der ^uiglichen Bibliothek in Berlin oder hinter den 12,000 Thlr. der göttinger Bibliothek; allein sie übertrifft den jährlichen Bibliotheksetat der meisten kleinen Universitäten. So wurden nach einer Angabe vom Jahre 1847 in Halle nur 2,820 Thlr. verwendet. Ueberdies ist obige Angabe des Etats der gestimmten fünf zusammen wirkenden Bibliotheken bestimmt zu niedrig. Die Commerzbibliothek allein soll bisweilen die Hälfte jener Summe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/309>, abgerufen am 23.07.2024.