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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Flusse baden, d. l). sich taufen. Die Taufformel scheint ebensowenig, in Ge¬
brauch zu sein wie daS Vaterunser. Von ihrer Taufe ab sollen die Bekehrten
Hoang Schang Ti Morgens und Abends um Schutz und die Gabe deS hei¬
ligen Geistes bitten, ihm vor dem Essen danken, ihn am siebenten Tage der
Woche für seine Güte preisen. Sie haben ferner sich vor der Anbetung fal¬
scher Götter und vor den Schlechtigkeiten der Welt eifrig zu hüten. Thun
sie dies, so werden sie sich im Leben des Schutzes Gottes und nach de." Tode
ewiger Seligkeit erfreuen. Wie der Buddhismus sein charakteristisches Merk¬
mal darin hatte, daß er im Gegensatz zum Brahmaneiuhum allen Menschen,
abgesehen vom Kastenunterschiede, den Weg zur höchsten Stufe der Seligkeit
eröffnete, so spricht das Taipingchristenlhum im Gegensatz zu einer Bestim-
"Murg der chinesischen Staatsreligion, welche nur dem Kaiser daS Recht, Ho-
ang Schang Ti anzubeten, zugesteht, jedem dieses Recht zu, und wir finden
lune Spur eines zwischen Gott und gewöhnlichen Menschen vermittelnden
Priesterthums,

Bei ihrem Gottesdienst, der sich Sonntags mehrmals wiederholt, singen
sie allerlei Loblieder auf Gott und Jesus, und zwar thun sie dies sitzend.
Dann knien sie nieder und schließen die Augen, während einer von ihnen laut
betet. Ihr Gesang ist von der disharmonischen Musik begleitet, welche bei
allen chinesischen Festen eine Rolle spielt. In den Sälen, wo sie sich zum
Gottesdienst versammeln, sind Tische mit verschiedenen Arten von Lebens.
Mitteln, namentlich Schalen mit Thee, als Opfergaben für Gott aufgestellt
Die Abendmahlsfeier scheint bei ihnen nicht in Gebrauch zu sein. Eine der
Hymnen, die sie des Sonntags singen, ist folgende:

"Wir loben und preisen Schang Ti als den himmlischen, heiligen Vater.
Wir loben und preisen Jesus als den Erlöser der Welt, den heiligen Herrn.
Wir loben und preisen den heiligen Geist, als die heilige Intelligenz. Wir
loben und preisen die drei Personen, als den vereinigten wahren Gott (wie
man sieht, ein Widerspruch mit der soeben erwähnten Auffassung des Wesens
Jesu). Die wahren Lehren sind sicherlich verschieden von den Lehren der Welt;
s'e ern-Neu die Seele des Menschen und führen zu seiner ewigen Seligkeit.
Die Weisen nehmen sie freudig auf als Mittel zur Seligkeit; die Thoren,
wenn sie erwachen, sehen sich durch sie den Weg zum Himmel geöffnet. Der
himmlische Vater, in seiner Güte groß und unendlich, schonte seinen ältesten
Sohn nicht, sondern san'dle ihn herab in die Welt, und er gab sein Leben
h>n, um für unsere Bosheiten zu büßen (abermals ein Widerspruch, wenn
keine Erbsünde eristirt). Wenn die Menschen bereuen und sich bessern, so
werden ihre Seelen fähig werden, in den Himmel zu kommen."

Dieser Lobgesang wurde in der Folge umgestaltet, indem man den The>l
der Dorologie, welcher den heiligen Geist und die Dreieinigkeit preist, weg.


Grenzboten. IV. ->8!i7.

Flusse baden, d. l). sich taufen. Die Taufformel scheint ebensowenig, in Ge¬
brauch zu sein wie daS Vaterunser. Von ihrer Taufe ab sollen die Bekehrten
Hoang Schang Ti Morgens und Abends um Schutz und die Gabe deS hei¬
ligen Geistes bitten, ihm vor dem Essen danken, ihn am siebenten Tage der
Woche für seine Güte preisen. Sie haben ferner sich vor der Anbetung fal¬
scher Götter und vor den Schlechtigkeiten der Welt eifrig zu hüten. Thun
sie dies, so werden sie sich im Leben des Schutzes Gottes und nach de.» Tode
ewiger Seligkeit erfreuen. Wie der Buddhismus sein charakteristisches Merk¬
mal darin hatte, daß er im Gegensatz zum Brahmaneiuhum allen Menschen,
abgesehen vom Kastenunterschiede, den Weg zur höchsten Stufe der Seligkeit
eröffnete, so spricht das Taipingchristenlhum im Gegensatz zu einer Bestim-
»Murg der chinesischen Staatsreligion, welche nur dem Kaiser daS Recht, Ho-
ang Schang Ti anzubeten, zugesteht, jedem dieses Recht zu, und wir finden
lune Spur eines zwischen Gott und gewöhnlichen Menschen vermittelnden
Priesterthums,

Bei ihrem Gottesdienst, der sich Sonntags mehrmals wiederholt, singen
sie allerlei Loblieder auf Gott und Jesus, und zwar thun sie dies sitzend.
Dann knien sie nieder und schließen die Augen, während einer von ihnen laut
betet. Ihr Gesang ist von der disharmonischen Musik begleitet, welche bei
allen chinesischen Festen eine Rolle spielt. In den Sälen, wo sie sich zum
Gottesdienst versammeln, sind Tische mit verschiedenen Arten von Lebens.
Mitteln, namentlich Schalen mit Thee, als Opfergaben für Gott aufgestellt
Die Abendmahlsfeier scheint bei ihnen nicht in Gebrauch zu sein. Eine der
Hymnen, die sie des Sonntags singen, ist folgende:

