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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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York, Boston und Philadelphia bangen haben eine verhältnißmüßig geringe
Verbreitung, weil der Amerikaner sich wenig um das kümmert, was in einem
andern Unionöstaate als in dem seinigen vorgeht. Die Zeitungen von Boston
werden nur noch in Neuengland gelesen, weil Maine, Vermont und Connecticut
in der Politik gewöhnlich zu Massachusets stehen. Die Zeitungen von Neu-
york gehen nur nach den Staaten des Centrums und nach Kanada; die Blät¬
ter von Philadelphia breiten sich höchstens nach Süden und Westen aus. Am
meisten Eingang finden in andern Landestheilen noch diejenigen Zeitungen,
welche in deutscher Sprache gedruckt werden: sie werden von den deutschen
Kolonisten gehalten. Man kann annehmen, daß die Zeitungen durchschnittlich
sechs Zehntel ihrer Exemplare an dem Orte, wo sie erscheinen, drei Zehntel in
dem Staate, welchem sie angehören, und nur ein Zehntel auswärts absetzen.

Dazu kommt, daß die Versendung der Zeitungen durch die Post für das ganze
Gebiet der Union, Kalifornien mit einbegriffen, pro Exemplar 4 Cent oder
3 Pfennige, dagegen in dem Staate, in welchem die Zeitung erscheint, nur
'/y Cent kostet. Auch schickt die Post dem Abonnenten seine Zeitung nur gegen
eine besondere Vergütung ins Haus. Es ist daher weit bequemer und billiger
für den Amerikaner, die Zeitung seines Wohnorts als die großen Blätter von
Boston, Neuyork und Philadelphia zu hallen, die 25 bis -100 mal theurer
sind und die Hauptsachen noch dazu später bringen als die Lokalblätter, welche
wichtige Nachrichten, die FondScourse und die Marktpreise sich telegraphiren
lassen. Ueberdies haben für die Mehrzahl der Einwohner die localen Ange¬
legenheiten mehr Interesse als die auswärtigen Begebenheiten und als selbst die
Unionspolitik. Beweis dafür ist, daß in allen Zeitungen die Debatten der Legis¬
latur ihres Staates einen größern Raum einnehmen als die Verhandlungen
des Congresses. Letztere werden mit einiger Ausführlichkeit nur von den Washing¬
toner Blättern gegeben. Die übrigen Zeitungen begnügen sich mit einem Aus¬
zug aus denselben, den sie durch den Telgraphen erhalten, und nur wenn
brennende Fragen im Congreß discutirt werden, entnehmen sie den Washingto¬
ner Zeitungen die bedeutendsten im Congreß gehaltenen Reden.

Keine amerikanische Zeitung kann daher die Bedeutung der großen pariser
oder londoner Blätter erlangen und zwar u"> so weniger, als die Concurrenz
unter den Zeitungen sehr groß ist, weil das Erscheinen derselben weder durch
Beschränkungen seitens "er Gesetzgebung noch durch Zeilungssteuer gehindert
wird und weil es möglich ist, ohne besonders große Capitalien eine Zei¬
tung zu gründen. Neuyork, welches mit seinen Vorstädten und Brooklyn
700,000 Seelen zählt, hat -15 täglich erscheinende Zeitungen, also ebenso
viel als Paris und London. Diese 13 Zeitungen setzen täglich -130,000 Exem¬
plare ab. Sechs Zeitungen, von denen jede Nummer nur ein bis zwei Cents
kostet, figuriren in dieser Zahl mit zwei Dritteln, so daß die Zahl der Creo-


York, Boston und Philadelphia bangen haben eine verhältnißmüßig geringe
Verbreitung, weil der Amerikaner sich wenig um das kümmert, was in einem
andern Unionöstaate als in dem seinigen vorgeht. Die Zeitungen von Boston
werden nur noch in Neuengland gelesen, weil Maine, Vermont und Connecticut
in der Politik gewöhnlich zu Massachusets stehen. Die Zeitungen von Neu-
york gehen nur nach den Staaten des Centrums und nach Kanada; die Blät¬
ter von Philadelphia breiten sich höchstens nach Süden und Westen aus. Am
meisten Eingang finden in andern Landestheilen noch diejenigen Zeitungen,
welche in deutscher Sprache gedruckt werden: sie werden von den deutschen
Kolonisten gehalten. Man kann annehmen, daß die Zeitungen durchschnittlich
sechs Zehntel ihrer Exemplare an dem Orte, wo sie erscheinen, drei Zehntel in
dem Staate, welchem sie angehören, und nur ein Zehntel auswärts absetzen.

