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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Auch die Hestiaeer und Oriten (auf Negroponte) stellten die eherne Bildsäule
des Taschenspielers Theodorus in ihren Theatern auf, die ein Kügelchen, als
Symbol der Kunstfertigkeit, in der Hand hielt. Bei den Römern verstieg man
sich allerdings nie zu einem so hohen Grade des.Enthusiasmus für die Jong¬
leure; allein schon Plautus erwähnt die Gaukler öfters in seinen Komödien,
und dem Terenz widerfuhr das, auch noch in unserer Zeit mögliche, Unglück,
daß er bei der Aufführung seiner "Schwiegermutter" durch die auf dieselbe
Zeit angekündigte Production eines Seiltänzers gestört wurde und das Stück
nicht zum Schlüsse bringen konnte, (?roi. klee^r. I. 1. II. 2ö.). In der Kaiser¬
zeit füllten die Belustigungen durch Feuerwerker, Seiltänzer, Escamoteure und
Äquilibristen bei den Spielen die Jntermezzos zwischen den Acten der Wett¬
kämpfe, Thierhetzen und Gladiatorengefechten aus.

Um die Mannigfaltigkeit der Vorstellungen zu erhöhen, mögen sich wol
schon früh die Gaukler truppweise zusammengeschart und Schüler herangebildet
haben. Wenigstens hatte der Syrakusaner bei Tenvphon eine Gauklerin, einen
Tänzer und eine Flötenspielerin bei sich, und von einer aus vierzig Personen
bestehenden Seiltänzerbande wird später die Rede sein. Auf ihren Zügen
mußten diese Leute natürlich ihr ganzes Rüstzeug mit sich schleppen; deshalb
sagt Plutarch (et"z lacie in lan. 8.) von Anekdotenjägern: "Sie haben von
solchen Erzählungen nicht einen Sack voll, sondern so viel, als daS Geräthe
und der Kram ausmacht, den die Gaukler auf dem Rücken tragen und neben
sich ziehen." Nach ihrem Rufe war auch die Einnahme verschieden. Von dem
Syrakusaner erwähnt Tenophon, daß derselbe "erstaunlich viel Gelb" ver¬
dient habe. Dagegen regnete eS bei den Vorstellungen auf öffentlichen Plätzen
nur kleine Kupfermünzen, welche, wie bei uns, Leute mit dem Teller ein¬
sammelten, wobei es nicht an Personen fehlte, welche Anspruch auf Freibillets
machten. Es erhellt dies aus Theophrasts "Charakteren" (6.), wo als Be¬
schäftigung geistig verkommener Menschen angeführt wird wie sie "bei den Gaukler¬
kunststücken zu einem jeden hintretend die Chalci (etwa Zweipsennigstücke) ein¬
zusammeln und sich mit denen herumzustreilen pflegen, welche eine Marke bei
sich tragen und umsonst zusehen wollen."

Doch betrachten wir die Leistungen der Alten aus diesem Felde einzeln
und beginnen von der niedrigsten Stufe, der durch fortgesetzte Uebung erhöh¬
ten, angeborenen Körperstärke! -- Die Beweise riesiger Kraft, welche die be¬
kannten griechischen Athleten von ihrem Urahn Hercules an gegeben haben,
kommen hier nicht in Betracht. Nur einer, dem auch nach seinem Tode gött¬
liche Ehre zu Theil ward, möge hier genannt werden: der Thasier Thea-
genes. Schon im neunten Jahre, als er einst aus der Schule nach Hause
ging, trug er ein ehernes Götterbild, das ihm besonders gefiel, vom Markt¬
platze aus der Schulter heim und brachte es, als großer Lärm darüber ent-


Auch die Hestiaeer und Oriten (auf Negroponte) stellten die eherne Bildsäule
des Taschenspielers Theodorus in ihren Theatern auf, die ein Kügelchen, als
Symbol der Kunstfertigkeit, in der Hand hielt. Bei den Römern verstieg man
sich allerdings nie zu einem so hohen Grade des.Enthusiasmus für die Jong¬
leure; allein schon Plautus erwähnt die Gaukler öfters in seinen Komödien,
und dem Terenz widerfuhr das, auch noch in unserer Zeit mögliche, Unglück,
daß er bei der Aufführung seiner „Schwiegermutter" durch die auf dieselbe
Zeit angekündigte Production eines Seiltänzers gestört wurde und das Stück
nicht zum Schlüsse bringen konnte, (?roi. klee^r. I. 1. II. 2ö.). In der Kaiser¬
zeit füllten die Belustigungen durch Feuerwerker, Seiltänzer, Escamoteure und
Äquilibristen bei den Spielen die Jntermezzos zwischen den Acten der Wett¬
kämpfe, Thierhetzen und Gladiatorengefechten aus.

