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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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schichte zeigt mehr als ein Beispiel, daß solche Bandenführer sich wirklich auf
den Thron schwangen; war doch der Gründer der berühmtesten aller einheimischen
Dynastien, der Hau, ein Räuber, und hatte sich auch die 'vorletzte Dynastie,
die der Ming, keines anderen Ursprungs zu rühmen.

"Dieses wichtige Moment in der chinesischen Geschichte," sagt Meadows,
"hat sogar in der Sprache seinen Ausdruck gefunden. Das chinesische Wort,
womit dergleichen Banden bezeichnet werden, ""This"",' bedeutet sowol Räuber
als Rebellen, oder es bezeichnet jeden, der sich durch gewaltsame Besitzergrei¬
fung gegen die Obrigkeit auflehnt, der Gegenstand der Besitzergreifung mag
eine Börse oder eine Kaiserkrone sein."

Schließlich darf bei einer Untersuchung der Ursachen des chinesischen Aus¬
standet der bereits angedeutete Charakter des Volks in den südöstlichen Pro¬
vinzen nicht außer Betracht bleiben. Diese Landestheile sind durch eine
mächtige Wasserscheide von dem übrigen China getrennt. Es ist dies eine
Seitenkette deS Himmalaya, der im Nordwesten der Provinz Uunnan (der
westlichsten des ganzen Reichs) in das Land tritt, im Norden von Kwangsi
und Kwantung (Kanton) hinläuft, dann weiter nördlich Fuhkien von der
Binnenprvvinz Klangst scheidet und zuletzt mitten durch Tschekiang bis zur
Stadt Ningpo geht, in deren Nähe er im Meere verschwindet. Diese Berg¬
kette entsendet auf ihrem ganzen Lauf kleine Seitenäste nach Süden und
Osten, welche sämmtlich bis zur Küste sich erstrecken und weiterhin im Meere
nochmals als ein Gürtel voll Inseln auftauchen. Dieser Jnselgürtel, ziemlich
hoch und sehr zerklüftet, zieht sich an der ganzen Südhälfte der Küste Chinas
hin und bildet in Verbindung mit den Vorgebirgen des Festlandes eine Reihe
ebenso geräumiger als sicherer Häfen unter denen der von Hongkong einer
der besten ist. Die Nordküste hat weder Inseln noch gute Häfen. Die
Provinzen dieser Gegend haben mit Ausnahme von Schankung auch so gut
wie gar keine Gebirge. Daraus aber ergibt sich ein wesentlicher Unterschied
im Charakter der Bewohner. Eine Küste ohne Häfen und Inseln ist nicht
geeignet, das Volk, das sie bewohnt, auf die See hinauszulocken, dasselbe kann
im Gegentheil Jahrhunderte hier angesiedelt sein, ohne das kühne, unter¬
nehmungslustige, gefahrvcrachtende, nach Abenteuern strebende Wesen von
Seeleuten anzunehmen. Sodann aber sind Bergvölker in der Regel kräftiger
und tapfrer als die Bewohner von Ebenen, namentlich von fruchtbaren Ebenen,
denn die Steppen und Wüsten wirken auf den Menschen ähnlich wie
das Meer. So sehen wir den in denn Chinesen der Nordprovinzen
ein sanftes, unkriegerisches Vinnenvolk welches so wenig Neigung zur
Seefahrt hat, daß um den Verkehr zwischen den von ihnen bewohnten
Gegenden mit dem Süden, Der bei einer andern Küste und einer anders
gearteten Race zur See hätte stattfinden müssen, zu vermitteln, der be-


schichte zeigt mehr als ein Beispiel, daß solche Bandenführer sich wirklich auf
den Thron schwangen; war doch der Gründer der berühmtesten aller einheimischen
Dynastien, der Hau, ein Räuber, und hatte sich auch die 'vorletzte Dynastie,
die der Ming, keines anderen Ursprungs zu rühmen.

„Dieses wichtige Moment in der chinesischen Geschichte," sagt Meadows,
„hat sogar in der Sprache seinen Ausdruck gefunden. Das chinesische Wort,
womit dergleichen Banden bezeichnet werden, „„This"",' bedeutet sowol Räuber
als Rebellen, oder es bezeichnet jeden, der sich durch gewaltsame Besitzergrei¬
fung gegen die Obrigkeit auflehnt, der Gegenstand der Besitzergreifung mag
eine Börse oder eine Kaiserkrone sein."

Schließlich darf bei einer Untersuchung der Ursachen des chinesischen Aus¬
standet der bereits angedeutete Charakter des Volks in den südöstlichen Pro¬
vinzen nicht außer Betracht bleiben. Diese Landestheile sind durch eine
mächtige Wasserscheide von dem übrigen China getrennt. Es ist dies eine
Seitenkette deS Himmalaya, der im Nordwesten der Provinz Uunnan (der
westlichsten des ganzen Reichs) in das Land tritt, im Norden von Kwangsi
und Kwantung (Kanton) hinläuft, dann weiter nördlich Fuhkien von der
Binnenprvvinz Klangst scheidet und zuletzt mitten durch Tschekiang bis zur
Stadt Ningpo geht, in deren Nähe er im Meere verschwindet. Diese Berg¬
kette entsendet auf ihrem ganzen Lauf kleine Seitenäste nach Süden und
Osten, welche sämmtlich bis zur Küste sich erstrecken und weiterhin im Meere
nochmals als ein Gürtel voll Inseln auftauchen. Dieser Jnselgürtel, ziemlich
hoch und sehr zerklüftet, zieht sich an der ganzen Südhälfte der Küste Chinas
hin und bildet in Verbindung mit den Vorgebirgen des Festlandes eine Reihe
ebenso geräumiger als sicherer Häfen unter denen der von Hongkong einer
der besten ist. Die Nordküste hat weder Inseln noch gute Häfen. Die
Provinzen dieser Gegend haben mit Ausnahme von Schankung auch so gut
wie gar keine Gebirge. Daraus aber ergibt sich ein wesentlicher Unterschied
im Charakter der Bewohner. Eine Küste ohne Häfen und Inseln ist nicht
geeignet, das Volk, das sie bewohnt, auf die See hinauszulocken, dasselbe kann
im Gegentheil Jahrhunderte hier angesiedelt sein, ohne das kühne, unter¬
nehmungslustige, gefahrvcrachtende, nach Abenteuern strebende Wesen von
Seeleuten anzunehmen. Sodann aber sind Bergvölker in der Regel kräftiger
und tapfrer als die Bewohner von Ebenen, namentlich von fruchtbaren Ebenen,
denn die Steppen und Wüsten wirken auf den Menschen ähnlich wie
das Meer. So sehen wir den in denn Chinesen der Nordprovinzen
ein sanftes, unkriegerisches Vinnenvolk welches so wenig Neigung zur
Seefahrt hat, daß um den Verkehr zwischen den von ihnen bewohnten
Gegenden mit dem Süden, Der bei einer andern Küste und einer anders
gearteten Race zur See hätte stattfinden müssen, zu vermitteln, der be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/176>, abgerufen am 23.07.2024.