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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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nußer Fassung bringen. Doch scheint man den brennenden Flachs damals noch
nicht zu dieser Kunst verwendet zu haben. Der berühmte Arzt Galen berich¬
tet wmpLi-am. III, 2.) daß einst Einer ein Licht ausgelöscht und wieder
angezündet habe, indem er es an eine Wand hielt. Bei näherer Untersuchung
ergab sich aber, daß die Steine vorher mit Schwefel bestrichen worden waren
und der Zauberer machte Fiasco. Bei den Römern war eine Art Kunstfeuer¬
werk sehr beliebt, welches auf beweglichen, bemalten Gerüsten abgebrannt wurde,
Von allen Seiten mußte das unschädliche Feuer aus der Maschine hervor¬
brechen und verschiedene Figuren beschreiben, bis endlich das Feuer sammt dem
Gerüste verschwand. (Claudian a. a. O.). Bei dem erwähnten großen Feste
des Kaisers Carinus entzündete sich aber durch ein solches Feuerwerk die ganze
Bühne und brannte ab. Nach einer Andeutung Tertullians gab es auch Leute,
welche sich anheischig machten, eine gewisse Strecke in brennenden Kleidern
zurückzulegen. In der wundergläubigen späten Kaiserzeit spielten diese Kunst¬
stücke, wozu noch das Eintauchen der Hände in brennendes Pech, Erregung
von Donner, Spiegelbilder und Bauchrednern gehören, auch eine große Rolle
bei den Betrügereien heidnischer Priester (man vergl. Hippol^t, pkil. IV. p. 62.).

Die christlichen Kirchenlehrer der ersten Jahrhunderte tadelten mit Recht
alle lebensgefährlichen, unnützen Künste der Jongleure; aber der klare Blick
des heil. Chrysostomus witterte noch nicht den Pferdefuß als Bundesgenossen
der Gaukler, und noch Nicephorus sagt nach der Beschreibung der Seiltänzer
in Konstantinopel: "Ihre Leistungen waren zwar außerordentlich und staunens¬
wert!), hatten aber nichts mit teuflischen Zaubereien gemein." Um
so mehr verdummt erscheinen uns in dieser Beziehung die folgenden Jahrhun¬
derte! Noch im Jahre 1739 ward ein Taschenspieler in Polen bis zum Geständ-
niß der Hererei gefoltert und dann gehängt (Schles. gelehrte Neuigkeiten vom
Jahre -1739.) Ja, 160-1 war einem abgerichteten Pferde in Lissabon der Pro¬
ceß gemacht worden! Es war dasselbe, welches Casaubonus im Januar desselben
JahreS in Paris gesehen hatte; der Herr des Thieres, ein Engländer, hatte
ihm noch gezeigt, wie er durch Winke und leise Worte daS Thier instruirte.
Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir noch zum Schlüsse ein paar Worte
über die Ablichtung der Thiere bei den Alten. Unzählige Male erzählt
ist die Anekdote von dem Trompeterschimmel, der längst aus dem
Dienste entfernt, beim ersten Schalle der gewohnten Trompetensignale seinen
widerstrebenden Reiter in die Reihen der Soldaten trug. Diese Geschichte
ist aber älter als 2000 Jahre. Nach AthenaeuS fanden die, wegen ihrer Ver¬
weichlichung berüchtigten Sybariten und die zu dem thrakischen Neitervolke ge¬
hörenden Kardiancr Vergnügen daran, ihre Pferde nach Flötenmusik tanzen zu
lehren und n" ihren Festen diesen Kunststücken zuzuschauen. AIS nun Sybaris
mit Kroton und Kardia mit Bisaltia in Krieg gerieth, benutzten die Feinde


Grenzboten IV. 18ö7. Ij-

nußer Fassung bringen. Doch scheint man den brennenden Flachs damals noch
nicht zu dieser Kunst verwendet zu haben. Der berühmte Arzt Galen berich¬
tet wmpLi-am. III, 2.) daß einst Einer ein Licht ausgelöscht und wieder
angezündet habe, indem er es an eine Wand hielt. Bei näherer Untersuchung
ergab sich aber, daß die Steine vorher mit Schwefel bestrichen worden waren
und der Zauberer machte Fiasco. Bei den Römern war eine Art Kunstfeuer¬
werk sehr beliebt, welches auf beweglichen, bemalten Gerüsten abgebrannt wurde,
Von allen Seiten mußte das unschädliche Feuer aus der Maschine hervor¬
brechen und verschiedene Figuren beschreiben, bis endlich das Feuer sammt dem
Gerüste verschwand. (Claudian a. a. O.). Bei dem erwähnten großen Feste
des Kaisers Carinus entzündete sich aber durch ein solches Feuerwerk die ganze
Bühne und brannte ab. Nach einer Andeutung Tertullians gab es auch Leute,
welche sich anheischig machten, eine gewisse Strecke in brennenden Kleidern
zurückzulegen. In der wundergläubigen späten Kaiserzeit spielten diese Kunst¬
stücke, wozu noch das Eintauchen der Hände in brennendes Pech, Erregung
von Donner, Spiegelbilder und Bauchrednern gehören, auch eine große Rolle
bei den Betrügereien heidnischer Priester (man vergl. Hippol^t, pkil. IV. p. 62.).