Um die Mannigfaltigkeit der Vorstellungen zu erhöhen, mögen sich wol
schon früh die Gaukler truppweise zusammengeschart und Schüler herangebildet
haben. Wenigstens hatte der Syrakusaner bei Tenvphon eine Gauklerin, einen
Tänzer und eine Flötenspielerin bei sich, und von einer aus vierzig Personen
bestehenden Seiltänzerbande wird später die Rede sein. Auf ihren Zügen
mußten diese Leute natürlich ihr ganzes Rüstzeug mit sich schleppen; deshalb
sagt Plutarch (et«z lacie in lan. 8.) von Anekdotenjägern: „Sie haben von
solchen Erzählungen nicht einen Sack voll, sondern so viel, als daS Geräthe
und der Kram ausmacht, den die Gaukler auf dem Rücken tragen und neben
sich ziehen." Nach ihrem Rufe war auch die Einnahme verschieden. Von dem
Syrakusaner erwähnt Tenophon, daß derselbe „erstaunlich viel Gelb" ver¬
dient habe. Dagegen regnete eS bei den Vorstellungen auf öffentlichen Plätzen
nur kleine Kupfermünzen, welche, wie bei uns, Leute mit dem Teller ein¬
sammelten, wobei es nicht an Personen fehlte, welche Anspruch auf Freibillets
machten. Es erhellt dies aus Theophrasts „Charakteren" (6.), wo als Be¬
schäftigung geistig verkommener Menschen angeführt wird wie sie „bei den Gaukler¬
kunststücken zu einem jeden hintretend die Chalci (etwa Zweipsennigstücke) ein¬
zusammeln und sich mit denen herumzustreilen pflegen, welche eine Marke bei
sich tragen und umsonst zusehen wollen."

Doch betrachten wir die Leistungen der Alten aus diesem Felde einzeln
und beginnen von der niedrigsten Stufe, der durch fortgesetzte Uebung erhöh¬
ten, angeborenen Körperstärke! — Die Beweise riesiger Kraft, welche die be¬
kannten griechischen Athleten von ihrem Urahn Hercules an gegeben haben,
kommen hier nicht in Betracht. Nur einer, dem auch nach seinem Tode gött¬
liche Ehre zu Theil ward, möge hier genannt werden: der Thasier Thea-
genes. Schon im neunten Jahre, als er einst aus der Schule nach Hause
ging, trug er ein ehernes Götterbild, das ihm besonders gefiel, vom Markt¬
platze aus der Schulter heim und brachte es, als großer Lärm darüber ent-


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[0104] Auch die Hestiaeer und Oriten (auf Negroponte) stellten die eherne Bildsäule des Taschenspielers Theodorus in ihren Theatern auf, die ein Kügelchen, als Symbol der Kunstfertigkeit, in der Hand hielt. Bei den Römern verstieg man sich allerdings nie zu einem so hohen Grade des.Enthusiasmus für die Jong¬ leure; allein schon Plautus erwähnt die Gaukler öfters in seinen Komödien, und dem Terenz widerfuhr das, auch noch in unserer Zeit mögliche, Unglück, daß er bei der Aufführung seiner „Schwiegermutter" durch die auf dieselbe Zeit angekündigte Production eines Seiltänzers gestört wurde und das Stück nicht zum Schlüsse bringen konnte, (?roi. klee^r. I. 1. II. 2ö.). In der Kaiser¬ zeit füllten die Belustigungen durch Feuerwerker, Seiltänzer, Escamoteure und Äquilibristen bei den Spielen die Jntermezzos zwischen den Acten der Wett¬ kämpfe, Thierhetzen und Gladiatorengefechten aus. Um die Mannigfaltigkeit der Vorstellungen zu erhöhen, mögen sich wol schon früh die Gaukler truppweise zusammengeschart und Schüler herangebildet haben. Wenigstens hatte der Syrakusaner bei Tenvphon eine Gauklerin, einen Tänzer und eine Flötenspielerin bei sich, und von einer aus vierzig Personen bestehenden Seiltänzerbande wird später die Rede sein. Auf ihren Zügen mußten diese Leute natürlich ihr ganzes Rüstzeug mit sich schleppen; deshalb sagt Plutarch (et«z lacie in lan. 8.) von Anekdotenjägern: „Sie haben von solchen Erzählungen nicht einen Sack voll, sondern so viel, als daS Geräthe und der Kram ausmacht, den die Gaukler auf dem Rücken tragen und neben sich ziehen." Nach ihrem Rufe war auch die Einnahme verschieden. Von dem Syrakusaner erwähnt Tenophon, daß derselbe „erstaunlich viel Gelb" ver¬ dient habe. Dagegen regnete eS bei den Vorstellungen auf öffentlichen Plätzen nur kleine Kupfermünzen, welche, wie bei uns, Leute mit dem Teller ein¬ sammelten, wobei es nicht an Personen fehlte, welche Anspruch auf Freibillets machten. Es erhellt dies aus Theophrasts „Charakteren" (6.), wo als Be¬ schäftigung geistig verkommener Menschen angeführt wird wie sie „bei den Gaukler¬ kunststücken zu einem jeden hintretend die Chalci (etwa Zweipsennigstücke) ein¬ zusammeln und sich mit denen herumzustreilen pflegen, welche eine Marke bei sich tragen und umsonst zusehen wollen." Doch betrachten wir die Leistungen der Alten aus diesem Felde einzeln und beginnen von der niedrigsten Stufe, der durch fortgesetzte Uebung erhöh¬ ten, angeborenen Körperstärke! — Die Beweise riesiger Kraft, welche die be¬ kannten griechischen Athleten von ihrem Urahn Hercules an gegeben haben, kommen hier nicht in Betracht. Nur einer, dem auch nach seinem Tode gött¬ liche Ehre zu Theil ward, möge hier genannt werden: der Thasier Thea- genes. Schon im neunten Jahre, als er einst aus der Schule nach Hause ging, trug er ein ehernes Götterbild, das ihm besonders gefiel, vom Markt¬ platze aus der Schulter heim und brachte es, als großer Lärm darüber ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/104>, abgerufen am 18.06.2024.