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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Färbung. Die bamberger Zeitung war unter Hegels Leitung eine mit dem
Ordnungssinn, der Treue und der Trockenheit deutscher Gelehrsamkeit ge¬
schriebene napoleonische Zeitung. DaS Interesse, was sie vertrat, war
in erster Linie das französische, in zweiter Linie das bairische. Die Rai-
sonnements deö Moniteur, die imperialistische Phraseologie der officiellen
und officiösen Blätter, der überschwengliche Stil der Napoleonisten: das alles
geht unverändert in die Spalten der löschpapiernen deutsche" Miniaturzeitung
über. Ich meinestheils habe nichts darin finden können, was ein "warmes
Interesse für das Geschick Preußens und seines Herrscherthrones" verriethe.
Ohne zu suchen findet man ans jeder Seite die tausendfach in der cvmman-
dirten Presse wiederhallenden Lobhudeleien des großen Kaisers und Feldherrn,
seiner gekrönten und ungekrönten Creaturen und Werkzeuge.

Daß es in Baiern und unter dem allmächtigen Einflüsse Napoleons un¬
möglich war anders zu schreiben, ist nur zu gewiß. Was jeder zu gewärtigen
habe, der es sich beikommen lassen sollte, eine indiscrete Sprache zu führen,
konnte Hegel selbst gleich zu Anfang seiner Redaction an dem Beispiele eines
Mannes erfahren, der zwiefach sein College war. Stutzmann in Erlangen
hatte eine "Philosophie des Universums" geschrieben, in welcher er eine Mittel¬
stellung zwischen Fichte und Schelling einnahm. Er redigirte jetzt die erlanger
Zeitung; in dieser seiner Eigenschaft war er Anfang März wegen angeblich
"falscher politischer Nachrichten" sammt dem Drucker der Zeitung nach Bay-
reuth abgeführt worden, und erst Ende des Monats war die Wiederherstellung
deS Blatts unter dem Titel einer "Unparteiischen Zeitung" anbefohlen worden.
Es war daher durch die Klugheit geboten, in diesem Lande nichts drucken zu
lassen, was irgend ein französischer Generalgouvemeur als eine "falsche poli¬
tische Nachricht" hätte bezeichnen können. Noch viel mehr aber, dünkt mich,
war es durch daS natürliche patriotische Ehrgefühl geboten, eine Stellung gar
nicht anzutreten , die zu einer dei artigen Klugheit verpflichtete. Nur unter
einer Bedingung, offenbar, hätte eS sich damals verlohnt, ja, hätte eS zur
Pflicht werden können, die Arbeit an dem Bau der Wissenschaft einzustellen
und Zeitungen zu schreiben. Dann nämlich, wenn es dem Zweck gegolten
hätte, das nationale Bewußtsein wachzurufen und das Feuer der Empörung
gegen den fremden Tyrannen zu schüren. Zu dem entgegengesetzten Zweck
ließ sich Hegel in sein Nedaclionszimmer einsperren. Er that es zum Theil,
weil ihm dies neubairische und napoleonische Wesen mit seiner Rücksichts¬
losigkeit und mit seinen Erfolgen, mit dem Glanz und Geist, der daran hing,
imponirte. Allein er hatte früher doch auch dafür ein Auge gehabt, wie dies
französische Regieren von oben herab "ein ledernes und geistloses Leben er¬
zeuge", und wenn er es früher nicht gesehen hatte, so mußte er es jetzt an
Ort und Stelle erkennen, daß die Energie dieses neuen Staates auf hohlem


Färbung. Die bamberger Zeitung war unter Hegels Leitung eine mit dem
Ordnungssinn, der Treue und der Trockenheit deutscher Gelehrsamkeit ge¬
schriebene napoleonische Zeitung. DaS Interesse, was sie vertrat, war
in erster Linie das französische, in zweiter Linie das bairische. Die Rai-
sonnements deö Moniteur, die imperialistische Phraseologie der officiellen
und officiösen Blätter, der überschwengliche Stil der Napoleonisten: das alles
geht unverändert in die Spalten der löschpapiernen deutsche« Miniaturzeitung
über. Ich meinestheils habe nichts darin finden können, was ein „warmes
Interesse für das Geschick Preußens und seines Herrscherthrones" verriethe.
Ohne zu suchen findet man ans jeder Seite die tausendfach in der cvmman-
dirten Presse wiederhallenden Lobhudeleien des großen Kaisers und Feldherrn,
seiner gekrönten und ungekrönten Creaturen und Werkzeuge.

Daß es in Baiern und unter dem allmächtigen Einflüsse Napoleons un¬
möglich war anders zu schreiben, ist nur zu gewiß. Was jeder zu gewärtigen
habe, der es sich beikommen lassen sollte, eine indiscrete Sprache zu führen,
konnte Hegel selbst gleich zu Anfang seiner Redaction an dem Beispiele eines
Mannes erfahren, der zwiefach sein College war. Stutzmann in Erlangen
hatte eine „Philosophie des Universums" geschrieben, in welcher er eine Mittel¬
stellung zwischen Fichte und Schelling einnahm. Er redigirte jetzt die erlanger
Zeitung; in dieser seiner Eigenschaft war er Anfang März wegen angeblich
„falscher politischer Nachrichten" sammt dem Drucker der Zeitung nach Bay-
reuth abgeführt worden, und erst Ende des Monats war die Wiederherstellung
deS Blatts unter dem Titel einer „Unparteiischen Zeitung" anbefohlen worden.
Es war daher durch die Klugheit geboten, in diesem Lande nichts drucken zu
lassen, was irgend ein französischer Generalgouvemeur als eine „falsche poli¬
tische Nachricht" hätte bezeichnen können. Noch viel mehr aber, dünkt mich,
war es durch daS natürliche patriotische Ehrgefühl geboten, eine Stellung gar
nicht anzutreten , die zu einer dei artigen Klugheit verpflichtete. Nur unter
einer Bedingung, offenbar, hätte eS sich damals verlohnt, ja, hätte eS zur
Pflicht werden können, die Arbeit an dem Bau der Wissenschaft einzustellen
und Zeitungen zu schreiben. Dann nämlich, wenn es dem Zweck gegolten
hätte, das nationale Bewußtsein wachzurufen und das Feuer der Empörung
gegen den fremden Tyrannen zu schüren. Zu dem entgegengesetzten Zweck
ließ sich Hegel in sein Nedaclionszimmer einsperren. Er that es zum Theil,
weil ihm dies neubairische und napoleonische Wesen mit seiner Rücksichts¬
losigkeit und mit seinen Erfolgen, mit dem Glanz und Geist, der daran hing,
imponirte. Allein er hatte früher doch auch dafür ein Auge gehabt, wie dies
französische Regieren von oben herab „ein ledernes und geistloses Leben er¬
zeuge", und wenn er es früher nicht gesehen hatte, so mußte er es jetzt an
Ort und Stelle erkennen, daß die Energie dieses neuen Staates auf hohlem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/100>, abgerufen am 23.07.2024.