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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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die nur aus den ungarischen Pusten aufwachsen könne", die aber jedem echten
Menschen verständlich sind, weil sie die reine Natur enthalten. Die ange¬
borene, lärmende ungarische Lustigkeit und daS Vollgefühl seiner Kraft macht
ihn zuweilen übermüthig, aber es ist ein jugendlicher frischer Uebermuth,
himmelweit von jener Blasülheit entfernt, die bei Heine leider nur zu oft daS
bessere Gefühl zurückdrängt. -- Da man sich seit den Heldenthaten der Ungarn
die Angehörigen dieses Volks, die man früher namentlich in Wien als tölpel¬
hafte Eulenspiegel verlachte, jetzt in der Gestalt eines byronschen Helden,
blaß und finster, mit dem Gepräge des Weltschmerzes aus der Stirn sich vor-
Nüumt, so wollen wir hier nach Peiösiö Anleitung ein Bild des echten
Ungarn unsern Lesern vorführen.


Lange schlägt der Schöpfer wol den Ungarn schon,
Fremd ist ihm was in der Zukunft ihm mag drohn.
Geht es gut ihm noch auf Erden? Jeder stagts!
Soll er jubeln oder trauern? El wer sagts!
Doch schuf Gott der Nation auch tiefes Leid.
Gab dazu er, was es tödtet allezeit.
Sagt, wo bessrer Wein, wo schöure Mädchen sind,
Als in unserm Ungarn? sagt es doch geschwind.
Mädchen, kommt mir in den Arm zu frohem Scherz!
Presse auch mit beiden Händen an das Herz,
Schlürfe eure süßen Seelen aus im Kuß,
Daß versüßt sei mancher bittere Verdruß.
Hcjh, und erst der Wein! So gebt doch her den Wein,
Rothe Thränen weint' das Glas in mich hinein!
Glühend sind die rothen Thränen wie ein Blitz,
Sie entzünden selbst entschlafnen Lebens Witz.
Zieh herab Zigeuner! Frisch, ich zahle gut!
Aber so. daß mir das Herz springt voll von Glut
Ob eS aus Lust, ob eS aus Kummer mir auch bricht! ....
So erlustigt sich der Ungar, anders nicht!

Das ist der echte Ungar! wenn es ihm auch einmal sehr schlecht geht,
er setzt siel) den Hut schief auf, stampft auf den Boden, um den Spielleuten
das Signal zum Tanz zu geben, und im Vollgefühl deS fnschesten Lebens
sind Kummer und Sorge vergessen, es kommt ihm bann auch nicht daraus an,
sich selber heiter zu verspotten:


Finster, greinend wie ein Brummbär,
War Herr Dase.
Blühe ihm gleich ein heitres Frühroth
Auf der Nase;
Doch gerade deshalb brummte
Meister Dase,

23"°

die nur aus den ungarischen Pusten aufwachsen könne», die aber jedem echten
Menschen verständlich sind, weil sie die reine Natur enthalten. Die ange¬
borene, lärmende ungarische Lustigkeit und daS Vollgefühl seiner Kraft macht
ihn zuweilen übermüthig, aber es ist ein jugendlicher frischer Uebermuth,
himmelweit von jener Blasülheit entfernt, die bei Heine leider nur zu oft daS
bessere Gefühl zurückdrängt. — Da man sich seit den Heldenthaten der Ungarn
die Angehörigen dieses Volks, die man früher namentlich in Wien als tölpel¬
hafte Eulenspiegel verlachte, jetzt in der Gestalt eines byronschen Helden,
blaß und finster, mit dem Gepräge des Weltschmerzes aus der Stirn sich vor-
Nüumt, so wollen wir hier nach Peiösiö Anleitung ein Bild des echten
Ungarn unsern Lesern vorführen.