Die christlichen Kirchenlehrer der ersten Jahrhunderte tadelten mit Recht
alle lebensgefährlichen, unnützen Künste der Jongleure; aber der klare Blick
des heil. Chrysostomus witterte noch nicht den Pferdefuß als Bundesgenossen
der Gaukler, und noch Nicephorus sagt nach der Beschreibung der Seiltänzer
in Konstantinopel: „Ihre Leistungen waren zwar außerordentlich und staunens¬
wert!), hatten aber nichts mit teuflischen Zaubereien gemein." Um
so mehr verdummt erscheinen uns in dieser Beziehung die folgenden Jahrhun¬
derte! Noch im Jahre 1739 ward ein Taschenspieler in Polen bis zum Geständ-
niß der Hererei gefoltert und dann gehängt (Schles. gelehrte Neuigkeiten vom
Jahre -1739.) Ja, 160-1 war einem abgerichteten Pferde in Lissabon der Pro¬
ceß gemacht worden! Es war dasselbe, welches Casaubonus im Januar desselben
JahreS in Paris gesehen hatte; der Herr des Thieres, ein Engländer, hatte
ihm noch gezeigt, wie er durch Winke und leise Worte daS Thier instruirte.
Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir noch zum Schlüsse ein paar Worte
über die Ablichtung der Thiere bei den Alten. Unzählige Male erzählt
ist die Anekdote von dem Trompeterschimmel, der längst aus dem
Dienste entfernt, beim ersten Schalle der gewohnten Trompetensignale seinen
widerstrebenden Reiter in die Reihen der Soldaten trug. Diese Geschichte
ist aber älter als 2000 Jahre. Nach AthenaeuS fanden die, wegen ihrer Ver¬
weichlichung berüchtigten Sybariten und die zu dem thrakischen Neitervolke ge¬
hörenden Kardiancr Vergnügen daran, ihre Pferde nach Flötenmusik tanzen zu
lehren und n» ihren Festen diesen Kunststücken zuzuschauen. AIS nun Sybaris
mit Kroton und Kardia mit Bisaltia in Krieg gerieth, benutzten die Feinde


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[0113] nußer Fassung bringen. Doch scheint man den brennenden Flachs damals noch nicht zu dieser Kunst verwendet zu haben. Der berühmte Arzt Galen berich¬ tet wmpLi-am. III, 2.) daß einst Einer ein Licht ausgelöscht und wieder angezündet habe, indem er es an eine Wand hielt. Bei näherer Untersuchung ergab sich aber, daß die Steine vorher mit Schwefel bestrichen worden waren und der Zauberer machte Fiasco. Bei den Römern war eine Art Kunstfeuer¬ werk sehr beliebt, welches auf beweglichen, bemalten Gerüsten abgebrannt wurde, Von allen Seiten mußte das unschädliche Feuer aus der Maschine hervor¬ brechen und verschiedene Figuren beschreiben, bis endlich das Feuer sammt dem Gerüste verschwand. (Claudian a. a. O.). Bei dem erwähnten großen Feste des Kaisers Carinus entzündete sich aber durch ein solches Feuerwerk die ganze Bühne und brannte ab. Nach einer Andeutung Tertullians gab es auch Leute, welche sich anheischig machten, eine gewisse Strecke in brennenden Kleidern zurückzulegen. In der wundergläubigen späten Kaiserzeit spielten diese Kunst¬ stücke, wozu noch das Eintauchen der Hände in brennendes Pech, Erregung von Donner, Spiegelbilder und Bauchrednern gehören, auch eine große Rolle bei den Betrügereien heidnischer Priester (man vergl. Hippol^t, pkil. IV. p. 62.). Die christlichen Kirchenlehrer der ersten Jahrhunderte tadelten mit Recht alle lebensgefährlichen, unnützen Künste der Jongleure; aber der klare Blick des heil. Chrysostomus witterte noch nicht den Pferdefuß als Bundesgenossen der Gaukler, und noch Nicephorus sagt nach der Beschreibung der Seiltänzer in Konstantinopel: „Ihre Leistungen waren zwar außerordentlich und staunens¬ wert!), hatten aber nichts mit teuflischen Zaubereien gemein." Um so mehr verdummt erscheinen uns in dieser Beziehung die folgenden Jahrhun¬ derte! Noch im Jahre 1739 ward ein Taschenspieler in Polen bis zum Geständ- niß der Hererei gefoltert und dann gehängt (Schles. gelehrte Neuigkeiten vom Jahre -1739.) Ja, 160-1 war einem abgerichteten Pferde in Lissabon der Pro¬ ceß gemacht worden! Es war dasselbe, welches Casaubonus im Januar desselben JahreS in Paris gesehen hatte; der Herr des Thieres, ein Engländer, hatte ihm noch gezeigt, wie er durch Winke und leise Worte daS Thier instruirte. Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir noch zum Schlüsse ein paar Worte über die Ablichtung der Thiere bei den Alten. Unzählige Male erzählt ist die Anekdote von dem Trompeterschimmel, der längst aus dem Dienste entfernt, beim ersten Schalle der gewohnten Trompetensignale seinen widerstrebenden Reiter in die Reihen der Soldaten trug. Diese Geschichte ist aber älter als 2000 Jahre. Nach AthenaeuS fanden die, wegen ihrer Ver¬ weichlichung berüchtigten Sybariten und die zu dem thrakischen Neitervolke ge¬ hörenden Kardiancr Vergnügen daran, ihre Pferde nach Flötenmusik tanzen zu lehren und n» ihren Festen diesen Kunststücken zuzuschauen. AIS nun Sybaris mit Kroton und Kardia mit Bisaltia in Krieg gerieth, benutzten die Feinde Grenzboten IV. 18ö7. Ij-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/113>, abgerufen am 26.06.2024.