Dazu kommt, daß die Versendung der Zeitungen durch die Post für das ganze
Gebiet der Union, Kalifornien mit einbegriffen, pro Exemplar 4 Cent oder
3 Pfennige, dagegen in dem Staate, in welchem die Zeitung erscheint, nur
'/y Cent kostet. Auch schickt die Post dem Abonnenten seine Zeitung nur gegen
eine besondere Vergütung ins Haus. Es ist daher weit bequemer und billiger
für den Amerikaner, die Zeitung seines Wohnorts als die großen Blätter von
Boston, Neuyork und Philadelphia zu hallen, die 25 bis -100 mal theurer
sind und die Hauptsachen noch dazu später bringen als die Lokalblätter, welche
wichtige Nachrichten, die FondScourse und die Marktpreise sich telegraphiren
lassen. Ueberdies haben für die Mehrzahl der Einwohner die localen Ange¬
legenheiten mehr Interesse als die auswärtigen Begebenheiten und als selbst die
Unionspolitik. Beweis dafür ist, daß in allen Zeitungen die Debatten der Legis¬
latur ihres Staates einen größern Raum einnehmen als die Verhandlungen
des Congresses. Letztere werden mit einiger Ausführlichkeit nur von den Washing¬
toner Blättern gegeben. Die übrigen Zeitungen begnügen sich mit einem Aus¬
zug aus denselben, den sie durch den Telgraphen erhalten, und nur wenn
brennende Fragen im Congreß discutirt werden, entnehmen sie den Washingto¬
ner Zeitungen die bedeutendsten im Congreß gehaltenen Reden.

Keine amerikanische Zeitung kann daher die Bedeutung der großen pariser
oder londoner Blätter erlangen und zwar u»> so weniger, als die Concurrenz
unter den Zeitungen sehr groß ist, weil das Erscheinen derselben weder durch
Beschränkungen seitens »er Gesetzgebung noch durch Zeilungssteuer gehindert
wird und weil es möglich ist, ohne besonders große Capitalien eine Zei¬
tung zu gründen. Neuyork, welches mit seinen Vorstädten und Brooklyn
700,000 Seelen zählt, hat -15 täglich erscheinende Zeitungen, also ebenso
viel als Paris und London. Diese 13 Zeitungen setzen täglich -130,000 Exem¬
plare ab. Sechs Zeitungen, von denen jede Nummer nur ein bis zwei Cents
kostet, figuriren in dieser Zahl mit zwei Dritteln, so daß die Zahl der Creo-


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[0162] York, Boston und Philadelphia bangen haben eine verhältnißmüßig geringe Verbreitung, weil der Amerikaner sich wenig um das kümmert, was in einem andern Unionöstaate als in dem seinigen vorgeht. Die Zeitungen von Boston werden nur noch in Neuengland gelesen, weil Maine, Vermont und Connecticut in der Politik gewöhnlich zu Massachusets stehen. Die Zeitungen von Neu- york gehen nur nach den Staaten des Centrums und nach Kanada; die Blät¬ ter von Philadelphia breiten sich höchstens nach Süden und Westen aus. Am meisten Eingang finden in andern Landestheilen noch diejenigen Zeitungen, welche in deutscher Sprache gedruckt werden: sie werden von den deutschen Kolonisten gehalten. Man kann annehmen, daß die Zeitungen durchschnittlich sechs Zehntel ihrer Exemplare an dem Orte, wo sie erscheinen, drei Zehntel in dem Staate, welchem sie angehören, und nur ein Zehntel auswärts absetzen. Dazu kommt, daß die Versendung der Zeitungen durch die Post für das ganze Gebiet der Union, Kalifornien mit einbegriffen, pro Exemplar 4 Cent oder 3 Pfennige, dagegen in dem Staate, in welchem die Zeitung erscheint, nur '/y Cent kostet. Auch schickt die Post dem Abonnenten seine Zeitung nur gegen eine besondere Vergütung ins Haus. Es ist daher weit bequemer und billiger für den Amerikaner, die Zeitung seines Wohnorts als die großen Blätter von Boston, Neuyork und Philadelphia zu hallen, die 25 bis -100 mal theurer sind und die Hauptsachen noch dazu später bringen als die Lokalblätter, welche wichtige Nachrichten, die FondScourse und die Marktpreise sich telegraphiren lassen. Ueberdies haben für die Mehrzahl der Einwohner die localen Ange¬ legenheiten mehr Interesse als die auswärtigen Begebenheiten und als selbst die Unionspolitik. Beweis dafür ist, daß in allen Zeitungen die Debatten der Legis¬ latur ihres Staates einen größern Raum einnehmen als die Verhandlungen des Congresses. Letztere werden mit einiger Ausführlichkeit nur von den Washing¬ toner Blättern gegeben. Die übrigen Zeitungen begnügen sich mit einem Aus¬ zug aus denselben, den sie durch den Telgraphen erhalten, und nur wenn brennende Fragen im Congreß discutirt werden, entnehmen sie den Washingto¬ ner Zeitungen die bedeutendsten im Congreß gehaltenen Reden. Keine amerikanische Zeitung kann daher die Bedeutung der großen pariser oder londoner Blätter erlangen und zwar u»> so weniger, als die Concurrenz unter den Zeitungen sehr groß ist, weil das Erscheinen derselben weder durch Beschränkungen seitens »er Gesetzgebung noch durch Zeilungssteuer gehindert wird und weil es möglich ist, ohne besonders große Capitalien eine Zei¬ tung zu gründen. Neuyork, welches mit seinen Vorstädten und Brooklyn 700,000 Seelen zählt, hat -15 täglich erscheinende Zeitungen, also ebenso viel als Paris und London. Diese 13 Zeitungen setzen täglich -130,000 Exem¬ plare ab. Sechs Zeitungen, von denen jede Nummer nur ein bis zwei Cents kostet, figuriren in dieser Zahl mit zwei Dritteln, so daß die Zahl der Creo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/162>, abgerufen am 23.07.2024.