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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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90 feiste Exemplare mit rothen, oft kupferrothen Gesichtern, aus denen so wenig
Geist hervorleuchtete und so viel vom Gegensatz des Geistes. Viele tragen
zwar Brillen, allein man sieht, daß es eine falsche Geistesschminke ist, man
merkt die Absicht und wird verstimmt. Wenn ich so diese selten Leute in ihren
breterdicken Kutten unter einer afrikanischen Sonne einherwackeln sah, fing
ich schon bei dem Anblicke an zu schwitzen. Mein Gott, dachte ich manchmal
bei mir, wenn du ein solcher Unglücklicher wärst und in dieser Kutte auf den
Watzmann, ja nur auf das Dach des Mailänder Doms oder auf den Markus¬
thurm in Venedig steigen müßtest! Aber das Mittel ist probat, um die Klo¬
sterleute so viel wie möglich vor der allzugroßen Vermischung mit der Welt
und ihrer Lust zu bewahren, und dann, was können die Leute bei solcher
Tracht und solcher Kost für ihre Bäuche und ihre Gesichter! Indeß leidet doch
das clolee f-rr nientv der Mönche manche Ausnahmen; die Weltgeistlichkeit
bedarf jetzt oft der Aushilfe durch Klostergeistliche, und nicht selten traf ich
mit Mönchen zusammen, welche auf einem solchen Wege begriffen waren, wo¬
bei in dem Falle, daß eS Bettelmönche waren, die Klosterkasse das Billet für
den Stellwagen, die Eisenbahn u. s. f. bezahlte; denn der Einzelne soll kein
Geld in die Hände bekommen. Nur ein einziges Mal habe ich übrigens
einen Mönch mit dem Bettelkorbe gesehen; aber der war wegen seines entsetz¬
lichen Ansehens eine Erscheinung, welche klafterntief unter dem Niveau eines
civilisirten Menschen stand. Der Mangel an jedem liebenswürdigen Ausdrucke
wurde nur durch den Ueberfluß des dreisten Gesichtes aufgewogen.

Aber einer von den östreichischen Mönchsorlen macht, auch auf die da-
sige gebildete Laienwelt, nicht den Eindruck des geistlosen Wesens. Es ist dies
der Orden der Jesuiten. Während die meisten übrigen Klöster bei der
Aufnahme der Novizen unmöglich mit Auswahl verfahre" können, öffnen die
Jesuiten ihre Pforten nur solchen Rekruten, deren Klugheit, Gewandtheit,
deren gelehrter oder gelehriger Sinn, deren glattes, fügsames Wesen eine
Garantie für die Brauchbarkeit zu ihren Zwecken gibt. Daß die Jesuiten
hierdurch ihre Bedeutung, das mächtigste Werkzeug der Hierarchie zu sein, ZU
erhalten und zu steigern suchen, ist auch die Ueberzeugung der gebildeten Oest-
reicher. Mit vielem Interesse nahm ich an einem Gespräche Theil, welches
über dieses Thema zwischen mehren wiener Herren und Damen und einige"
norddeutschen Reisenden auf der Höhe deS Schafberges bei Salzburg in der
lebhaftesten Weise geführt wurde. Die katholischen Laien waren ohne Aus¬
nahme in ihrem Urtheil über die obigen Eigenschaften der Jesuiten einver¬
standen; als aber einer der wiener Herren äußerte, er würde seine Söhne
am liebsten einer von den Jesuiten geleiteten Erziehungsanstalt übergeben, ^
man nur in ihr Bildung, Wissenschaft, feines Wesen u. s. w. lerne, fiel >so
seine Frau mit dem entschiedensten Proteste in das Wort. Der Eheherr meinte


90 feiste Exemplare mit rothen, oft kupferrothen Gesichtern, aus denen so wenig
Geist hervorleuchtete und so viel vom Gegensatz des Geistes. Viele tragen
zwar Brillen, allein man sieht, daß es eine falsche Geistesschminke ist, man
merkt die Absicht und wird verstimmt. Wenn ich so diese selten Leute in ihren
breterdicken Kutten unter einer afrikanischen Sonne einherwackeln sah, fing
ich schon bei dem Anblicke an zu schwitzen. Mein Gott, dachte ich manchmal
bei mir, wenn du ein solcher Unglücklicher wärst und in dieser Kutte auf den
Watzmann, ja nur auf das Dach des Mailänder Doms oder auf den Markus¬
thurm in Venedig steigen müßtest! Aber das Mittel ist probat, um die Klo¬
sterleute so viel wie möglich vor der allzugroßen Vermischung mit der Welt
und ihrer Lust zu bewahren, und dann, was können die Leute bei solcher
Tracht und solcher Kost für ihre Bäuche und ihre Gesichter! Indeß leidet doch
das clolee f-rr nientv der Mönche manche Ausnahmen; die Weltgeistlichkeit
bedarf jetzt oft der Aushilfe durch Klostergeistliche, und nicht selten traf ich
mit Mönchen zusammen, welche auf einem solchen Wege begriffen waren, wo¬
bei in dem Falle, daß eS Bettelmönche waren, die Klosterkasse das Billet für
den Stellwagen, die Eisenbahn u. s. f. bezahlte; denn der Einzelne soll kein
Geld in die Hände bekommen. Nur ein einziges Mal habe ich übrigens
einen Mönch mit dem Bettelkorbe gesehen; aber der war wegen seines entsetz¬
lichen Ansehens eine Erscheinung, welche klafterntief unter dem Niveau eines
civilisirten Menschen stand. Der Mangel an jedem liebenswürdigen Ausdrucke
wurde nur durch den Ueberfluß des dreisten Gesichtes aufgewogen.

Aber einer von den östreichischen Mönchsorlen macht, auch auf die da-
sige gebildete Laienwelt, nicht den Eindruck des geistlosen Wesens. Es ist dies
der Orden der Jesuiten. Während die meisten übrigen Klöster bei der
Aufnahme der Novizen unmöglich mit Auswahl verfahre» können, öffnen die
Jesuiten ihre Pforten nur solchen Rekruten, deren Klugheit, Gewandtheit,
deren gelehrter oder gelehriger Sinn, deren glattes, fügsames Wesen eine
Garantie für die Brauchbarkeit zu ihren Zwecken gibt. Daß die Jesuiten
hierdurch ihre Bedeutung, das mächtigste Werkzeug der Hierarchie zu sein, ZU
erhalten und zu steigern suchen, ist auch die Ueberzeugung der gebildeten Oest-
reicher. Mit vielem Interesse nahm ich an einem Gespräche Theil, welches
über dieses Thema zwischen mehren wiener Herren und Damen und einige»
norddeutschen Reisenden auf der Höhe deS Schafberges bei Salzburg in der
lebhaftesten Weise geführt wurde. Die katholischen Laien waren ohne Aus¬
nahme in ihrem Urtheil über die obigen Eigenschaften der Jesuiten einver¬
standen; als aber einer der wiener Herren äußerte, er würde seine Söhne
am liebsten einer von den Jesuiten geleiteten Erziehungsanstalt übergeben, ^
man nur in ihr Bildung, Wissenschaft, feines Wesen u. s. w. lerne, fiel >so
seine Frau mit dem entschiedensten Proteste in das Wort. Der Eheherr meinte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/268>, abgerufen am 23.07.2024.