Lange schlägt der Schöpfer wol den Ungarn schon,
Fremd ist ihm was in der Zukunft ihm mag drohn.
Geht es gut ihm noch auf Erden? Jeder stagts!
Soll er jubeln oder trauern? El wer sagts!
Doch schuf Gott der Nation auch tiefes Leid.
Gab dazu er, was es tödtet allezeit.
Sagt, wo bessrer Wein, wo schöure Mädchen sind,
Als in unserm Ungarn? sagt es doch geschwind.
Mädchen, kommt mir in den Arm zu frohem Scherz!
Presse auch mit beiden Händen an das Herz,
Schlürfe eure süßen Seelen aus im Kuß,
Daß versüßt sei mancher bittere Verdruß.
Hcjh, und erst der Wein! So gebt doch her den Wein,
Rothe Thränen weint' das Glas in mich hinein!
Glühend sind die rothen Thränen wie ein Blitz,
Sie entzünden selbst entschlafnen Lebens Witz.
Zieh herab Zigeuner! Frisch, ich zahle gut!
Aber so. daß mir das Herz springt voll von Glut
Ob eS aus Lust, ob eS aus Kummer mir auch bricht! ....
So erlustigt sich der Ungar, anders nicht!

Das ist der echte Ungar! wenn es ihm auch einmal sehr schlecht geht,
er setzt siel) den Hut schief auf, stampft auf den Boden, um den Spielleuten
das Signal zum Tanz zu geben, und im Vollgefühl deS fnschesten Lebens
sind Kummer und Sorge vergessen, es kommt ihm bann auch nicht daraus an,
sich selber heiter zu verspotten:


Finster, greinend wie ein Brummbär,
War Herr Dase.
Blühe ihm gleich ein heitres Frühroth
Auf der Nase;
Doch gerade deshalb brummte
Meister Dase,

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[0187] die nur aus den ungarischen Pusten aufwachsen könne», die aber jedem echten Menschen verständlich sind, weil sie die reine Natur enthalten. Die ange¬ borene, lärmende ungarische Lustigkeit und daS Vollgefühl seiner Kraft macht ihn zuweilen übermüthig, aber es ist ein jugendlicher frischer Uebermuth, himmelweit von jener Blasülheit entfernt, die bei Heine leider nur zu oft daS bessere Gefühl zurückdrängt. — Da man sich seit den Heldenthaten der Ungarn die Angehörigen dieses Volks, die man früher namentlich in Wien als tölpel¬ hafte Eulenspiegel verlachte, jetzt in der Gestalt eines byronschen Helden, blaß und finster, mit dem Gepräge des Weltschmerzes aus der Stirn sich vor- Nüumt, so wollen wir hier nach Peiösiö Anleitung ein Bild des echten Ungarn unsern Lesern vorführen. Lange schlägt der Schöpfer wol den Ungarn schon, Fremd ist ihm was in der Zukunft ihm mag drohn. Geht es gut ihm noch auf Erden? Jeder stagts! Soll er jubeln oder trauern? El wer sagts! Doch schuf Gott der Nation auch tiefes Leid. Gab dazu er, was es tödtet allezeit. Sagt, wo bessrer Wein, wo schöure Mädchen sind, Als in unserm Ungarn? sagt es doch geschwind. Mädchen, kommt mir in den Arm zu frohem Scherz! Presse auch mit beiden Händen an das Herz, Schlürfe eure süßen Seelen aus im Kuß, Daß versüßt sei mancher bittere Verdruß. Hcjh, und erst der Wein! So gebt doch her den Wein, Rothe Thränen weint' das Glas in mich hinein! Glühend sind die rothen Thränen wie ein Blitz, Sie entzünden selbst entschlafnen Lebens Witz. Zieh herab Zigeuner! Frisch, ich zahle gut! Aber so. daß mir das Herz springt voll von Glut Ob eS aus Lust, ob eS aus Kummer mir auch bricht! .... So erlustigt sich der Ungar, anders nicht! Das ist der echte Ungar! wenn es ihm auch einmal sehr schlecht geht, er setzt siel) den Hut schief auf, stampft auf den Boden, um den Spielleuten das Signal zum Tanz zu geben, und im Vollgefühl deS fnschesten Lebens sind Kummer und Sorge vergessen, es kommt ihm bann auch nicht daraus an, sich selber heiter zu verspotten: Finster, greinend wie ein Brummbär, War Herr Dase. Blühe ihm gleich ein heitres Frühroth Auf der Nase; Doch gerade deshalb brummte Meister Dase, 23"°

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/187>, abgerufen am 23.07.2024.