„Wir loben und preisen Schang Ti als den himmlischen, heiligen Vater.
Wir loben und preisen Jesus als den Erlöser der Welt, den heiligen Herrn.
Wir loben und preisen den heiligen Geist, als die heilige Intelligenz. Wir
loben und preisen die drei Personen, als den vereinigten wahren Gott (wie
man sieht, ein Widerspruch mit der soeben erwähnten Auffassung des Wesens
Jesu). Die wahren Lehren sind sicherlich verschieden von den Lehren der Welt;
s'e ern-Neu die Seele des Menschen und führen zu seiner ewigen Seligkeit.
Die Weisen nehmen sie freudig auf als Mittel zur Seligkeit; die Thoren,
wenn sie erwachen, sehen sich durch sie den Weg zum Himmel geöffnet. Der
himmlische Vater, in seiner Güte groß und unendlich, schonte seinen ältesten
Sohn nicht, sondern san'dle ihn herab in die Welt, und er gab sein Leben
h>n, um für unsere Bosheiten zu büßen (abermals ein Widerspruch, wenn
keine Erbsünde eristirt). Wenn die Menschen bereuen und sich bessern, so
werden ihre Seelen fähig werden, in den Himmel zu kommen."

Dieser Lobgesang wurde in der Folge umgestaltet, indem man den The>l
der Dorologie, welcher den heiligen Geist und die Dreieinigkeit preist, weg.


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[0273] Flusse baden, d. l). sich taufen. Die Taufformel scheint ebensowenig, in Ge¬ brauch zu sein wie daS Vaterunser. Von ihrer Taufe ab sollen die Bekehrten Hoang Schang Ti Morgens und Abends um Schutz und die Gabe deS hei¬ ligen Geistes bitten, ihm vor dem Essen danken, ihn am siebenten Tage der Woche für seine Güte preisen. Sie haben ferner sich vor der Anbetung fal¬ scher Götter und vor den Schlechtigkeiten der Welt eifrig zu hüten. Thun sie dies, so werden sie sich im Leben des Schutzes Gottes und nach de.» Tode ewiger Seligkeit erfreuen. Wie der Buddhismus sein charakteristisches Merk¬ mal darin hatte, daß er im Gegensatz zum Brahmaneiuhum allen Menschen, abgesehen vom Kastenunterschiede, den Weg zur höchsten Stufe der Seligkeit eröffnete, so spricht das Taipingchristenlhum im Gegensatz zu einer Bestim- »Murg der chinesischen Staatsreligion, welche nur dem Kaiser daS Recht, Ho- ang Schang Ti anzubeten, zugesteht, jedem dieses Recht zu, und wir finden lune Spur eines zwischen Gott und gewöhnlichen Menschen vermittelnden Priesterthums, Bei ihrem Gottesdienst, der sich Sonntags mehrmals wiederholt, singen sie allerlei Loblieder auf Gott und Jesus, und zwar thun sie dies sitzend. Dann knien sie nieder und schließen die Augen, während einer von ihnen laut betet. Ihr Gesang ist von der disharmonischen Musik begleitet, welche bei allen chinesischen Festen eine Rolle spielt. In den Sälen, wo sie sich zum Gottesdienst versammeln, sind Tische mit verschiedenen Arten von Lebens. Mitteln, namentlich Schalen mit Thee, als Opfergaben für Gott aufgestellt Die Abendmahlsfeier scheint bei ihnen nicht in Gebrauch zu sein. Eine der Hymnen, die sie des Sonntags singen, ist folgende: „Wir loben und preisen Schang Ti als den himmlischen, heiligen Vater. Wir loben und preisen Jesus als den Erlöser der Welt, den heiligen Herrn. Wir loben und preisen den heiligen Geist, als die heilige Intelligenz. Wir loben und preisen die drei Personen, als den vereinigten wahren Gott (wie man sieht, ein Widerspruch mit der soeben erwähnten Auffassung des Wesens Jesu). Die wahren Lehren sind sicherlich verschieden von den Lehren der Welt; s'e ern-Neu die Seele des Menschen und führen zu seiner ewigen Seligkeit. Die Weisen nehmen sie freudig auf als Mittel zur Seligkeit; die Thoren, wenn sie erwachen, sehen sich durch sie den Weg zum Himmel geöffnet. Der himmlische Vater, in seiner Güte groß und unendlich, schonte seinen ältesten Sohn nicht, sondern san'dle ihn herab in die Welt, und er gab sein Leben h>n, um für unsere Bosheiten zu büßen (abermals ein Widerspruch, wenn keine Erbsünde eristirt). Wenn die Menschen bereuen und sich bessern, so werden ihre Seelen fähig werden, in den Himmel zu kommen." Dieser Lobgesang wurde in der Folge umgestaltet, indem man den The>l der Dorologie, welcher den heiligen Geist und die Dreieinigkeit preist, weg. Grenzboten. IV. ->8!i7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/273>, abgerufen am 23.07.2024.